Wer hat Angst vor 2024?

Gutes verheißen die bestehenden internationalen Krisenherde für das kommende Jahr nicht, und weitere Katastrophen irgendwo auf unserem Globus werden nicht ausbleiben. Frei nach Johann Nestroys Knieriem im "Lumpazivagabundus": Wie’s im Ausland steht, auch im Inland sieht man, dass es auf den Ruin losgeht.

Die Ausgangslage der Nationalratswahl 2024 scheint die ungewöhnlichste in der Geschichte der demokratischen Republik Österreich. Dieser Alarmruf klingt schrecklich abgedroschen. Um die eigene Wählerschaft an die Urne zu bringen, wird seit eh und je jede Wahl zu einer zukunftsentscheidenden Weichenstellung hochstilisiert.

Für 2024 aber versagt tatsächlich die Phantasie, wie Österreich in den folgenden fünf Jahren regiert werden kann.

Rechts und links wird nur noch das Gift eines blindwütigen Fanatismus verspritzt, als gäbe es kein Morgen, als wäre es unvorstellbar, mit so abgründigen Menschen wie den "anderen" auf derselben Regierungsbank zu sitzen.

Wer kann in diesem Staate noch mit wem? Wo sind noch menschliche Brücken, die noch nicht von Bosheit und Misstrauen bis zum Hass irreparabel unterspült sind? Politische Programme sind naturgemäß nur schwer "kompatibel". Aber es gab im Nachkriegs-Österreich immer Menschen mit der Fähigkeit zu einem Handschlag. Jeder hatte seine Vorstellungen über die humane und soziale Gestaltung der Gesellschaft, akzeptierte aber, dass ein anderer andere Vorstellungen dazu hatte.

Mit diesem Grundkonsens "Leben und leben lassen" reifte Österreich zu einem lebenswerten Land. In den letzten Jahren wurde er ganz bewusst zerstört. Die Einsicht, dass die sozialistische Weltrevolution auf demokratischem Weg nicht herbeizuführen ist, ließ die Sozialdemokratie zu den radikalen Kampfpositionen der Ersten Republik zurückkehren: "Demokratie, das ist nicht viel, Sozialismus ist das Ziel". Mit höchster Kompetenz präzisierte der von 1918 bis 1934 amtierende sozialdemokratische Bundesvorsitzende Karl Seitz am 20. Oktober 1932 im Nationalrat mit unüberbietbarer Deutlichkeit: "Die Demokratie ist kein Endziel, sie ist ein Mittel, zum Ziel zu gelangen, zum Sozialismus." Der plakative Text dazu: "Demokratie der Weg, Sozialismus das Ziel."

Diese Erinnerung ist 2024 besonders wachzurufen, weil sich die SPÖ in hundertprozentiger Verdrehung der Wahrheit sicher mit der Lügenpropaganda vom "Austrofaschismus" zum Hüter der Demokratie in der Ersten Republik aufspielen wird – der 90. Jahrestag des Schutzbundaufstands von 1934 gibt ihr das Stichwort, und willige und unwissende Medien werden dazu die Bühne abgeben.

Drei Hebel sollen die Linken an die Macht bringen – und zwangsläufig den Staat die Müllhalde der Geschichte hinunter kollern lassen.

  • Erstens: Das Parlament pervertiert mit allerhöchster Billigung die parlamentarische Demokratie durch abwegige Parlamentsausschüsse mit Bezeichnungen, die das gewünschte parteipolitische Ergebnis schon im Namen tragen. 365 Tage im Jahr pauken die Komplizen in den Einheitsmedien der Bevölkerung das Schandurteil ein, das im Titel steckt. Das vorhersehbare Scheitern dieser angeblichen Untersuchungen wird dann einmalig in einem Einspalter links unten oder in einem Nebensatz der 24-Uhr-Nachrichten des ORF versteckt und zudem in Kommentaren verniedlicht. Nebenbei finanzieren die Linksparteien auf diese Weise ihren Wahlkampf aus Steuergeldern. Hier kann man nur die Feststellung eines kompetenten Kommentators wiederholen: "Auf dem Umweg über den Parlamentsausschuss war es mit Hilfe der VfGH-Judikatur der WKStA, der grünen Justizministerin, den gefügigen Abstempelrichtern im Wiener Landesgericht, den Medien und natürlich den Oppositionsparteien gelungen, die ÖVP in eine ständige, wenn auch stets diffus bleibende Wolke des Korruptionsgestanks zu hüllen."
  • Zweitens: Geradezu eine Travestie auf den Rechtsstaat sind Gerichtsverfahren, die nur zur Zerstörung der Existenz parteipolitischer Gegner und deren Familien führen. Dass mit der Abschaffung des Rechtsstaates jedes Vertrauen in die Justizbehörden und in der Folge in den Staat überhaupt untergraben wird, scheint keiner linken Überlegung wert. Die heutige Politik – und es ist Politik – der nationalen und internationalen Höchstgerichte wird für immer ein Makel in der Geschichte der Rechtsprechung bleiben.
  • Drittens: Die "unabhängigen" Einheitsmedien, immer offener agitatorisch agierende Epigonen der Diktaturen des 20. Jahrhunderts, sind nur mehr von den Fakten unabhängig. Es ist nicht Schuld der älteren Generation, wenn sie sich an die Informationspolitik der Diktaturen in der Sowjetunion und in Hitler-Deutschland erinnert fühlt. Wie auf Knopfdruck aus einer geheimnisvollen Schaltzentrale wird im Gleichklang ein ÖVP-Politiker nach dem anderen ohne objektiven Grund aus dem Amt geschossen. Nebenbei wird als Kollateralnutzen die Partei beschädigt.

Nach Jahren täglicher Attacken und unmenschlicher Niederträchtigkeiten und endlich erreichter Rücktritte werden die Freisprüche bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag verschleppt.

In diesem dreifachen Würgegriff ersticken die Demokratie und mit ihr Freiheit, Wohlstand und Sicherheit. Vorbild ist die desaströse deutsche "Ampelkoalition": Diese hat unübersehbar Deutschland wirtschaftlich, budgetär, gesellschaftlich und mit ihrer Geschlechtwechsel-Ideologie auch menschlich an die Wand gefahren. Und die sogenannten Liberalen taten dabei, was sie immer getan haben: Sie fielen um.

In Österreich ist das Ziel der Linken ebenfalls eine (spezielle) Rot-grün-rosa-Ampel. Deutschland soll nicht die einzige Katastrophe bleiben.

Auf der anderen Seite glaubt die Rechte, nach der angestrebten Zerstörung der politischen Mitte einen neuen Personenkult etablieren zu können, wie er im vergangenen Jahrhundert mehrfach gescheitert ist, als sich Supermänner für die Inkarnation eines nationalen Messias gehalten haben.

Geeint werden Linke und Rechte und Medien durch die Angst, Sebastian Kurz könnte auf die politische Bühne zurückkehren. Daher wird man alle schwindligen Verfahren über den Wahltag hinaus ziehen, oder es kommt zu noch schwindligeren Verurteilungen mit Begründungen, von denen alle wissen, dass sie in der nächsten Instanz in der Luft zerrissen werden. Allerdings nach dem Wahltag.

Wie kann unter den geschilderten Gegebenheiten ein Wahlkampf 2024 verlaufen? Wie kann es in Österreich nach der Nationalratswahl weitergehen?

Die heutige Szenerie verspricht nur die Unmöglichkeit der Möglichkeiten:

  • Eine Mehrheit für die erwähnte linke Ampel wird es hoffentlich nicht geben, denn dann würden die Österreicher ihren Staat ohnehin in das Inferno wählen.
  • Die ÖVP wird zur Mehrheitsbeschaffung für eine Linksregierung verlockt. Die einzige Partei, die sich noch als staatstragend versteht, wenn auch aus Ohnmacht derzeit nicht immer so handelt, könnte aber auch durch den Druck des Bundespräsidenten und aller Medien in die Rolle der Ost-CDU der sowjetischen Volksdemokratie "DDR" geprügelt werden. Diesen politischen Selbstmord wird die ÖVP hoffentlich nicht begehen, obwohl sie solche Kandidaten, die sich als vermeintliche Krisengewinnler sehen, in ihren Reihen hat.
  • Blau und Rot schlagen sich zwar im politischen Boxring mit vielen Untergriffen, aber wenn es um die Macht geht, könnten sie ihre Grundsätze entlang "eines Stück Weges", wie Kreisky sagte, vergessen. Ein Herr Doskozil und ein Herr Kickl haben sicher kein wirkliches Problem mit einer solchen Konstellation.
  • Blau-Schwarz kann man trotz brauchbarer Erfahrungen in mehreren Bundesländern ausschließen. Denn da müsste sich wohl Herr Kickl zumindest in die zweite Reihe zurückziehen, und Bundespräsident und Medien würden die letzten Reserven mobilisieren, um ein Mehrheitsvotum der Bevölkerung zu ignorieren. Zudem scheint sich Kickl selber für ungeeignet zur Führung der Bundesregierung zu halten, sonst würde er nicht alle Chancen auf eine Gesprächsbasis mit der ÖVP pulverisieren. Die Hoffnung auf eine absolute Mehrheit der FPÖ wird er ja wohl nicht hegen.

Und die anderen handelnden Personen? Wer kann mit einem streng marxistischen Genossen Babler? Sein gesamter Lebenslauf bis hin zur unglaublichen Art seiner Amtsführung als Bürgermeister diskriminieren ihn für jede führende politische Funktion.

Wer kann weiterhin mit einer Frau Zadic, deren Name geradezu ein Synonym für das Ende des österreichischen Rechtsstaates darstellt? Wer kann mit einer Frau Gewessler, die in ihren zahlreichen Momenten des politischen Realitätsverlustes ebenso eigenmächtig wie erfolglos Regierungserklärungen zur EU schickt und auch in anderen Fragen ernste Zweifel an ihrer Bereitschaft oder Fähigkeit weckt, die Verfassung zu respektieren, auf die sie geschworen hat?

Die Grünen sind krawatten- und führerlos, und mitunter entsteht der Eindruck, dass sie hauptsächlich auf Zuruf von (links)außen agieren, regieren und reagieren.

Es ist nicht verwunderlich, dass in der Parteienlandschaft wie nie zuvor seit Kriegsende jeglicher Grundkonsens über den Staat Österreich fehlt.

Wer kann – auf Bundesebene – noch mit einem "Andersgläubigen" nach einer Sitzung auf ein Bier gehen?

Vor genau 60 Jahren fand die deutschsprachige Erstaufführung des kultig gewordenen Theaterstücks "Who’s Afraid of Virginia Woolf?" statt, "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?"

Der britische Dichter Edward Albee schildert hier die Angst, ein Leben ohne Illusionen leben zu müssen.

Wäre Virginia Woolf 2024 in Österreich wahlberechtigt, träte ihr der Angstschweiß auf die Stirn.

(Dieser Text war irrtümlicherweise eine Zeitlang einem anderen Autor zugeordnet worden. Wir bitten um Entschuldigung).

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