Vor allem schadet er den Migranten. In Wien gibt es dieses Jahr durch Familienzusammenführung jedes Monat rund 350 Schulkinder – vor allem aus Syrien stammend – mehr. Also müssen monatlich 350 Kinder mehr unterrichtet werden. Das ist plusminus eine ganze Volksschule im Monat, die die Hauptstadt nun zusätzlich zur Verfügung stellen muss. Eine ungeheure infrastrukturelle Herausforderung. Der zuständige Stadtrat hat bereits angekündigt, Container aufstellen zu lassen, um darin die Kinder zu beschulen. Wo das notwendige Lehrpersonal herkommen soll, ein Lehrermangel wird ja seit Jahr und Tag konstatiert, erschließt sich mir nicht. Wien nimmt damit etwa 50 Prozent der hinzukommenden Familienangehörigen auf, die restlichen Kinder müssen auf Österreich verteilt werden. Und stellen damit auch die anderen Bundesländer vor im Grunde ähnliche Probleme.
Schulen in Containern, das sind Zustände, die wir aus Ländern der Dritten Welt kennen. Mir ist jedes Wuckerl, ganz gleich ob das jetzt aus Kalsdorf, aus Aleppo oder aus Andritz kommt, gleich lieb. Kinder, noch dazu im Volksschulalter sind alle wertvoll, ungeheuer wertvoll. Und jedes Kind in Österreich hat eine Schule verdient. Und eben kein Containerdorf! Wir müssen uns endlich in unserer – kultivierten, zivilisierten, am Wohl aller Menschen dieser Welt aber eben auch am Wohl der einheimischen Bevölkerung orientierten – gesellschaftlichen Diskussion solchen Themen offen und gelassen widmen.
Wir müssen uns dabei eingestehen, dass wir in manchen Bereichen nicht langsam an die Grenzen unserer Kapazitäten kommen, sondern diese schon überschritten haben. In Hamburg und anderen deutschen Großstädten soll jetzt damit begonnen werden, in Parks und ähnlichen Anlagen Zeltlager für Flüchtlinge zu errichten. Wollen wir das?
Ja, wir sind sogar im Begriff, zivilisatorische Errungenschaften aufzugeben, ich spreche lediglich die Diskussion über die Herabsetzung der Strafmündigkeit von Kindern an. Es ist eine zivilisatorische Errungenschaft, Kinder strafrechtlich anders zu behandeln. Wollen wir das wirklich?
Man kann das alles wollen, man kann das alles vertreten. Nur muss dann auch ordentlich darüber diskutiert werden dürfen. Und diese Diskussionen dürfen nicht durch – wie etwa in der Bundesrepublik – »Demokratieförderungsgesetze«, die jede Position rechts der Mitte als unmenschlich und schnellendlich verbrecherisch darstellen, diffamiert werden. Die Mitte ist kein Ort, wo die Politik herkommt, die Mitte ist der Ort, wo sich unterschiedliche politische Standpunkte begegnen. Die Mitte, davon bin ich überzeugt, ist also ein wesentlicher – der wesentliche – Platz, an dem sich Demokraten treffen, um gemeinsam und kompromissbereit zu schauen, dass sich unser Land weiter zum Guten, zumindest aber zum Besseren entwickelt. Und das bedingt, dass wir möglichst viele Positionen links und rechts der Mitte auf Sinn und Unsinn abklopfen. Dass möglichst viele an diesem – demokratischen – Diskurs teilhaben. Ich halte das für eine dringende Notwendigkeit. Und das bedingt natürlich »Meinungsfreiheit«, vor allem »Redefreiheit«.
Die empfinde ich jetzt zwar noch nicht als bedroht, aber doch in einem Rückzugsgefecht verfangen. Wir alle sehen den großen rosaroten Elefanten »Migration« mitten im Raum stehen, aber niemand spricht ihn an. Traut sich, ihn anzusprechen. Auf sinnvolle, sensible, menschliche Art und Weise. Nicht so vereinfachend, indem irgendeine Gruppe als Sündenbock diffamiert wird. Wir stehen leider unter dem Bann eines »Migrantismus«, der diese so notwendigen Diskussionen erschwert, ja beinahe verunmöglicht. Als »Migrantismus« verstehe ich die von großen Teilen der »schon länger hier seienden« Bevölkerung geteilte Position, alles an Migration sei »heilig«, nichts davon dürfe diskutiert werden. Dafür ist im Übrigen kein einziger Migrant verantwortlich zu machen, das ist ein hausgemachtes Problem. Migranten werden letztlich samt und sonders entmündigt und (ein weiteres Mal, handelt es sich um echte Flüchtlinge) zu Opfern gemacht.
Wir sind also dabei, das Ende unserer Aufnahmekapazitäten zu erreichen, wir müssen uns das eingestehen. Um im Kopf frei zu werden, für neue, bessere, gesamteuropäische Ansätze in der Migrationspolitik. Nur dann kann und wird es uns gelingen, dass jedes Schulkind, wo immer es hergekommen ist, in ganz Österreich und auch in Wien eine gute, professionelle, wertschätzende und schöne Schulbildung erfährt.
Christian Klepej ist Unternehmer und gibt in Graz das Monatsmagazin Fazit heraus. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.