Gibt es Außerirdische?

Ein Priester einer katholischen Kirche in den USA, der durch Videoserien wie "Die Bibel in einem Jahr" und "Der Katechismus in einem Jahr" bekannt wurde, hat sich auch über die Frage, ob intelligente Lebewesen im Weltall, vulgo "Außerirdische", möglich sein könnten, öffentlich geäußert. Wobei er nicht versäumte, auf die für die Gläubigen brennende Frage einzugehen, ob ein Beweis der Existenz anderer intelligenter Lebewesen, womöglich mit menschlichem Antlitz und Gebaren, am christlichen Glauben ihrer Kirche etwas ändern würde.

Seine Antwort, in einem Satz zusammengefasst: Die weltweit diskutierte Existenz von "Außerirdischen" sei möglich, würde aber den Glauben der Kirche nicht verändern.

Ob Kirche und Theologie das geozentrische und ptolemäische Weltbild, das bis zur Neuzeit fast unangefochten gültig war, mit ebenso einfachen und leicht verständlichen Worten verteidigt haben? Weil sie dieses vorneuzeitliche Weltbild für widerspruchfrei gültig gehalten haben und daher an etwas zu glauben glaubten, das sich niemals als sein Gegenteil entpuppen werde: als heliozentrisches Weltbild, wodurch das vorangegangene (Himmelskörper-)Weltbild als unhaltbare Anmaßung, als Fiktion unwissenschaftlicher Hypothesen, als erwiesenermaßen falsches (biblisches) Weltbild erkannt worden war?

An diese Entpuppung glauben mittlerweile auch Kirche und Theologie, was sie aber weiters nicht beunruhigt, wie sie heute behaupten. Denn Wissenschaft und religiöses Glauben könnten einander nicht widersprechen, weil ihre Wahrheiten nichts miteinander zu tun haben. Sie können einander weder berühren noch tangieren oder gar miteinander kollidieren. 

Wenn sich Glaubenswahrten über Weltwahrheit hinausversteigen

Wenn sich aber Glaubenswahrheiten und Weltwahrheiten nicht widersprechen können, existieren sie offenbar in zwei verschiedenen Welten. Eine These, die jeden Christen mahnend an das Wort Christi erinnert: "Mein Reich ist nicht von dieser Welt." Dieser Spruch, den das Neue Testament überliefert, war "universal" oder "global" und vielleicht sogar "kosmologisch" (im heutigen Sinn von kosmologisch) gemeint, während eine Variante derselben Spruchweisheit lediglich politisch gemeint war: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist." 

Und obwohl alle Spruchweisheiten (aller Religionen) von Welten und Reichen künden, die ihre eigene Wahrheit und Realität sein sollen, treffen diese scheinbar getrennten Welten doch in einem Punkt dieser Welt zusammen: in den auf der Erde lebenden Gläubigen ihres Glaubens. Auch die Gläubigen des Christentums haben ein ursprüngliches Dekret ("nicht von dieser Welt...") über einen Welten-Unterschied empfangen, der als Dekret gelten soll. Dekrete werden mit höchster Machtbefugnis erlassen, sie bedürfen keiner Erklärung, keiner Begründung. Seitdem jedoch das Christentum als Teil oder Passagier säkularer Kulturen und Epochen durch die Geschichte fährt, kollidiert das übernommene säkulare (nicht nur das geozentrische) Weltbild unausweichlich mit dem religiösen Weltbild, das die heiligen Schriften des Christentums bis heute als verbindliches Gemeingut ihrer Tradition verkünden.

Dennoch können "Naturwissenschaft und Glaube einander nicht widersprechen", behauptet besagter Priester in den USA, denn "beim Glauben gehe es um die Wahrheit im übernatürlichen Bereich", während es das "Ziel der Naturwissenschaft sei, die Wahrheit im Bereich der natürlichen Dinge zu finden." Dies klingt überaus plausibel, klar und eindeutig verständlich. Und am liebsten möchten wir nicht mehr darüber räsonieren, warum sich Kirche und Theologie an diese einfache und klare Lehre durch viele Jahrhunderte durchaus nicht gehalten haben, und sich scheinbar erst seit Anfang der Neuzeit daran zu halten beginnen. Oder sollte dieser Beginn nur ein erzwungener Scheinbeginn gewesen sein?

Vom Scheiterhaufen in Rom zurück in die Beratung mit dem päpstlichen Kulturrat

Noch bis in die Zeit der Verabschiedung des geozentrischen Weltbildes hinein verfolgte die Kirche jeden Gelehrten, der ihren Ansichten von Welt und Kosmos widersprach, und wenn es sein musste, bis zu dessen grausamer Tötung.

Werden Kirche und Theologie in unseren Tagen ihrer "verjährten" Verbrechen von damals angeklagt, pflegen sie ihre Hände in angemaßter Unschuld zu waschen und alle Todesurteile und inquisitorischen Martern durch die Absolution eines einfachen Dekrets zu entschuldigen: Wie jede Kultur sei auch die der Kirche vergangener Jahrhunderte ein Kind ihrer Zeit gewesen und somit den damaligen Zeitumständen verhaftet und mit diesen geradezu eines Wesens gewesen. 

Erst nach exakt 400 Jahren erklärte Papst Johannes Paul II., nach eingehender Beratung mit dem päpstlichen Kulturrat und einer theologischen Kommission, dass die Hinrichtung Giordano Brunos am 17. Februar 1600 auf einem Scheiterhaufen in Rom ab sofort auch aus kirchlicher Sicht als Unrecht zu betrachten ist. 

Wie müssen wir diese Selbstentschuldigung verstehen? Geschieht auch deren Absolution in und durch jenes Reich, das nicht von dieser Welt ist, die daher als überweltliche Welt handelt und Recht spricht?

Und im Hier und Heute unserer Gegenwart am Beginn des 21. Jahrhunderts: Keine religiösen Verbrechen mehr und folglich auch keine Verjährungen, keine weiteren Entschuldigungen und Absolutionen mehr? (Weil das Ende der Geschichte erreicht wurde?) 

Es ist wohl unnötig, nochmals das ganze Sündenregister der Kirchen und Theologien in der heutigen Gegenwart zu wiederholen. Bedenkenlose Anpassungen an den aktuellen Zeitgeist, an jede noch so verrückte Ideologie von neuen Menschen, von neuen Geschlechtern, neuen Sprachen, neuen Klimarettungen und als Gipfel: die Verkündigung einer neuen Art von "Nächstenliebe", die erstmals die ganze Menschheit als (welt-)politische Liebe umarmt und durch offene Grenzen und Schlepper-Samariter dafür sorgen soll, dass nicht ein "Europa der Vaterländer", sondern eine Vereinigung aller Länder, aller Völker und aller Religionen dieses Planeten in Europa entstehen soll.

Katholische und evangelische "Visionäre" unterstützen die neuen Wege in ein neuen irdisches Heil, das mit dem überirdischen Heil der Kirchen und Theologien übereinstimme. Sie hätten die neuen "Zeichen der Zeit" erkannt und seien befugt und beauftragt, "auf Erden" auszuführen, was "im Himmel" beschlossen wurde.

Werden sich die Kirchen nach dem "Waterloo" ihrer diesmaligen Mission, deren düstere Früchte bereits sichtbar werden, für ihre falschen Visionen, Dekrete und Handlungen abermals entschuldigen? Diese Frage setzt voraus, dass für die Kirchen so etwas wie "falsche Visionen, Dekrete und Handlungen" existieren. 

Wir haben alles richtig gemacht

Wenn Europa im Schlepptau der herrschenden EU-Eliten in eine neue Dritte Welt abgesunken sein wird, werden erstens diese selbst an der alternativlosen Richtigkeit ihrer Lehre festhalten, sofern sie nicht vorher abgewählt oder sonstwie entmachtet worden sind. Und werden zweitens die Kirchen auf das bewährte Mittel der so oft schon bewährten Selbst-Absolution zurückgreifen: Es war die "damalige Zeit" (also die von heute), es war die damalige Entwicklung der Kultur, der damalige Zustand der Menschheit usf., den die Kirchen demnach "als Kinder ihrer Zeit" mitmachen mussten.

Nicht mehr unwahrscheinlich, dass die Kirchen im künftigen Dritte-Welt-Europa ein nationenübergreifendes Netz von Suppenküchen aufbauen werden, um im Kontinent der verschwundenen "Vaterländer" den letzten Europäern ein knappes Überleben zu ermöglichen.

Um nochmals verkünden zu können: "Wir haben alles richtig gemacht." Was bekanntlich einige Priester und Pfarrer bereits um das Jahr 2015 prophetisch behaupteten: "Merkel hat alles richtig gemacht."

Aber kann sich eine religiöse Institution einerseits als Marionette der Geschichte, als jeweiliger Pinocchio der jeweiligen Epoche, und zugleich als epochenübergreifender Zeichen-Seher verstehen und ohne (Selbst-)Betrug behaupten? Als Pinocchio ist sie felsenfest und gründlich überzeugt, dass ihr Anhaften und Festkleben an ihrer Zeit "ohne Alternative" ist; doch als Seherin der "Zeichen der Zeit" hat sie bereits die heilbringende nächste Epoche der Geschichte erblickt. In ihrem Himmelsblick herrscht immer klare Sicht, auf Erden aber regiert stets ein verblendender Dämon, der spätestens alle hundert Jahre nicht nur seine Kleider wechselt.

Was vor hundert Jahren noch möglich war, ist heute unmöglich geworden, was vor hundert Jahren noch verboten war, ist heute erlaubt und geboten. Angesichts dieser variablen Welt (von Weltgeschichte), die ihr Unterwegs in Richtung Zukunft vermutlich noch lange weiterverfolgen wird, scheint das "wahre Erkennen der wahren Zeichen der Zeit" ein mehr als riskantes Vabanque-Spiel zu sein.

 

Leo Dorner ist ein österreichischer Philosoph.

 

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