Eine Eigentümlichkeit der Gesetzgeber ist, Gesetze zu beschließen, ohne sich deren Folgen bewusst zu sein. Ein klassisches Produkt ist Österreichs Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz.
"Ein zentrales energie- und klimapolitisches Ziel der Bundesregierung ist es, die Stromversorgung unseres Landes bis 2030 auf 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energieträgern (national bilanziell) umzustellen (…)."
"Im Konkreten soll bis zum Jahr 2030 die jährliche Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, unter Beachtung strenger ökologischer Kriterien, um 27 Terrawattstunden (TWh) gesteigert werden, wobei 11 TWh auf die Photovoltaik, 10 TWh auf die Windkraft, 5 TWh auf die Wasserkraft und 1 TWh auf die Biomasse entfallen sollen. Darüber hinaus soll die Investitionssicherheit für bestehende und zukünftige Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarem Gas gewährleistet und der Anteil von national produzierten erneuerbarem Gas am österreichischen Gasabsatz bis 2030 auf 5 TWh erhöht werden."
Ob damit auch der rasante Verbrauch an Strom für Künstliche Intelligenz gedeckt wird, ist unwahrscheinlich. Schätzungen gehen von einem prognostiziertem Energieverbrauch von 160 Prozent des gegenwärtigen aus.
Da Kohlekraft- und Atomkraftwerke in Österreich, gemäß der Gesetzeslage, nicht gebaut werden dürfen, Wasserkraft weitgehend ausgebaut ist, kommen also nur Photovoltaik und Windkraft, unterstützt von Gaskraftwerken, die mit grünem Gas betrieben werden sollen, in Frage.
Gegenwärtig verbraucht Österreich 8 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Etwa 42 Prozent davon benötigt die Industrie, die Erdgas vor allem für Prozesswärme nutzt. Nach Informationen aus "Energie in Österreich" sind die größten Verbraucher die Papier- und Chemieindustrie sowie die Stahl- und Zementerzeuger. Hier lässt sich Gas, wegen der benötigten hohen Temperaturen, schwerer ersetzen. Diese Prozesse können nur durch grünes Gas erneuerbar werden. Unter grünem Gas wird Wasserstoff, der mittels Elektrolyse erzeugt wird, verstanden. Auch Biogas ist grünes Gas, wird aber in nur unzureichenden Mengen erzeugt. Kleinere Erzeugungsanlagen für Wasserstoffelektrolyse betreibt die Voest und das Land Burgenland, die in Zukunft ausgebaut werden sollen.
Ohne auf den zu erwartenden, zukünftigen, hohen Verbrauch an Gas (Wasserstoff) einzugehen, wird im Folgenden nur die gegenwärtige Situation betrachtet.
Die Industrie verbraucht gegenwärtig 42 Prozent der 8 Milliarden Kubikmeter Erdgas, mit einem mittleren Brennwert von 11 kWh/m3 oder 36,96 TWh; abzüglich der geplanten 5 TWh für in Österreich produziertes grünes Gas ergibt das 31,96 TWh Erdgas.
Nun soll das Erdgas mit grünem Wasserstoff ersetzt werden. Wasserstoff wird allgemein in Kilogramm gehandelt. Ein Kilogramm Wasserstoff hat einen Brennwert von 39,4 kWh. Daraus ergibt sich, dass 811 Millionen Kilogramm Wasserstoff gebraucht werden, um die 31,96 TWh Erdgas zu ersetzen.
Um ein Kilogramm Wasserstoff zu produzieren, bedarf es eines Energieaufwands von 48 kWh. Will man z.B. diesen Wasserstoff mittels grüner Energie aus Windkraftanlagen erzeugen, so bedarf es des Baues von rund 3500 Windrädern. Diese wären mit einer Leistung von 5 MW zu versehen, die in Österreich während 26 Prozent der Zeit Strom produzieren. Also diese 3500 Windräder müssen zusätzlich zur bestehenden und geplanten Flotte errichtet werden, um die Industrie mit grünem Gas zu versorgen. Doch muss auch Gas bereitgestellt werden, um die Backup-Gaskraftwerke zu betreiben, die erforderlich sind, wenn der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint. Das bedeutet, es werden viel mehr als die 3500 zusätzlichen Windkraftanlagen benötigt, um die grüne Energiewende bewerkstelligen zu können.
Es wird zwar immer wieder davon gesprochen, dass zu gewissen Zeiten eine Stromüberproduktion aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen existiert, die man in Form von Wasserstoff speichern könnte. Allerdings ist anzuzweifeln, dass dieser Überschuss ausreichen wird, um den Bedarf an grünem Wasserstoff zu decken.
Um Wasserstoff mittels Elektrolyse aus Wasser zu gewinnen, ist chemisch reines Wasser von Nöten. Das könnte möglicherweise Grundwasser sein, jedoch kaum geeignet ist Wasser aus der Donau, da es nicht den nötigen Reinheitsgrad aufweist. An der Montanuniversität wird auch nach Lösungen gesucht, um Wasserstoff zu gewinnen, die möglicherweise dieses Hindernis des Reinheitsgrades umgehen können.
Um 1 Kilogramm Wasserstoff mittels Elektrolyse zu gewinnen sind 10 Kilogramm geeignetes Wasser erforderlich. Für die österreichische Situation wären das 8110 Millionen Kilogramm Wasser, oder 8,11 Millionen Kubikmeter. Das wäre der jährliche Wasserverbrauch von 171.000 Personen. (130 x 365 Liter im Jahr)
Nun sind das alles Angaben, bei denen keine Verluste bei der Produktion, beim Verbrauch oder der Speicherung entstehen. Außerdem scheint es unrealistisch, weitere 3500 und mehr Windräder nur für die Produktion von grünem Wasserstoff in Österreich zusätzlich zu den geplanten und in Bau befindlichen Windkraftanlagen für die grüne Stromversorgung zu errichten. Mit anderen Worten, Wasserstoff muss importiert werden. Berichtet wird, dass daran gedacht wird, den zusätzlichen Wasserstoff aus dem Nahen Osten oder Afrika zu importieren. Dazu sind gewaltige Anlagen vor Ort, aber auch in Österreich zu errichten. Die da wären vor Ort:
- Bau von Entsalzungsanlagen wegen Wasserknappheit in Wüstenregionen
- Bau von Elektrolyseanlagen
- Windkraft- oder Photovoltaikanlagen
Da Wasserstoff nicht wie Erdgas transportiert werden kann, sind zusätzliche Maßnahmen erforderlich, um den Wasserstoff chemisch zu binden. Dafür bietet sich Ammoniak an, der auch verflüssigt und so mit Schiffen oder Pipelines nach Europa gebracht werden kann. Daher ist erforderlich der Bau von:
- Anlagen zur Gewinnung von Stickstoff, um Ammoniak zu produzieren
- Verflüssigungsanlagen für Ammoniak
- Transportmedien – Schiffe oder Pipelines
Und in Österreich muss aus dem Ammoniak wieder der Wasserstoff extrahiert werden, damit er industriell eingesetzt werden kann.
Es ist kaum anzunehmen, dass sich ein Staat dazu bequemen wird, für die erforderlichen Mengen, die nach Österreich exportiert werden könnten, alle diese Anlagen zu bauen und zu finanzieren. Dazu sind die Mengen nicht groß genug. Um die Sache für den Lieferanten und dem Abnehmer von Wasserstoff auch wirtschaftlich zu machen, sind große Anlagen erforderlich. Damit wird es wohl an Europa liegen, das den Green Deal auf seine Fahnen geheftet hat, die Planung, Finanzierung und den Bau in dem jeweiligen Staat zu übernehmen, was den Geruch eines neuen Kolonialismus in sich birgt.
Rechnet man nun alle Kosten, die entstehen:
- Bau von Entsalzungsanlagen
- Entsalzen von Meerwasser
- Bau von Elektrolyseanlagen
- Elektrolyse
- Bau von Anlagen zur Gewinnung von Stickstoff
- Gewinnung von Stickstoff
- Bau von Anlagen, um Ammoniak zu produzieren
- Binden des Wasserstoffs in Ammoniak und Verflüssigung
- Transportmedien – Schiffe oder Pipelines
- Umwandlungsanlagen für Wasserstoff aus Ammoniak
- Lagermöglichkeiten
Das lässt erkennen, dass die Kosten für den in Österreich benötigten grünen Wasserstoff exorbitant werden.
Was wäre die Lösung für Österreich, um autark zu werden? Ein Beispiel wäre Schweden, das etwa in einem Jahrzehnt zwölf Reaktoren gebaut hat. Auch wenn Schweden über eine Zeit hinweg den destruktiven Weg Deutschlands und Österreichs eingeschlagen hat und aus Atomkraft aussteigen wollte, hat man sich eines Besseren besonnen. Man hat diese Absicht verworfen und plant nun, zehn neue Reaktoren zu bauen und unter anderem grünen Wasserstoff mittels Atomstroms zu erzeugen. Ohne Zweifel ist diese Methode, Wasserstoff zu erzeugen, wesentlich billiger, als der von Österreich und Deutschland anvisierte Weg, Wasserstoff zu importieren. Wasserstoff kann in Schweden direkt vom Erzeuger dem Verbraucher zugeführt werden. Teure Prozessschritte, wie oben dargestellt, sind nicht notwendig.
Der Weg, den Österreich einzuschlagen gedenkt, macht uns abhängig und vulnerabel. Erdgas als Industriegas durch Wasserstoff zu ersetzen
verursacht exorbitante Kosten. Die Wettbewerbsfähigkeit wird damit beeinträchtigt. Eine Deindustrialisierung und Verarmung unserer Gesellschaft ist damit voraussehbar.
Nur mit Windkraft und Photovoltaik in einem dicht besiedelten Land wie Österreich Wasserstoff zu produzieren, ist irreal. Rücksicht ist auf unsere Landschaft und den wichtigen Wirtschaftszweig Tourismus zu nehmen. Die Produktion von Wasserstoff in politisch instabile Staaten auszulagern, ist auch wegen der ungeahnt hohen Kosten zu vermeiden.
Realistisch gesehen, um die Sicherung einer kostengünstigen Versorgung mit grünem Wasserstoff zu garantieren, bleibt nur der schwedische Weg: Das ist der Ausbau der Atomkraft.
Reality is merely an illusion, albeit a very persistent one.” – Albert Einstein
Dr. Gerhard Kirchner ist Bergingenieur und liebt die Umwelt.