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Mein Gott, Europa – Was für ein Zwerg!

Der zusammenaddierte Wert aller Aktiengesellschaften aus ganz EU-Europa ist für klassenbewusste Marxisten die Verkörperung des Erbfeindes, den es zu schlachten gilt. Weltweit zeigt dieser Wert jedoch in Wahrheit einen Zwerg, der nur rund ein Zehntel der weltweiten Märkte ausmacht. Noch dramatischer relativiert sich der Wert aller europäischen Unternehmen, wenn man ihn mit den USA vergleicht.

Denn die europäischen Unternehmen sind in ihrer aufaddierten Börse-Kapitalisierung so viel wert wie allein die sieben größten amerikanischen Technologie-Giganten. Europa, jeder einzelne Politiker, aber auch Bürger sollte sich dessen bewusst sein, um sich die dringend nötige Demut zu erwerben. Denn die zentrale Lehre lautet: Liebes Europa, nimm Dich nicht so wichtig! Glaub doch nicht, du könntest die Welt umerziehen oder die Amerikaner belehren! Du bist wirtschaftlich ein Zwerg, auch wenn in der EU über 510 Millionen Menschen leben und in den USA nicht einmal 330.

Liebes Europa, du hättest längst endlich das – an sich wunderbare – Binnenmarktprojekt fertigstellen sollen, statt das Leben der Europäer kleinteilig zu regulieren. So grenzt es noch immer an eine Dissertation, Eisenbahntickets für eine Gruppenreise durch mehrere EU-Länder zu erwerben. So können rein technisch Lokomotiven noch immer nicht quer durch Europa fahren. So gibt es noch immer keinen gemeinsamen europäischen Finanzmarkt.

Aber stattdessen müssen sich Millionen Europäer täglich beim Einschenken eines Glases Milch ärgern, wenn sie vom untrennbar befestigten Verschluss angespritzt werden. So müssen ungefragt die österreichischen Steuerzahler jährlich rund 30.000 deutschen Studenten das Gratisstudium hierzulande finanzieren.

Gleichzeitig glaubt man seit einigen Jahren in Brüssel, dass am europäischen Wesen die ganze Welt genesen müsse. Mit Lieferkettenverordnungen wollen wir – etwa – indonesische Subsubsublieferanten kontrollieren, irgendwelche von Europa verordnete Sozialstandards einzuhalten. Mit einem Green Deal und neuen CO2-Einfuhrzöllen wollen wir die Welt zu irgendwelchen Klimazielen umerziehen. Mit Sanktionen wollen wir Russland oder Iran von ihrem verbrecherischen Tun abhalten.

Mein Gott, Europa! Das einzige, was so eine Politik bewirkt, ist die Abwanderung von immer mehr Unternehmen und Wertschöpfung aus der EU. Was immer öfter passiert. Denn um den zehn Mal wichtigeren Weltmarkt zu bedienen, braucht man sich dann nicht ihren Regulierungen, Schikanen, Illusionen und hohen Löhnen auszusetzen.

Ich schreibe in jeder Nummer von Österreichs einziger Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung "Börsen-Kurier" die Kolumne "Unterbergers Wochenschau".

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