90 Jahre Februar-Aufstand – 90 Jahre Juli-Putsch

Noch 2014 gab es unter Werner Faymann und Michael Spindelegger einen gemeinsamen Gedenkakt zu dem unseligen Aufstand im Februar 1934, der rund 360 Menschen das Leben gekostet hatte. Schon davor hatte es etwa zwischen Alfons Gorbach, der in Dachau die Nazi-Diktatur am eigenen Leibe erfahren hatte, und Bruno Pittermann eine Verständigung gegeben, dass die Eskalation der Gewalt in der Zwischenkriegszeit wohl nicht nur auf eine Seite zurückzuführen war. Und dass die gemeinsamen, leidvollen Erfahrungen mit der Nazi-Diktatur ein gewisses Verständnis füreinander geschaffen hatten. Der SPÖ-nahe Historiker Norbert Leser hatte dafür den Begriff der "geteilten Schuld" geprägt.

Anno 2024 ist alles wieder anders. Das aufgeladene und feindselige innenpolitische Klima – noch dazu in einem Wahljahr – erlaubt offensichtlich keine versöhnlichen Töne im Rahmen einer nüchternen Analyse der damaligen Ereignisse, wie sie etwa der Historiker Kurt Bauer 2018 vorgelegt hat.

Hochgekommen war das Thema schon im Dezember 2021 anlässlich der Angelobung des neuen Innenministers Gerhard Karner, der sich als ehemaliger Bürgermeister von Texingtal plötzlich für das dortige Dollfuß-Museum rechtfertigen musste. So forderte etwa die Grüne Menschenrechtssprecherin von dem 1967 geborenen Karner eine Klarstellung zu seinem "Verhältnis zum Austrofaschismus". Neo-Kanzler Karl Nehammer – in seinem ersten TV-Live-Interview von Armin Wolf mit dem Thema konfrontiert - reagierte defensiv und ungeschickt.

Die Publikationen im heurigen Februar sowie die aktuellen Vorkommnisse rund um das Dollfuß-Museum zeigen erneut, dass die Februar-Kämpfe auch heute noch ein politisches Minenfeld sind und sich nach wie vor vorzüglich zur Instrumentalisierung eignen. Wie auch bei Karl Lueger sieht man nur eine Seite des Politikers und blendet positive Aspekte bewusst aus.

Ebenso ausgeblendet wird das damalige brisante innenpolitische wie auch europäische Umfeld, vor allem der Druck Hitler-Deutschlands auf der einen und des faschistischen Italiens auf der anderen Seite. Ausgeblendet wird auch bewusst, dass Österreich – im Unterschied zu vielen anderen Ländern – nicht versucht hat, sich mit Nazi-Deutschland zu arrangieren und einen Appeasement-Kurs zu fahren. Ganz im Gegenteil: Bereits wenige Monate nach der "Machtergreifung" wurde die NSDAP in Österreich verboten.

Stichwort Machtergreifung: Hervorgerufen durch die neue Lage in Deutschland flüchteten Tausende nach Österreich, darunter auch viele Juden. Stellvertretend sei der Schauspieler Leon Askin erwähnt. 1907 als Leo Ashkenasi in Wien geboren, machte er rasch an deutschen Bühnen Karriere, bis ihn die Umstände nach Österreich zurückbrachten, wo er dann 1938 wieder flüchten musste. Er machte in Hollywood eine große Karriere und kehrte erst 1994 nach Wien zurück. Ich hatte Gelegenheit, 2003 mit Leon Askin ein Interview über seine Zeit in Wien zu machen, wo er von 1935-38 Theater und Kabarett machte. Er hat diese Jahre sehr positiv erlebt – weder als Jude, noch als Schauspieler wurde er behelligt.

Man wird sehen, inwieweit das zeitgeistige Feuilleton all dies wieder ausblenden wird, wenn sich am 25. Juli der Tag jährt, an dem Nazi-Putschisten den Bundeskanzler Engelbert Dollfuß)verbluten ließen, weil er ein Nazi-Gegner war und weil für ihn der Nationalsozialismus ein "kriminelles System auf der Basis einer kriminellen Ideologie" war.

 

Dr. Herbert Kaspar ist Publizist und Kommunikationsexperte und hatte lange wichtige Funktionen im Österreichischen Cartellverband inne.

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