Nachdem vor einigen Wochen eine »Enthüllungsgeschichte« einer bundesdeutschen »Rechercheplattform« veröffentlicht wurde, nach der sich in Brandenburgs Hauptstadt im vergangenen Herbst einige Menschen zu einer privaten Konferenz getroffen und dort krude wie rechtsextreme Positionen diskutiert haben sollen, ist Stunden danach eine Welle der Empörung durch Deutschlands veröffentlichte Meinung gegangen. Und nur wenige Tage später ist am Berliner Ensemble eine die Recherche zusammenfassende »szenische Lesung« aufgeführt worden (Flotte Truppe …).
In den folgenden Tagen begannen dann deutschlandweite Demonstrationen und Protestmärsche unter der Beteiligung hunderttausender besorgter Bürger, die alle miteinander »gegen rechts« auf die Straße gingen. Ein im Grunde natürlich (hoffentlich) positiv gemeintes Zeichen gegen das Böse. Würde es sich denn – eindeutig und unmissverständlich – um ein Zeichen gegen Rechtsextremismus handeln. Das haben aber weder Veranstalter noch replizierende Medien in dieser notwendigen Klarheit getan. Ganz im Gegenteil war auf mitgeführten Spruchbändern von »AfDler töten« und »Merz ist mitgemeint« zu lesen. Jetzt kann man die AfD wahrscheinlich getrost als eine die Grenze zum Rechtsextremismus zu oft überschreitende Partei bewerten, insgesamt aber ist diese Vereinfachung der dann doch etwas komplexeren politischen Struktur wie Kultur unserer Gesellschaft ausnehmend anfallend dafür, weitere Gräben aufzumachen, und die schon jetzt viel zu harten Fronten weiter zu verfestigen.
Persönlich ordne ich mich nicht als »links« ein, was Sie nicht überraschen wird. Und ebenfalls nicht der »Mitte« zugehörig; ein Ort, an dem wir Demokraten uns treffen, um Kompromisse zu finden, um gemeinsam an konstruktiven Lösungen gesellschaftlicher Herausforderungen zu arbeiten. Linke wie rechte Demokraten. So gesehen bin ich konservativ, kapitalistisch (sowas von), christlich-sozial und in letzter Konsequenz eben rechts. Diese unlautere Gleichsetzung von »rechts«, »rechtsextrem« und »nazi« schadet unserer politischen Kultur nicht nur, es droht sie zum Zerbrechen zu bringen. Alles Gute ist viel zu oft als links konnotiert, alles Böse, der »Hass« im Internet wie im restlichen Universum als rechts.
Dass aber das mit dem Gut und dem Böse nicht ganz so einfach ist, daran musste ich vor allem denken, als Bundespräsident Alexander Van der Bellen jüngst eine Art offenen Brief via soziale Medien veröffentlicht hat. Er schreibt darin unter anderem: »Egal, ob Sie eine Rede vor tausenden Menschen halten, im Freundeskreis ein Gerücht weitererzählen oder einen Witz auf Kosten anderer machen.«
Auch seine weiteren Worte sind ob ihrer »Güte« – die immer an das Gute erinnert – bedeutungsschwer und likelastig. Da sagt die Oberfläche »ja, so soll es sein« – noch dazu, wo sich andere Teile dieses offenen Briefes an Politiker richten, da sagen sogar die ersten Schichten unter der Oberfläche leicht »ja, so soll es sein«. Mich irritiert das. Eine Welt »ohne Gerüchte« will er anempfehlen, ohne Häme und unausgesprochen, das lesen wir nach Jahren der Denkbegleitung geübt zwischen den Buchstaben mit, unausgesprochen eben auch ohne Hass.
Mir erscheint das eher als Wiedergängerei in der bekannten Scharlatanerie der Paradiesversprechung im Diesseits. Wie soll das gehen? Was wären persönliche Gespräche, ob zu zweit, zu dritt oder auch im größeren Freundeskreis ohne »Gerüchte«?
Ganz abgesehen vom Witz! Was denkt er sich dabei, uns den »Witz« nehmen zu wollen. Der nun mal in weiten Flächen vom Dritten lebt, über den gelacht wird. Damit rede ich im Übrigen gerade nicht Geschmacklosigkeiten, Schmähungen oder persönlichen Verletzungen das Wort, nur kann, soll und muss es die immer geben dürfen. Sie sind der Preis, den wir als Gesellschaft für unsere Freiheit zu bezahlen haben. Den wir die letzten Jahrzehnte – so habe ich es zumindest empfunden – auch gerne und ohne jedes Gefühl, dabei ein schlechtes Geschäft gemacht zu haben, bezahlt haben.
Angela Merkel hat mit ihrer bemerkenswerten Fähigkeit, Nichthandlungen und Nichtentscheidungen als großen Wurf, als nachgerade weise darzustellen, eine ganz neue Dimension der Mediokratie – hier als Diktat der Mittelmäßigkeit und nur bedingt auch als jenes der Medien(unvielfalt) verstanden – aufgetan. Wie tief diese Reise geht, ist noch nicht absehbar. Gesichert ist nur, im Paradies wird sie nicht enden.
Christian Klepej st Unternehmer und gibt in Graz das Monatsmagazin Fazit heraus. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.