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Taylor Swifts Kulturrevolution: Konsum trifft auf Kalifat

In Wien mussten Konzerte der vor allem bei der Jugend und weiblichen Fans beliebten Pop-Ikone Taylor Swift aufgrund der terroristischen Bedrohungslage abgesagt werden. Die Freude und euphorische Erwartungshaltung der sogenannten "Swifties" ging von einem Moment auf den anderen in den Keller. Ein geplanter Terroranschlag konnte durch die österreichischen Behörden mit internationaler Unterstützung verhindert werden. Jedoch, was sagt dieses Ereignis über den Zustand unserer westlich geprägten Gesellschaft aus? Stehen wir vor einem Wertewendepunkt oder zumindest einer ernsthaften Gefährdung unserer offenen und toleranten Gemeinschaft und Lebensweise?

Erste Anzeichen und Indikatoren für ein Spannungsfeld in Zusammenhang mit der stark auf Konsum fokussierten und progressiv anmutenden Jugendbewegung rund um die US-amerikanische Pop- und Country-Sängerin, Songwriterin sowie Musikproduzentin gab und gibt es im Heimatland der Künstlerin. Hier positioniert sich die liberale Interpretin gegen den Macho-Patriarchen Donald Trump. Selbstverständlich genau in der Intensität und so kalkuliert, dass dieses Engagement nicht wirklich ihre ökonomischen Interessen gefährdet. Das ist das Schöne am Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Only in America. Der Weltstar, der für die Gleichstellung von Frauen eintritt, für das Recht auf Abtreibung, sowie die Freiheit jeglicher sexuellen Orientierung ist nicht nur für alte weiße Präsidenten ein Affront.

Für Islamisten und religiöse Extremisten ist eine derart offen zur Schau gestellte Freizügigkeit und das damit verbundene Selbstverständnis von Swift eine Provokation par excellence. Ein Sinnbild so verstandener, westlich degenerierter Dekadenz und Konsumkultur, in dem die Welt sprichwörtlich Kopf steht. Die swiftsche Kulturrevolution kann Kraft des weltweit wirksamen Kapitalismus allerorts eine Wirkung entfalten, die sie nun entsetzlicherweise im Westen zur Zielscheibe religiöser Fanatiker werden ließ. Hierbei ist das Phänomen des Terrors versus Künstlerin nur ein Symptom einer Krankheit, der wir uns längst in ganz Europa stellen müssen.

Welche Werte haben wir in einer Welt, die zwar immer globaler, schneller und vernetzter wird, in der es aber ein von mehreren Seiten verortetes Vakuum an innerer Identität gibt, das in weiterer Folge durch als "hohl" wahrgenommenen Konsum auszufüllen versucht wird? Welche Angebote haben wir für Menschen, die auf der Suche nach einer ebensolchen nicht mit letzterem mithalten können oder wollen? Die neue "Queen of Pop" hat unintendiert durch ihre moderne Performance und Werte einen Prozess ausgelöst, der sie zur tiefenpsychologisch bedeutsamen Blitzableiterin werden lässt. Die Mega-Marketing-Maschinerie der USA kann vieles, aber der Macht des losgetretenen Unbewussten kann selbst sie nicht mehr ausweichen.

 

Daniel Witzeling ist Psychologe, Sozialforscher und Leiter des Humaninstituts Vienna.

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