Andere Länder, andere Energie-Strategien

"Dass andere Staaten wie Schweden nun verstärkt auf Atomkraft setzen wollen, halten die Deutschen (59 Prozent) mehrheitlich für richtig", hat eine Umfrage am 20. August 2023 durch das Institut Clara von Civey ergeben. Wie würde man in Österreich auf eine solche Fragestellung reagieren?

Schweden, mit einer Bevölkerung und einem BIP vergleichbar mit Österreich, will bis 2045 für die Klimawende und die dafür benötigte Elektrifizierung von Industrie und Verkehr die Stromproduktion verdoppeln, erklärte die schwedische Umweltministern Romni Pourmokhtari. Das erfordert große Investitionen in allen Sparten der angepeilten Elektrifizierung.

Maßgebend dafür ist die Beendigung der Verwendung fossiler Brennstoffe, aber auch der Plan der Verarbeitung von Rohstoffen im Land, und der Ansiedlung neuer Industrien. Auch wird die geplante Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse den Stromverbrauch erhöhen.

Schweden sieht vor, alle Energiesysteme auszubauen, die langfristig als rentabel angesehen werden. Diese umfassen sowohl PV, Windkraft, Bio und Atomkraft. Dabei werden 35,4 Milliarden Euro für neue Atomkraftwerke garantiert. Diese werden wohl nicht ausreichen, die zuletzt angekündigten zehn neuen Kernkraftwerke zu bauen. Eigentlich dürfen in Schweden per Umweltgesetz nur maximal zehn AKW laufen, aktuell sind es bereits drei. Doch aus Sicht der schwedischen Regierung ist die Atomkraft ein entscheidender Baustein für die klimafreundliche Zukunft.

Gegenwärtig machen Wind- und Wasserkraft – ähnlich wie in Österreich – 60 Prozent der schwedischen Gesamtstromversorgung aus. Auf die Kernenergie entfallen 30 Prozent der schwedischen Stromerzeugung. Darüber hinaus verwendet Schweden nur wenig Gas und keine Kohle für die Erzeugung von Strom. Die schwedische Energieagentur stellt fest: "Die Umstellung unserer Energieerzeugung ist eine Chance. Aber wenn wir diese Chance nutzen wollen, brauchen wir politische Führung und den Mut, die Gesetze und Vorschriften zu überprüfen, die den Übergang behindern."

Hallo, österreichische Politiker!

Ein anderes interessantes Beispiel liefern die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) mit etwa 10 Millionen Einwohnern und einem BIP etwa 30 Prozent höher als Österreich. Sie besitzen die siebtgrößten Ölvorkommen der Welt. Um den steigenden Energiebedarf zu decken – er wurde bislang über Gas- und Ölkraftwerke produziert – begannen die VAE 2008 mit Studien zur Nutzung von Kernkraftwerken.

Gemäß verschiedenen Berichten gewann im Dezember 2009 ein Konsortium, geführt von dem südkoreanischen Stromversorger KEPCO die Ausschreibung zum Bau von vier Reaktoren vom Typ APR-1400 mit je 1400 MWe Leistung. Der Auftragswert für den Bau und die Inbetriebnahme des Kraftwerks sowie der Erstversorgung mit Brennelementen liegt bei 20,4 Milliarden US-Dollar. Die Erzeugungskosten des Stroms aus dem Kernkraftwerk sollen bei einem Viertel derjenigen aus Gaskraftwerken liegen. Die Gesamtkosten des Projekts werden auf 32 Milliarden geschätzt. Der Spatenstich der ersten zwei Blöcke des Kernkraftwerks Barakah war am 17. März 2011. Der erste Reaktor wurde am 1. August 2020 in Betrieb genommen.

Es folgte Reaktorblock 2, der am 24. März 2022, und Block 3, der am 24. Februar 2023 den kommerziellen Betrieb startete. Im Block 4 wurden im Juli 2022 die Hot-Tests abgeschlossen. Vier Kernreaktoren wurden innerhalb von elf Jahren erbaut. Das ist eine außerordentliche Leistung, verglichen mit den Reaktorbauten in Großbritannien, Frankreich oder Finnland. Möglich war dies dadurch, dass die Plan-Unterlagen voll ausgefertigt vorlagen und die koreanischen Ingenieure und die wesentliche Bauleitung Erfahrung aus zahlreichen anderen Reaktorbaustellen einbrachte.

Und was macht Österreich? Es beklagte die riesigen Stromkosten von 3,2 Milliarden Euro, die die Stromkonzerne 2022 für den Import berappen mussten. Stefan Moidl von IG-Windkraft und Konsorten, wie Leonore Gewessler, aber auch andere der Regierungsmannschaft, sind der Meinung, in Österreich müsste mehr Ökostrom erzeugt und damit heimische Wertschöpfung und Arbeitsplätze geschaffen werden. Dabei würden die erneuerbaren Energien den Strompreis senken und Österreich resilient gegen globale Krisen machen. Eine völlige irre Meinung, wie Deutschland und Dänemark beweisen, die den Ausbau der PV- und Windkraftanlagen forciert und damit die Spitze der Stromkosten erklommen haben.

Es ist anzunehmen, dass auch Österreich bis 2045 seine Stromproduktion mehr als verdoppeln muss, soll der Energiewandel erfolgreich sein. Erkenntnisse in Schweden oder der VAE sollten eigentlich die Regierenden anregen, Erfahrungen dieser Länder zu übernehmen. Mit Ideologie in der Erzeugung von Energie wird mit Sicherheit die Wirtschaft zerstört. Weder Deutschland noch Österreich werden mit nur erneuerbarer Energieproduktion das Klima nicht andern, aber mit Sicherheit unseren Wohlstand vernichten.

Eine gutgläubige Bevölkerung sowohl in Deutschland als auch in Österreich ist auf die Lüge hereingefallen, Kernkraft sei riskant. In die Welt gesetzt wurde diese Behauptung von grünen Ideologen ohne naturwissenschaftliches oder technisches Verständnis. Nach wie vor verbreiten Medien diesen Unsinn. Doch, wie eingangs gezeigt, ist ein Gesinnungswandel in Deutschland ersichtlich. Es ist zu hoffen, dass auch die Österreicher feststellen, dass sie von Ideologen verführt worden sind, und hoffentlich in absehbarer Zeit unsere Verfassung entsprechend ändern, damit auch hier die Kernkraft ein wesentlicher Faktor der Stromerzeugung wird.

Der Gedanke, dass China Interesse daran hat, in Europa die Mär von der gefährlichen Atomenergie aufrecht zu erhalten, wäre nicht absurd. Man verdient am deutschen und österreichischen Markt mit dem Verkauf grüner Energiesysteme oder deren Komponenten doch gutes Geld, aber nicht an der Errichtung von Atomkraftwerken.

Eine Abschätzung der Vorteile eines Atomreaktors, wie sie in der VAE gebaut wurden ergibt, dass man damit 1680 Windmühlen mit 3 MW Leistung ersetzen könnte. Auch sind die Kosten für den Bau mit 8,3 Milliarden Euro gleich wie einer der Blöcke von Barakah. Da es aber für Flautezeiten auch noch Backup-Gaskraftwerke benötigt, liegen die Investitionskosten für erneuerbare Energiesysteme viel höher als für Atomkraftwerke. Ganz zu schweigen davon, dass Atomkraftwerke mehr als 60 Jahre Strom produzieren, aber erneuerbare nur 20 bis 25 Jahre. Dann müssen sie abgetragen und neue errichtet werden - und das mindestens dreimal der Laufzeit eines Kernkraftwerks. Daher sind die Behauptungen der Grünen über billigen Strom als gezielte Falschinformationen einzuordnen.

Dazu kommen der Landverbrauch und die Bodenversiegelung. Sie scheinen bei den Plänen der grünen Windmühlenfanatiker kein Faktor zu sein. Untersuchungen in den USA über den Zusammenhang von Energiedichte und Landverbrauch haben ergeben, dass bei Zugrundelegung der Leistung eines Kernkraftwerks mit einer Einheit Land es für PV-Anlagen 35, für Windkraft 800 und für Biomasse 1500 sind. Solche Ergebnisse werden von den Grünen nicht diskutiert.

Auch beeinträchtigt der Flächenverbrauch für Wind- und Solaranlagen die Umwelt ernsthaft. Freistehende Solaranlagen bedecken Felder, blockieren das Sonnenlicht, und verändern das Ökosystem radikal. Sie beeinflussen den Pflanzenwuchs und töten Vögel und Insekten. Beachtliche Flächen Wald mussten weichen, um Zugangsstraßen für Windmühlen in unseren Bergen zu bauen. Ja, früher da gab es noch die Baumknutscher, doch heutzutage kann der neue "grüne" Kult im Weg stehende Bäume nicht schnell genug entfernen.

Also umweltfreundlich ist der massive Ausbau von Wind- und Solarenergie und anderen erneuerbaren Energiequellen, die große Mengen an Land verbrauchen, um Energiequellen mit hoher Energiedichte zu ersetzen, die vergleichsweise wenig Land verbrauchen, nicht.

Hinzu kommt, dass PV-Paneele und auch Windmühlen, oder Konstruktionsteile dazu, die wir alle nicht haben, weitgehend importiert werden müssen.

Österreich begibt sich neuerlich in eine fatale Abhängigkeit von Rohstoff-Lieferanten. Zum einen sind es China, die den Markt für die Fertigung von PV-Paneelen beherrschen, oder den Rohstoffmarkt für Seltene Erden kontrollieren, zum anderen soll Erdgas durch grünen Wasserstoff ersetzt werden. Auch in Österreich werde in zwei Pilotanlagen, mittels Überschusses aus PV- oder Windstrom, Wasserstoff produziert. Dieser soll in Zukunft einer der Hauptenergieträger werden. Dass grüne Energie in Österreich nicht annähernd ausreicht, um die Mengen Wasserstoff, die die Industrie braucht, zu produzieren, ist man sich bewusst. Daher ist angedacht, den Wasserstoff im Nahen Osten oder in Afrika zu produzieren. Die Mengen, die Österreichs Industrie und Haushalte brauchen würden, scheinen unbekannt zu sein. Über die Kosten der Energieversorgung mit Wasserstoff wird geschwiegen. Sicher ist, Wasserstoff als Energieträger verteuert Strom massiv. Natürlich auch die Produktion von Industrieprodukten etc.

Ob Österreich diese Kosten auffangen kann, ist alles andere als bekannt. Sicher ist aber die Gefahr der Industrie-Abwanderung in Länder mit billiger Energie. Österreich würde damit deindustrialisiert. Arbeitsplätze gingen verloren, und der Lebensstandard könnte nicht gehalten werden.

Schweden geht einen anderen Weg. In Zukunft soll Wasserstoff mittels Atomenergie erzeugt werden. Damit erspart man Kosten bei der Herstellung von Wasserstoff und wird nicht abhängig von zweifelhaften Lieferanten.

Was sagt uns das alles?

  1. In Deutschland ist ein Gesinnungswandel im Hinblick Atomkraft festzustellen.
  2. Schweden verdoppelt seine Stromproduktion durch den Ausbau aller Systeme, die zusätzlich zehn neue Atomkraftwerke umfassen.
  3. Schweden produziert Wasserstoff mittels Atomkraft.
  4. Die VAE haben erkannt, dass Atomstrom billiger ist als Strom als aus Gaskraftwerken.
  5. Mit dem Verbot der Atomkraft in Österreich, werden wir keine Sicherheit der Energieversorgung aufbauen können. Wir sind der guten Laune anderer Staaten ausgeliefert.

Ist das eine verantwortliche Politik?

 

Dr. Gerhard Kirchner ist Bergingenieur und liebt die Umwelt.

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