Lithium, das weiße Gold

Die Dekarbonisierung der Wirtschaft ist das oberste Ziel des Green Deal. Es betrifft alle Facetten unseres Lebens: Wie wir uns bewegen, wie wir leben: einfach, es trifft alle, die irgendeinen fossilen Energieträger in welcher Form auch immer verwenden. Ersetzt sollen fossile Energieträger durch das Zusammenspiel von "erneuerbaren" Energieträgern werden. Vorgesehen dafür sind Sonnenenergie, Wind- und Wasserkraft, Biomasse – und viele Staaten setzen auch auf Atomenergie. Letztere ist umstritten und in Österreich verboten.

Die Dekarbonisierung verlangt die Bereitstellung von riesigen Mengen von Metallen und Mineralien zur Herstellung von Wind-, Solar- und Batterietechnologien. Nun ist es bekanntermaßen auch so, dass Wind nicht immer weht und die Sonne nicht Tag und Nacht scheint. Die Menge des Stroms, der in die Übertragungsnetze eingespeist wird, schwankt daher sehr stark. Im Gespräch sind Gaskraftwerke, die mit Wasserstoff, der mittels Solar- oder Windkraft erzeugt wurde, in Flaute Perioden den fehlenden Strom erzeugen.

Überschussstrom soll gespeichert werden. In Österreich könnte dies mittels Pumpspeicherkraftwerke erfolgen. Man könnte den Überschuss auch verkaufen – falls man Abnehmer findet. Oder Wasserstoff erzeugen. Batterien für die Speicherung werden weltweit diskutiert und bereits gebaut. Ideen sind zahlreich, leider auch sehr wirr, und die Kosten weitgehend unbekannt.

Was aber bekannt ist, welche Idee man verfolgt: Die Dekarbonisierung verlangt die Bereitstellung von riesigen Mengen von Metallen und Mineralien zur Herstellung von Wind-, Solar- und Batterietechnologien. Um die Energiewende zu meistern – und Strom zu speichern – sind im täglichem Gebrauch Akkumulatoren in allen Größen erforderlich. Man denke nur an Handys, Computern, Akkumulatoren für Autos, E-Scooter, Elektrofahrräder oder Speicherfarmen mittels Akkumulatoren und viele andere. Die Rohstoffe dazu – Lithium und Kobalt – werden von China kontrolliert.

Das Element Lithium wird in letzter Zeit immer wieder in den Medien erwähnt und ist ein strategisch wichtiges Element; es ist laut der deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) der "Schlüsselrohstoff der Verkehrswende": "Lithium ist ein Metall, das in unserer heutigen Gesellschaft unentbehrlich geworden ist. (….) Der Bedarf an Lithium stieg in den letzten Jahren sehr stark, auch getrieben durch die rasant wachsende Nachfrage im Bereich der Elektromobilität."

Gegenwärtig werden global jährlich rund 82.000 Tonnen Lithium produziert. Hauptproduzent, mit etwa 50 Prozent Anteil an der Weltbergbauförderung, ist gegenwärtig Greenbushes, zur Zeit der größte Lithium-Spodumen Bergbau.

Spodumen mit der chemischen Formel LiAl[Si2O6] ist einer der wichtigsten Rohstoffe zur Gewinnung von Lithium. Für 2030 prognostiziert die BGR einen Bedarf von bis zu 560.000 Tonnen. Der Greenbushes Bergbau ist nach Wikipedia der weltgrößte Lithiumbergbau sowohl in Hinblick auf Produktion, Reserven und Ressourcen als auch Gehalt an Lithium im Spodumen.

Bemerkenswert ist, dass die Produktion auf Grund der sinkenden Verkaufszahlen von Elektroautos Anfang 2024 zurückgefahren wurde.

Eigentümer des Bergbaus und der Verarbeitungsanlage ist Tianqi Lithium Corporation, eine chinesische Gesellschaft mit 51 Prozent, und Abermarle, eine US-Gesellschaft mit 49 Prozent. Tianqi kontrolliert mehr als 46 Prozent der Weltproduktion von Lithium. Produkt ist Lithium-Hydroxyd, das an Batteriehersteller verkauft wird.

Auch die Lithium-Lagerstätte auf der Koralpe, deren Lagerstätteninhalt mit 22 Millionen Tonnen geschätzt wird, ist ein Lithium-Pegmatit mit Spodumen als Lithiumträger. Ursprünglich hat man der Bildung dieser Lagerstätte einen magmatischen Ursprung zugeschrieben.

Neuerdings haben österreichische Forscher dafür ein anatektisches Lithium-Transfer-Modell entwickelt, das zukünftig sowohl im wissenschaftlichen als auch im wirtschaftlichen Bereich Einfluss haben wird. Somit könnten in Österreich weitere Lithium-Vorkommen noch entdeckt werden.

Ganz anders das oft erwähnte Lithium-Vorkommen im Jadartal in Serbien. Dort ist das Lithium im Mineral Jadarit, einem Natrium-Lithium-Bor-Silikat-Hydroxid enthalten. Dieses Mineral wurde 2004 von Geologen der Rio-Tinto-Bergbaugesellschaft entdeckt und Jadarit getauft. Seine chemische Zusammensetzung NaLi[B3SiO7(OH)] und damit ein Natrium-Lithium-Bor-Silikat-Hydroxid. Jadarit ist an lakustrine Sedimente aus dem Miozän der Vardar Zone gebunden. Es entstand durch Evaporation flacher Gewässer. Auch diese Erkenntnis ist bedeutend. Es ist damit wahrscheinlich, dass solche Vorkommen auch in anderen Bereichen als nur im Aartal vorkommen.

Derzeit von wirtschaftlichem Interesse in Europa sind die Lagerstätten in Österreich und Serbien. Auch in Zentralfrankreich ergaben Untersuchungen ein Lithiumvorkommen, das die Eröffnung eines Bergwerks um 2028 möglich machen würde. Ferner sind die Vorkommen in Portugal und Spanien von Interesse.

Wikipedia zufolge gilt das von Rio Tinto 2004 entdeckte Jadar-Vorkommen als die weltweit größte Lithium-Borat-Lagerstätte. Laut Pressemitteilungen werden die Reserven auf 200 Millionen Tonnen geschätzt.

Für die bergbauliche Entwicklung eines Untertage-Bergbaus erteilte die serbische Regierung der Bergbaufirma Rio Tinto eine Abbau-Lizenz. Produziert sollten Lithiumkarbonat, Natriumsulfat und Boraten werden. Auf Grund des Drucks von Umweltaktivisten wurde diese Lizenz 2022 widerrufen. Der Widerruf wurde begründet wegen befürchteter negativer Auswirkungen des Bergbaus auf das Grundwasser und die Wasserversorgung. Dieses Urteil wurde 2024 durch das serbische Verfassungsgericht als verfassungs- und gesetzeswidrig erkannt und aufgehoben. Die serbische Regierung hat daraufhin beschlossen, das Projekt wiederzubeleben.

Im Juli 2024 gab die deutsche Bundesregierung bekannt, dass Kanzler Scholz am "Critical Raw Material Summit" in Belgrad teilnehmen werde und im Rahmen dieses Gipfels ein Memorandum of Understanding zwischen Serbien und der EU-Kommission über eine strategische Partnerschaft zu nachhaltigen Rohstoffen, Batterie-Wertschöpfungsketten und Elektrofahrzeugen unterzeichnen wird.

Dieses Memorandum zeugt von deutscher Überheblichkeit. Wie im Spiegel berichtet wird, könne Deutschland dabei mit seinem Knowhow und seiner Erfahrung Serbien zur Seite stehen. "Darauf müssen sich die Bürgerinnen und Bürger vor Ort verlassen können, und sie können es auch." Eine merkwürdige Formulierung.

Es ist wohl anzunehmen, dass Rio den Bergbauvertrag mit Belgrad so formuliert hat, dass sie den Bergbau betreiben und die Ware daraus verkaufen kann an jene Abnehmer, die die entsprechenden Preise zu entrichten bereit sind.

Und nun, vor wenigen Tagen war zu vernehmen, dass zehntausende Menschen unter dem Motto "Es wird keine Bergwerke geben" in Belgrad gegen den Bau der 2,4 Milliarden teuren Lithium-Anlage protestiert. Umweltschützer sehen das Metall, das auch weißes Gold genannt wird, vor allem als hochgiftig und umweltschädlich an. Sie kritisieren unter anderem, der Bergbau verunreinige das Grundwasser mit Schwermetallen und sei daher eine Gefahr für die Trinkwasserversorgung der Anwohner.

Es wird mit Befürchtungen argumentiert, die auf mangelndes Wissen hindeuten. Wohl ist Lithium als Metall giftig und gefährlich, jedoch nicht in der Form, in der es Anwendung in Akkus, Medizin oder sonst wo findet.

Es ist verständlich, dass große Bergbauanlagen wie dieses Projekt auf Widerstand der Bevölkerung stoßen, gleichgültig ob sich das Projekt in Österreich, Spanien oder Serbien befindet. Andererseits setzt die Mehrheit der Bevölkerung auf Dekarbonisierung; und soll diese zum Erfolg führen, sind riesige Umweltschäden unvermeidlich, auch wenn man sich bemüht diese zu minimieren.

"Wir sind überzeugt, dass die Mine für nichts und niemanden eine Gefahr darstellt", beteuerte Serbiens Präsident Aleksandar Vucic. "Doch zunächst benötigen wir Garantien von Europa, dass die Umwelt und das Leben der einfachen Bürger erhalten bleibt und durch neue Arbeitsplätze und bessere Gehälter verbessert wird."

Rio Tinto begrüßte die Entscheidung der Regierung und versprach, höchste Umweltschutzstandards einzuhalten und Tausende von Arbeitsplätzen zu schaffen.

Im Falle der Umsetzung des Projekts würde Europa weitgehend unabhängig von China werden, das den Weltmarkt vieler strategischen Mineralien beherrscht. Bei Lithium sind es gegenwärtig 58 Prozent.

Rio Tinto, ist eines der größten Bergbauunternehmen, dessen Gründung auf den Kupferbergbau in der spanischen Provinz Huelva in Andalusien zurückgeht. Gegenwärtig gewinnt es vor allem Eisenerz, Aluminium und Kupfer. Auch ist dieses Unternehmen ein bedeutender Produzent von Urankonzentrat in Namibia und Australien, es ist in insgesamt 35 Ländern tätig.

Auch China bemühte sich um dieses Projekt. Das ist recht eindeutig, China will Kontrolle über Ressourcen, die der Energiewende dienen. Europa soll abhängig sein von China. Das ist China prächtig gelungen bei Solarpaneelen. Dort haben sie absolute Kontrolle. Auch weitgehend bei Windkraftwerken. Seltene Erden gibt es zwar weltweit, doch China beherrscht den Markt. Und Batterien brauchen Li und Co. Beides weitgehend bereits unter Kontrolle von China. Damit ist Europa abhängig vom guten Willen Chinas diese Elemente oder Bestandteile, die diese Elemente beinhalten, zu liefern.

Proteste der Bevölkerung und Umweltschäden sind kaum zu vermeiden. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen und den Green Deal zu verwirklichen, müssten kritische Rohstoffe EU-intern gefördert werden.

Soweit die Situation in Europa. Das zweite wichtige Metall für die Dekarbonisierung ist Kobalt. Dieser Rohstoff wird überwiegend in der Demokratischen Republik Kongo abgebaut. Leider ist es so, und es ist viel zu wenig bekannt, dass bis zu 30 Prozent des Kobalts von Kindersklaven unter schrecklichen Bedingungen gewonnen wird. Kontore, die von chinesischen Händlern betrieben werden, kaufen die Produktion – überwiegend Kinderarbeit – von den Familien-Betrieben auf. Diese liefern das Erz weiter an chinesische Bergbaufirmen und Verarbeitungsanlagen im Kongo und in China.

Und, letztendlich ist Kobalt in alle Arten von Akkus, die aus China kommen, verarbeitet, ob sie in Geräten des täglichen Gebrauchs oder in E-Autos verbaut werden. Und niemand kümmert sich um das Lieferkettengesetz. Damit akzeptiert Europa die Ausbeutung moderner Kindersklaven.

Ja, Brecht hatte recht: Erst kommt das Fressen und dann die Moral.

 

Dr. Gerhard Kirchner ist Bergingenieur und liebt die Umwelt.

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