Alle Parameter stehen aktuell im Zeichen eines Kanzlers Kickl. Die weiterhin hohe Inflation, die als superfiziell empfundene Corona-Aufarbeitung, sowie die emotionsgeladene Migrations- und Ausländerthematik. Fast könnte man glauben die Freiheitlichen könnten bei der kommenden Nationalratswahl ein Sensationsergebnis wie einst Sebastian Kurz erzielen und die einstigen Volksparteien ÖVP und SPÖ zu mittelgroßen Bewegungen und – in Relation zu früheren Zeiten – zu politischen Zwergen minimieren. Glauben ist bekanntlich nicht wissen. Die Gefahr eines "Overratings" der Freiheitlichen Partei Österreichs ist dabei nicht zu unterschätzen, denn Umfragen sind Umfragen und Wahlen sind Wahlen.
Der Schriftsteller Armin Mohler, Sekretär bei Ernst Jünger, und neben diesem Ikone für die "Neue Rechte", prägte zentral den Begriff der "Konservativen Revolution". Repräsentanten dieser neuen alten Zeitgeistströmung wie der immer wieder in den Medien aufflackernde "rechtsfetischisierte" Martin Sellner – Stimuluswort Geheimtreffen – sowie dessen geistiger Mentor, der neurechte Verleger Götz Kubitschek, sehen bereits eine Zeitenwende in ihrem rechtsromantischen Sinne hereinbrechen. Wie hoch ist jedoch die Wahrscheinlichkeit für eine Rechte Revolution – zumindest in Österreich – vor der sich scheinbar so viele im bestehenden liberalen System fürchten?
Faktoren die gegen einen ersten Platz der FPÖ bei den kommenden Nationalratswahlen sprechen:
Herbert Kickl hat im Laufe seiner Regentschaft innerhalb der Partei durch brachiale Aktionen wesentliche Elemente in der Bewegung vergrault. Vom Konflikt mit dem Grandseigneur und Paradeintellektuellen Andreas Mölzer bis zur wenig eleganten Demontage des liberal anmutenden Norbert Hofer reicht die Liste an internen Interventionen zur eigenen Machtstabilisierung.
Dazu kommt die Eigendefinition als politischer "Herkules", der weder im physiognomisch-biophilen Auftreten noch in der mentalen Bandbreite gerade in Bezug auf den Faktor positives Lebensgefühl schwer an einstige FPÖ-Ikonen wie Jörg Haider herankommt. Weder Hegel-Zitate noch asketische Ausdauersportdemonstrationen in der Natur können das negativ konnotierte Unbewusste kompensieren. Hier sind die guten Umfragewerte der Partei eher kontraproduktiv und könnten zu einer Überraschung am Wahlabend führen.
Rahmenbedingungen, die den ersten Platz der Freiheitlichen Partei begünstigen:
Die Gegner von Herbert Kickl im Jahre 2024 lauten nicht Bruno Kreisky, Wolfgang Schüssel oder als rhetorisch brachialeres Konkurrenzbeispiel Franz Josef Strauß, der einst feststellte, dass es rechts von seiner konservativen Bewegung keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe, sondern eben Karl Nehammer und Andreas Babler. Aufgrund dessen werfen, frei nach Karl Kraus, auch Zwerge lange Schatten.
Daniel Witzeling ist Psychologe, Sozialforscher und Leiter des Humaninstituts Vienna.