Energie, China und Europa

Die Internationale Atomenergiebehörde schätzt die gegenwärtigen Atomstrom-Kapazitäten mit 390 GW pro Jahr. Tendenz fallend. Dagegen wirken die Pläne Chinas gigantisch: Derzeit produziert China 5 Prozent seines Strombedarfs aus Kernkraft. 2060 soll sie 18 Prozent oder 400 GW netto installierte Leistung betragen.

Das bedeutet, dass etwa 50 Prozent des weltweit produzierten Atomstroms in China produziert werden wird. (Meldung von Bloomberg and Sprott Asset Management L.P.) Das erfordert einen massiven Reaktorneubau in China von etwa 10 Reaktoren jedes Jahr mit 1000 MW Leistung. China geht den richtigen Weg, wie auch die USA oder Kanada und viele andere Länder, die erkannt haben, dass es ganz ohne Kernenergie nicht möglich ist, die Energiewende zu bewerkstelligen. Wobei bei China fraglich ist, ob da die angestrebte Energiewende wegen des Klimawandels/der "Klimakatastrophe" eine Rolle spielt oder ganz einfach die Politik: Man will weg von Kohle wegen der Umweltbelastung. Ich vermute das deshalb, weil trotz öfteren Durchforstens von der "South China Morning Post", nichts über Klimawandel oder verwandte Themen zu finden ist.

Von Interesse ist, woher China den nötigen Brennstoff beziehen wird. Die Ressourcen in China sind beschränkt. Und der Uranbergbau Husab in Namibia, der zu 90 Prozent in chinesischen Händen ist, kann nicht annähernd die nötigen Mengen Uran produzieren, um eine Reaktorflotte mit 400 GW Leistung zu betreiben, obwohl er einer der größten Uranproduzenten ist.

Aber auch weltweit steigt der Bedarf an Brennstoff, wenn man daran denkt, dass abseits China 244 Reaktoren geplant und vorgeschlagen sind. Der gegenwärtige Weltbedarf an Uran beträgt etwa 142 Millionen Pfund. Daher muss die weltweite Produktion von Uran mehr als verdoppelt werden. Oder es muss Thorium zum Einsatz gelangen, dessen Reserven größer als jene des Urans sind.

China hat bereits den ersten Thorium-Reaktor in Betrieb genommen. Es ist ein Reaktor, der kein Wasser für die Kühlung benötigt. Möglich ist auch, dass der Atommüll, wie es Russland bereits versucht, wiederverwertet wird. Aber auch die Weltmeere sind ein unerschöpfliches Reservoir an Uran. Und es könnte sein, dass die Kernfusion zu diesem Zeitpunkt die Kernspaltung ersetzt hat.

Für Länder wie Kasachstan, Australien, Namibia oder Kanada, die gegenwärtigen Hauptproduzenten von Uran, ist die Entwicklung positiv. Die gegenwärtigen Bergwerke werden nicht die Mengen Brennstoff liefern können. Daher ist ein massiver Ausbau erforderlich.

Vor allem Kanada, mit beachtlichen vorhandenen Reserven, steht bereit, diese in Produktion zu bringen. Das Land hat damit bereits begonnen; in stillgelegten Bergbauen wurde die Produktion wieder aufgenommen. Langfristige Lieferverträge, wie für die Ukraine mit Uranhexafluorid, wurden jüngst bis 2035 abgeschlossen.

Dennoch wird es mit Uran allein problematisch sein die Nachfrage nach Kernbrennstoffen zu befriedigen. Es ist deshalb zu erwarten, dass Thorium eine maßgebende Rolle zukommen wird. In diesem Bereich wird Indien maßgebend werden.

Russland erzeugt in 37 Kernkraftwerken 204,4 TWh und deckt damit gegenwärtig etwa 20 Prozent des Strombedarfs des Landes. Im Bau befinden sich 3, geplant und vorgeschlagen sind 46 Reaktoren. Dem stehen im restlichen Europa 129 Reaktoren, die 845,8 TWh erzeugen, gegenüber. Im Bau befinden sich 8, geplant und vorgeschlagen sind 52 Reaktoren. Die Dominanz in der Erzeugung von Kernkraft in Europa ist deutlich in Russland. Aber nicht nur in diesem Bereich, sondern auch in der Herstellung von Kernbrennstäben sind sie weltweit führend. Russland hat Europa in der Tasche. Ohne den russischen Staatskonzern Rosatom, der weltweit führend im Urangeschäft ist, würden viele europäische Atomkraftwerke nicht laufen. Rosatom ist auch am Bau neuer Atomkraftwerke unter anderem in Bulgarien beteiligt.

Russland strebt einen Anteil von 20 Prozent auf dem nuklearen Weltmarkt an. Durch den Überfall auf die Ukraine wird sich der Westen wohl weitgehend abkoppeln von Russland. Noch ist die EU im Nuklearbereich von Russland abhängig – so importierte die EU im Jahr 20 Prozent des benötigten Urans aus Russland, aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion kamen 46 Prozent der Importe, nur 30 Prozent des in Europa verwendeten Urans kam aus westlichen demokratischen Staaten. Es besteht daher die Absicht, den Nuklearbereich in den westlichen Staaten auszubauen beziehungsweise eingemottete Anlagen wieder in Betrieb zu nehmen.

Indien, mit einer Bevölkerung, die in naher Zukunft größer als Chinas ist, wird wohl gezwungen sein in ihrer Energiepolitik China zu folgen. Allerdings sind die bekannten Ausbaupläne nur ein Fünftel derer Chinas. (Internationale Atomenergie-Organisation, IAEA)

In Europa gibt es nur wenige bedeutende Industrienationen, die der Meinung sind, nur mit "Erneuerbaren" wie Wasser-, Wind- und Sonnenenergie allein eine Energiewende zu schaffen. Im Wesentlichen sind das die Nationen, in denen die Grünen an der Regierung beteiligt sind wie Deutschland und Österreich. Eine Energiepolitik, die von wesentlichen Industriekapitänen wie z.B. Piech, Porsche und Eder abgelehnt wird.

Wesentliche Faktoren für die Ablehnung sind gefinkelte Stromgestehungskosten, die immer wieder genannte Gefahr eines GAUs und das Problem der Endlagerung. Jedoch im Wesentlichen ist es die grüne Ideologie, die versucht, die Atomkraft weltweit zu vernichten.

Für die Stromgestehungskosten wird immer wieder eine Studie der Investmentbank Lazard mit Sitz in New York herangezogen, die in die Stromgestehungskosten (engl. Levelized Cost of Electricity bzw. abgekürzt LCOE) nicht alle Kosten einbezogen hat.

  • ) Kosten müssen bezogen werden auf die Gesamtproduktion über die Lebensdauer des am längsten produzierenden Systems. Das ist ein Kernkraftwerk mit einer Lebensdauer von 60 bis 80 Jahren. PV- und Windanlagen müssen hingegen schon nach einer Laufzeit von 25 bis 30 Jahren rückgebaut und neu errichtet werden. Dabei ist bei den Kosten die Inflation zu beachten. Die dadurch anfallenden Inflationskosten übersteigen allein jene eines Atomkraftwerks.
  • ) Die Netzausbaukosten, betragen ein Vielfaches für eine dezentrale Energieerzeugung wie Photovoltaik und Windkraft. Wien-Energie schätzt die Kosten für den Netzausbau in Österreich bis 2040 mit 30 Milliarden Euro ein. Die in verschiedenen Medien veröffentlichten Kosten stiegen über die letzten Jahre enorm. Allein für den geplanten Netzausbau um die geplanten Windparks und Solarstromanlagen wurden 2021 die beachtliche Summe von 8 Milliarden, 2022 bereits 18 und zuletzt 28 Milliarden Euro kolportiert. Solche Zahlen sind für den Bürger höchst verwirrend. Oder ist das eine gewollte Irreführung? Jedenfalls eine fragwürdige Energiepolitik.
  • ) Netzausgleichskosten, die erforderlich sind bei intermittierenden Energiequellen und die zusätzliche Geräte erfordern, um die schwankende Stromeinspeisung zu stabilisieren.
  • ) Kosten für Synchron-Wechselrichter, um Gleichstrom zu Wechselstrom mit stabiler Spannung umzuwandeln.
  • ) Backup-Kraftwerke, die erforderlich sind, wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht. Das sind Kosten für Gaskraftwerke, Kohle oder Atomkraftwerke.
  • ) Landverbrauch für Windparks, Photovoltaikanlagen, Stromnetz.
  • ) Einbußen im Tourismus. Daher ist es verständlich, dass Kärnten einen Abstand von 25 Kilometern zwischen Windparks und einem Dauersiedlungsraum verlangt und dass Salzburg, Tirol, Vorarlberg gegen Windparks sind.

Werden genannte Aspekte bei der Berechnung der Stromgestehungskosten mit in Betracht gezogen, so ist Atomstrom keinesfalls teurer als einer aus erneuerbaren Energien. Zusätzlich gilt, besonders für Österreich als Tourismusnation, dass mit der Verspargelung unserer Landschaft beträchtlicher Schaden entstehen kann. Industriestaaten wie Deutschland und Österreich sollten nach China schielen und ihre Energiepolitik revidieren. Mit der gegenwärtigen Energiepolitik machen sie sich abhängig von unsicheren Handelspartnern. Allen voran China, das an der Spitze der erneuerbaren Energietechnologie steht und nicht nur kritische Rohstoffe, sondern derzeit auch die Solarindustrie und weitgehend die Windkraft kontrolliert.

 

Dr. Gerhard Kirchner ist Bergingenieur und liebt die Umwelt.

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