Anna Majcan ist Sprecherin und Geschäftsführerin des Grazer Frauenrates. Das ist ein »unabhängiger Verein zur Vernetzung & Unterstützung der feministischen Szene in Graz«. Sie hat dieser Tage in der "Kleinen Zeitung" unter der Rubrik »Aussensicht« einen Gastkommentar geschrieben, und dieser Text hat mich in seiner vieldimensionalen Einfalt ausnehmend beeindruckt. Wäre ich eine Frau, mir käme jedenfalls recht schnell in den Sinn: Augen auf bei der Auswahl der Interessensvertretung! Ich bin ja durchaus davon überzeugt, dass dieser »auf allen Ebenen für die Gleichstellung der Geschlechter und gegen Diskriminierung und Sexismus« kämpfende Verein von grundsätzlicher Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit getragen ist; und ich unterstütze auch jedenfalls gute, konstruktive und vor allem intelligente Lobbyarbeit für Frauen. Außerdem bin ich sicher, dass es da und dort noch Strukturen gibt, in denen Frauen gegenüber Männern benachteiligt sind. So wie das auch umgekehrt – in geringerer Zahl – der Fall ist. Weil es der menschlichen Natur entspricht, Idealvorstellungen nicht immer und vor allem nicht konsequent nachzukommen.
»Feminismus« definiert sich aktuell vor allem an der perpetuierenden Nacherzählung des »Gender Pay Gaps«. Auf die vielen Ursachen für den (durchschnittlich) geringeren Jahresverdienst von Frauen (in Österreich und der demokratisch entwickelten Welt) vermag ich hier unmöglich detailliert einzugehen; es sind aber nicht ausschließlich böse Männer, die für alle diese Unterschiede verantwortlich zu machen sind.
Aus meiner Sicht sollten Frauenvereine anerkennen, wie erfolgreich Frauen in so vielen Bereichen unserer Gesellschaft in Sachen »Geschlechtergerechtigkeit« schon einige Jahrzehnte lang sind. Selbstverständlich darf keine Frau etwa im Öffentlichen Dienst auch nur einen Cent weniger verdienen als ein Mann in vergleichbarer Position. Selbstverständlich kann sich das heute kein großer Konzern leisten, alleine aus Imagegründen. Und auch kein kleines Unternehmen, ich spreche da aus eigener Erfahrung, aus wirtschaftlichen Aspekten. Es wird noch reale Lohndiskriminierungen geben, diese werden aber immer seltener. Frauen, Frauenorganisationen insbesondere, sollten diese vielen und wichtigen Erfolge feiern, statt ihr Licht aus eigenem Tun unter den Scheffel zu stellen.
Anna Majcan rückt in ihrem Text Frauen in eine Opferrolle, die sich keine selbstbewusste Frau gefallen lassen darf. »Unsere vorurteilsbehaftete Gesellschaft verzerrt unsere Wahrnehmung und macht uns glaubhaft, es gäbe zu wenig Fachfrauen«, schreibt sie etwa. Welche Gesellschaft soll das sein? Ich kenne niemanden, der die Expertise einer Ärztin, einer Steuerberaterin oder einer Richterin in Frage stellen würde, weil sie eine Frau ist. Oder einer Weinbäuerin oder Buchhändlerin. Und sie meint weiter, »wer kennt sie nicht, die hasserfüllten Reaktionen, wenn Frauen öffentlich ihre Meinung kundtun«. Ich etwa kenne sie nicht. Wobei ich die selbstverständlich auch vorhandenen Schmähreaktionen auf meine Editorials, nie als »gesellschaftliches Phänomen«, vor dem ich mich zu fürchten hätte, anerkennen würde. Das sollten auch Frauen so halten, und Frauenvereine sollten sie darin bestärken! Und ihnen keinesfalls das Gefühl geben, die »böse Gesellschaft« würde sie unsichtbar machen. Meine Frau würde sich eine solche Darstellung, sie wäre von wem auch immer »unsichtbar« gemacht, verbieten. Den Vogel schießt Majcan in ihrer Veropferung aller Frauen übrigens mit ihrem Hinweis auf die Wikipedia ab. Dort seien etwa 85 Prozent der Autoren männlich, und das sei ein gutes Beispiel dafür, wie sehr Frauen eben »vorab unsichtbar« gemacht würden. Niemand hindert auch nur eine einzige Frau auf dieser (westlichen, demokratischen) Welt daran, bei Wikipedia mitzuarbeiten. Das muss man mögen, das kann man auch nicht mögen. Mich und alle Männer aber so darzustellen, als wären wir daran schuld, dass es Frauen augenscheinlich nicht mögen, ist fast ein bisschen frech!
Frauenvereine sollten anerkennen, dass wir in Österreich in einer verdammt geschlechtergerechten Zeit leben. Ob das in zehn Jahren noch so ist, kann niemand wissen. Also sollten sie ihren Fokus auf reale Bedrohungen von Gleichberechtigung und Feminismus richten. Und Frauen nicht weiterhin als Opfer stigmatisieren. Das ist ganz und gar antifeministisch.
Christian Klepej ist Unternehmer und gibt in Graz das Monatsmagazin Fazit heraus. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.