Der skandalöse Umgang mit Dollfuß

In Niederösterreich werden derzeit von diversen Volkspartei-Bürgermeistern und Gemeinderäten die Ehrenbürgerschaften für Bundeskanzler Engelbert Dollfuß "aberkannt".

Man kann wahrscheinlich davon ausgehen, dass dies nicht dem Wunsch der Bevölkerung entspricht, sondern dass diese Machinationen von führenden Funktionären der Volkspartei ausgehen und diese nun von untergeordneten Gemeindepolitikern gehorsam umgesetzt werden. Die Motivation all dieser Funktionäre, was auch immer in deren Köpfen vor sich gehen mag, scheint trübe und ferngesteuert. Jedenfalls hat dieses Distanzieren der "Volkspartei" von ihrer eigenen und großen Vergangenheit ja schon vor Volkspartei-neu-Kanzler Kurz begonnen, unter ihm dann aber mit der Abhängung des Dollfuß-Portraits im Parlamentsklub in Wien einen traurigen Höhepunkt entfaltet und setzt sich nun eifrig fort.

Nun hat sich Niederösterreichs Landeshauptmann Johanna Mikl-Leitner Anfang Juni 2023 in einem bemerkenswerten Leserbrief (mit "Gegen die Extreme" übertitelt) scharf gegen den Kommunismus und die hierzulande sich neu etablierende kommunistische Partei gewandt.

Man kann diesem klar ablehnenden und ausgezeichneten Kommentar nur vollinhaltlich zustimmen. Auch erwähnt sie zu Anfang ihrer Ausführungen, durchaus berechtigt, dass Österreich in seiner langen Geschichte immer wieder auch "dunkle Zeiten erlebt" hat und dass uns, Mikl-Leitner zieht hier einen wertvollen Vergleich, "das Schreckensregime des Nationalsozialismus" vor Augen geführt habe, "zu welchen unsäglichen Grausamkeiten die Menschheit fähig ist". Es sei wichtig, wie Mikl-Leitner fortsetzt, "die Erinnerung daran lebendig zu halten, dass wir uns erinnern, dass sich unsere Kinder und Kindeskinder daran erinnern und damit sicherstellen, dass solch menschenverachtende Zeiten nicht wiederkehren".

Auch hier sind wir ganz einer Meinung; historische Erinnerung ist überaus wichtig, weshalb beispielsweise auch der seinerzeit im Zuge einer der zahlreichen unsinnigen "Unterrichtsreformen" sehr verringerte Geschichtsunterricht an den Schulen quantitativ wie qualitativ wieder ausgebaut werden sollte. 

Nun darf man an Frau Mikl-Leitner in ihrer Funktion als Landeshauptmann von Niederösterreich und hiesige Parteichefin der Volkspartei gerade deshalb aber die Frage richten, wie sie es nun zugleich zulassen kann, dass das Gedenken an den christlich-sozialen Bundeskanzler Engelbert Dollfuß ausgerechnet in Niederösterreich besudelt wird, dass ausgerechnet Volkspartei-Funktionäre hier die Aberkennung von Ehrenbürgerschaften betreiben und dass vor allem die Gedenkstätte für Dollfuß in seinem Geburtshaus im niederösterreichischen Texing im Zuge einer Kampagne für eine sogenannten "Neukonzeption" offenbar linker Geschichtspolitik zum Opfer gebracht wird.

Man hat dieses kleine Museum vor etlichen Wochen auch selbst besucht. Der ganze Freundeskreis ist äußerst angetan von dieser pietätvoll und schön und fachkundig arrangierten Stätte ehrenden Andenkens. Ich erachte die von verschiedenen Kreisen, vorzugsweise anscheinend dem Innenminister Karner (VP), lancierte Kampagne zur "Neukonzeption" für skandalös. Hinter diesen Plänen zur "Umgestaltung" verbirgt sich meiner Meinung nach klar die Absicht der Zerstörung der Gedenkstätte.

Es ist dem von Dollfuß begonnenen und angeführten österreichischen Staatswiederstand zu danken, und dies über seinen Tod hinaus, was für die Weitsicht und Tragfähigkeit seiner Politik spricht, dass von Anfang 1933 bis Anfang 1938 Österreichs Freiheit gegenüber dem Nationalsozialismus erfolgreich verteidigt werden konnte. Das hat Österreich vor allem rund fünf Jahre der Katholikenverfolgung, fünf Jahre der Judenverfolgung und fünf Jahre der Zwangsrekrutierung der Jugend für eine fremde Wehrmacht erspart. Das sind wahrhaft Verdienste, welche die Erhaltung eines uneingeschränkt ehrenden Gedenkens rechtfertigen.

Bei diesem Abwehrkampf ist die Sozialdemokratie Dollfuß in den Rücken gefallen.

Noch Alt-Bundeskanzler Klaus, Alt-Vizekanzler Fritz Bock (KZ Dachau), Alt-Unterrichtsminister Drimmel und weitaus die Mehrzahl der früheren Volksparteipolitiker haben sich klar zu Dollfuß bekannt. Und jetzt kollaboriert die Volkspartei mit der Linken bei deren Bestrebungen, die Geschichte unseres Landes zu verfälschen? Wer soll diese Volkspartei noch ernst nehmen, und wer soll der Frau Landeshauptmann Mikl-Leitner ihre an sich schön und mutig im Leserbrief formulierte weltanschauliche Positionierung glauben, wenn ihre tatsächliche Politik leider in die Gegenrichtung deutet?

 

Dr. Albert Pethö, Historiker und Publizist, lebt in Wien. In den 1970er und 1980er Jahren Mitglied der Volkspartei; Austritt 1987 angesichts der Entscheidung der Parteiführung für weitreichende Kollaboration mit der Linken.

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