Letztens hab ich mich dabei ertappt, wieder einmal Selbstgespräche zu führen. Also damit Sie keine falsche Vorstellung von mir haben, ich rede da mit niemandem, ich imaginiere mir keinen Harvey, ich red einfach. Laut vor mich hin. Selbstverständlich nur, wenn ich alleine bin.
Ich möchte nämlich nicht, dass Sie mich in einen Topf werfen mit noch vor allem jungen Menschlein, die ganz für sich durch die Straßen wandern und in irgendeinen versteckt plazierten Knopf hineinsprechen. Das übrigens so laut, als wäre das Telefon noch gar nie nicht erfunden worden. Dieser Topf, da sind vielleicht auch jene flacheren Gemüter drinnen, die in geschlossenen Räumen Hüte oder sonstige wie abwegigere Kopfbedeckungen tragen. Sollen sogar Universitätsprofessoren darunter sein. Nein, dieser Topf ist nicht der meine.
Bis dato hab ich bei der Rederei keinen Grund zur Sorge empfunden, waren es doch vor allem kleine und mittlere Reden zur Lage der Nation oder solche Texte wie der hier für Sie und vor allem mich, die ich da laut werden ließ. Was übrigens etwas schmerzt, der Herrgott hat mich leider nicht mit einem ordentlichen Kurzzeitgedächtnis versorgt, ich sag Ihnen, da waren Perlen dabei, die mich ungeheuer gut unterhalten haben. Die – wäre ich ein Linker und damit besserer Mensch – jedenfalls im Burgtheater ihre Aufführung gefeiert hätten. Nur hab ich leider die schönsten dieser Kleinode schon Minuten, nachdem ich auslache, wieder vergessen.
Nun aber, ich war beim Ertappen, nun aber stelle ich immer öfter fest, ich verfalle geradezu in eine Art Zwiesprache mit mir selbst. Noch antworte ich mir dabei wenigstens nicht laut. Erklärungsansätze hab ich schon gestrickt, zum Ersten vermute ich, es ist mein überragender Intellekt, der – ist er ganz auf sich allein gestellt – einer künstlichen Intelligenz gleich sich verselbständigt und gesellschaftliche Interaktion imitiert. Vielleicht ist es auch die reine Gewohnheit, dass halt ständig wer was sagt. Bin ich nicht alleine zuhause, bin das selbstredend nicht ich, der was zu sagen hat. Ich lebe mit drei Frauen in einem Haushalt. Es könnte also auch, zum Dritten, eine tiefenpsychologische Kompensationshandlung sein. Was mich weiter hat denken lassen und darauf gebracht hat, wenn das neue Selbstbestimmungsgesetz endlich im deutschen Bundestag – und damit mit weltweiter Gültigkeit versehen, darunter machen es die Bundesdeutschen dankenswerterweise nicht – beschlossen sein wird, mich als Frau zu lesen. Ja, also das sagt man heute so.
Und für alle Menschen mit noch ein klein wenig Verstand, also für alle, die das gar nicht verstehen, was es meint, »sich als Frau zu lesen«, erlaub ich mir das kurz auseinanderzusetzen. Es gibt nämlich, zumindest laut Judith Butler und vielen anderen Wissenschaftserfinderinnen, gar keine »Männer« und gar keine »Frauen«. Es gibt ganz im Gegenteil hunderte – ich merk mir die gerade gültige Idiotenzahl gar nicht, warum auch? – Geschlechter, und die gibts offenbar auch nicht wirklich, die werden »gelesen«. Wenn Sie etwa einer Person, nehmen wir Arnold Schwarzenegger, ich verwende bewusst keinen Artikel, das würde Sie beeinflussen, ansichtig werden – diesem 110-Kilo-Kerl von einer Person mit Muskeln wie Stahl –, dann ist das nur das böse Patriarchat, das durch Jahrhunderte hindurch uns so manipuliert und indoktriniert hat, dass wir beide, Sie und ich, bloß glauben, es handle sich um einen »Mann«.
Dabei kann diese Person, nach der von Judith Butler erfundenen Wissenschaft, genausogut eine lesbische POC sein. Ach, »POC« werden Sie jetzt hoffentlich auch nicht kennen, wenn doch, muss es Ihnen hier bei mir nicht peinlich sein. POC steht für »Person of Color«, also »Person von Farbe«, was gut veranschaulicht, warum die ganzen Hirschköpfe nur englische Begriffe verwenden.
Aber ich schweife ab. Man wird also sowieso nur von der Umwelt »gelesen«. Und deswegen bin ich ab sofort eine Frau. Auf den ganzen patriarchalischen Klimbim wie »Frauenkleidung« (was für eine Unterdrückung, dass es solch jede Menschlichkeit vermissende Diminutive überhaupt gibt!) oder Schminkereien (welch chauvinistisches Konstrukt!) werde ich selbstverständlich verzichten. Und auch meine primären Geschlechtsorgane dabei in dem Kontext unberührt lassen; das sind in Hinkunft dann für mich und alle Welt bloß neofeminin »zu lesende« Anhängsel.
Natürlich hat diese Umwandlung ins schwache Geschlecht auch ihre Nachteile. Die Gesetzmäßigkeit, dass ich dann weniger verdienen werde als alle Männer, beunruhigt mich dabei gar nicht so. Schon jetzt bringt meine Frau jedes Monat deutlich mehr nach Hause als ich. Da bin ich auf der sicheren Seite. Nein, es ist eine andere, wohlwahrscheinlich christlich-fundamentierte Ungerechtigkeit, die mich etwas angst und bange werden lässt, Frauen leben deutlich länger. Müssen also zahlreiche Jahre mehr auf diesem von wöchentlichen Klimakatastrophen heimgesuchten Planeten des Grauens ihr Dasein fristen. Und als wäre das nicht unverschämt genug, hab ich am Weltfrauentag vom Momentum-Institut oder irgendeiner Arbeiterkammer-Denkfabrik jedenfalls auf Ö1 erfahren, es geht bei dieser Diskriminierung gar nicht nur um diese paar Jahre Mehrbelastung für alle Frauen, nein, Frauen müssen diese Jahre auch deutlich weniger gesund als Männer durchstehen. Das hat dann selbst mich alten weißen katholischen Mann rührselig werden lassen. Männer sind sogar, wenn sie tot sind, besser dran als Frauen.
Das bringt mich einfachen Charakter in Versuchung, doch ein Mann zu bleiben. Aber, das ist ja auch nicht wirklich schlimm, Manderl oder Weiberl, das kann man in Kürze ganz legal bei jedem Klogang aufs Neue entscheiden. Wie auch immer, bleiben Sie mir gewogen.
Christian Klepej ist Unternehmer und gibt in Graz das Monatsmagazin Fazit heraus. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.