Auf der Welt-Klimakonferenz COP28 in Dubai wurde von einer Gruppe aus 22 Staaten ein massiver Ausbau der Atomkraft gefordert. China und Russland haben sich nicht dieser Gruppe angeschlossen. Gefordert wurde, dass sich die Kapazität aller weltweit einsatzbereiten Atomkraftwerke bis 2050 verdreifacht. Damit könnten fast 30 Prozent des Stroms mittels Kernenergie erzeugt werden. Kernenergie soll dazu beitragen, die Erderwärmung so weit wie möglich zu begrenzen und ein Ansteigen der globalen Temperaturen um mehr als 1,5 Grad zu verhindern. Eine Verdreifachung der Kernenergiekapazität der Welt sei ein "realistischer und praktischer Pfad", um die Dekarbonisierungsziele zu erreichen.
Wesentlich ist, dass nicht nur der französische Präsident Macron, sondern auch der Special Presidential Envoy for Climate John Kerry, USA, in dieser Gruppe federführend wirkt. Die USA haben sich bisher mehr für die Förderung erneuerbarer Energien ausgesprochen, scheinen aber, wie auch viele andere Staaten, zur Einsicht gelangt zu sein, dass ohne massiven Ausbau der Kernenergie weder Klimaneutralität erreichbar noch eine Energiewende möglich ist.
"Wenn man von Arbeitsplätzen, strategische Autonomie und Souveränität und niedrige Kohlenstoffemissionen im Einklang bringen will, gibt es nichts Nachhaltigeres und Zuverlässigeres als die Kernenergie", sagte Frankreichs Präsident Macron.
"Nach 28 Jahren in der Wildnis hat die Atomkraft endlich wieder ihren Moment auf der weltweit wichtigsten Zusammenkunft zum Klimawandel – und keinen Moment zu früh", sagte Zion Lights, ein ehemaliger britischer Sprecher der radikalen Umweltbewegung Extinction Rebellion. Als jemand, der einst gegen Atomenergie protestierte und seine Meinung dazu änderte, ist es ermutigend zu sehen, wie sehr sich die Einstellung zur Kernenergie geändert hat.
In den wegweisenden Erklärungen werden Finanzorganisationen wie die Weltbank, regionale Entwicklungsbanken und internationale Finanzinstitutionen aufgefordert, die Kernenergie in ihren Kreditvergaben einzubeziehen. Genau Letzteres sieht unsere Klimaministerin Gewessler als Gefahr, da befürchtet wird, dass damit beträchtliches Privatkapital in die Finanzierung der Kernenergie fließt und damit für die Finanzierung der staatlich unterstützten erneuerbaren Energiesysteme verloren geht.
Dieser Vorschlag einer Gruppe von Staaten, die bereits Kernkraftwerke betreiben und anderen Staaten, die die Absicht haben, solche zu bauen, stieß im grünen Milieu umgehend auf Widerstand.
In den Salzburger Nachrichten vom 7. Dezember 2023 wurden im Beitrag "Mehr Atomkraft: Was dagegen spricht" die alten Argumente wie Gefahren der Kernkraft und ungelöste Probleme der Endlagerung genannt, aber auch die Alterststruktur der bestehenden Anlagen. Dabei wurde auf die Probleme der französischen Reaktoren, die 2022 zu ganz beträchtlicher Reduzierung der Stromproduktion führten, hingewiesen. Auch die lange Bauzeit wird als Problem genannt. Das allerdings scheint ein typisches Problem der Staaten im Westen zu sein. Denn in China beträgt die Bauzeit nur einen Bruchteil jener in Frankreich, Großbritannien oder den in jüngster Zeit fertiggestellten Reaktor in Olkiluoto in Finnland. Ganz anders die Erfahrung in den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo man vier Reaktoren innerhalb von zehn Jahren baute und weitere vier Reaktoren bauen will.
Auch die Marktposition Russlands wurde kritisiert. Einerseits das Auftreten als Bauherr, andererseits als Lieferant von Brennstoff und Brennstäben. Das ist allerdings ein potenzielles Problem, dessen man bereits gewahr wurde.
Auch der Artikel "Kräftiger Gegenwind auf dem Höhenflug der Atomindustrie" (Die Presse, 6.12.23) bezieht sich auf die gleiche Quelle wie der Artikel in den Salzburger Nachrichten, dem "World Nuclear Industry Status Report" (WNISR). Dieser Bericht, der 549 Seiten umfasst, wird vom weltbekannten aktiven Kämpfer gegen Atomkraft, Mycle Schneider, herausgegeben. Weitere bekannte Personen, die zu diesem Bericht Beiträge lieferten, sind Amory B. Lovins, Rocky Mountains Institute, Jürgen Trittin, Initiator des deutschen Atomausstiegs, Steffi Lemke, grüne Abgeordnete im deutschen Bundestag, um nur einige zu nennen.
Unterstützt wird diese Truppe von der Friedrich-Ebert-Stiftung, die der SPD nahesteht, der Heinrich-Böll-Stiftung, eine deklarierte grüne politische Stiftung, der Greens-EFA Group, der im Europaparlament tätigen grünen Gruppe und The Swiss Renewable Energy Foundation, die auch großzügige finanziellen Unterstützung gewährte.
Wenn auch im Bericht viele Tatsachen zusammengetragen wurden, aber ebenso viele Falschinformationen, die wesentlich sind, leidet er massiv unter einseitiger Darstellung. Wer erwartet hat, dass die Kernkraft positiv wegkommt, kann nur als sehr naiv bezeichnet werden. Ein typisch grüngefärbtes Machwerk, das als letztes Aufbäumen gegen die Renaissance der Kernkraft erscheint.
In Abwandlung zu Einstein: Wenn Menschen nur über das schrieben, was sie gründlich recherchiert haben, dann würden unsere Medien viel Papier sparen.
Dr. Gerhard Kirchner ist Bergingenieur und liebt die Umwelt.