Kommunisten auf dem Vormarsch: Wo bleibt der Aufschrei der Demokraten?

Im Herbst 1950 greifen die Kommunisten in Österreich nach der Macht. Die moskautreue KPÖ befeuert im Zuge von Arbeitskonflikten eine Streikwelle. Diese bricht aufgrund des breiten antikommunistischen Konsenses in Gesellschaft und Politik aber schnell wieder zusammen. Auch deshalb, weil 2000 Bau- und Holzarbeiter mit Holzknüppeln die Kommunisten aus den bestreikten Betrieben vertreiben und die Gewerkschaft vor einer Machtübernahme der Kommunisten warnt: "Dieser Streik soll zerschlagen, worauf Eure Zukunft ruht: das demokratische, freie und lebensfähige Österreich."

Auch die Regierungsparteien ÖVP und SPÖ sprechen von einem Putschversuch zur Installierung einer Volksdemokratie. Im Oktober 1950 beklagt sich der kommunistische Abgeordnete Franz Honner im Parlament: "Das Geschrei über Putschversuche, Umsturzversuche, [. . .] über die kommunistischen Pläne zur Errichtung der Volksdemokratie, ist nichts anderes als eine reine Erfindung. [. . .] Es wird die Zeit kommen, in der auch unsere österreichischen Arbeiter, unsere österreichischen Bauern nach der Volksdemokratie verlangen werden!"

Vielleicht ist die Zeit nach mehr als 70 Jahren tatsächlich gekommen. Denn die KPÖ, die – im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Linksparteien – noch immer stolz das Wort "Kommunistisch" in ihrem Namen führt, feiert seit einiger Zeit große Wahlerfolge. Bei der Gemeinderatswahl in Graz wurde die KPÖ 2021 mit 28,8 Prozent stärkste Kraft vor der ÖVP. Seither regieren die Kommunisten mit Bürgermeisterin Elke Kahr die zweitgrößte Stadt Österreichs. Was damals viele politische Beobachter als regionales Kuriosum abgetan haben, hat sich längst in einen Trend gewandelt. Bei der Landtagswahl in Salzburg erreichte die KPÖ 11,7 Prozent und überholte damit sogar die Grünen (8,2 Prozent). In der als konservativ geltenden Stadt Salzburg kamen die Kommunisten sogar auf 21,5 Prozent.

Das weckt am politisch linken Rand Hoffnungen, die auch von Meinungsforschern bestätigt werden. Bei den kommenden Wahlen auf Bundesebene, die spätestens im kommenden Jahr stattfinden werden, hat die KPÖ beste Chancen in den Nationalrat einzuziehen. Dort ist sie seit 1959 nicht mehr vertreten.

Das Comeback nach mehr als 60 Jahren kann vor allem deshalb gelingen, weil die KPÖ massiv von den Mainstreammedien unterstützt wird. Die Freude bei den Haltungsjournalisten am Wahlsonntag in Salzburg war nicht zu übersehen. Alle großen Medien berichteten freundlich bis überschwänglich über den Wahlerfolg der KPÖ. Kein Medium, kein bekannter Politologe sprach von einem gefährlichen Linksruck oder zeigte sich besorgt, dass nun eine Partei enormen Zulauf erhält, die eine Ideologie vertritt, die für unzählige Verbrechen gegen die Menschheit verantwortlich ist.

Vergessen ist offenbar auch, dass der menschenverachtende, real existierende Sozialismus, der mit schwer bewachten Grenzen die Menschen vor der Flucht hindern musste, erst vor wenigen Jahrzehnten krachend gescheitert ist. Jetzt ist er in Salzburg wieder die Lösung, nicht das Problem.

Die Mainstream-Medien betonen vielmehr, dass diese neuen Kommunisten eigentlich keine sind, obwohl sie so heißen und sich auch nicht glaubhaft von dieser totalitären Ideologie distanzieren. So schreibt der "Standard" über den Salzburger KPÖ-Chef Kay-Michael Dankl: "Linksradikale Attitüden sind dem Historiker fremd." Der Journalist Conrad Seidl betont: "Es ist niemandem zu verdenken, wenn die Erwähnung der KPÖ zuerst Assoziationen mit dem Terror des Stalinismus und dem Panzerkommunismus der Breschnew-Ära erweckt. Aber den in Salzburg – und vorher schon in der Steiermark – erfolgreichen Kommunisten haftet dieser Geruch nicht an." Die "Kronen Zeitung" bezeichnet Dankl gar als "dunkelroten Robin Hood".

Auch die Mainstreammedien in Deutschland berichten über den Aufstieg der Kommunisten in der Mozartstadt durchgängig wohlwollend. Die "taz": "Als Person ist Dankl ein vernünftiger Erklärbär, höflich, charmant, bienenfleißig und in der Ausstrahlung das Gegenteil eines radikalen Heißsporns." Die "Süddeutsche Zeitung" ist vom "sympathischen Jungpolitiker" ebenfalls begeistert.

Wer eine derart gute Presse und so viele Fans in den Medien hat, braucht sich um seine politische Zukunft wenig Sorgen zu machen. Auch der ORF, das größte und wichtigste Medium des Landes, ist vom Erfolg der KPÖ angetan. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk unterstützte jahrzehntelang die SPÖ. In den vergangenen Jahren hat er sich vom Rot- in einen Grünfunk gewandelt, was zeigt, dass die Journalisten nicht Parteien gegenüber loyal sind, sondern grundsätzlich linke Politik propagieren.

Je weiter links eine Partei mit guten Chancen bei Wahlen steht, desto größer sind die Sympathien und die mediale Unterstützung. Die KPÖ wird vom ORF massiv gefördert werden, das zeigte sich bereits in den ersten Tagen nach der Wahl. Dankl bekam in der ZiB2 einen viertelstündigen Werbeauftritt. Er konnte in aller Ruhe seine Slogans und Ideen verbreiten. Selbst die Frage, ob man nach all den Verbrechen der Kommunisten sich heute noch zu dieser Ideologie bekennen könne, diente nur dazu, Dankl die Möglichkeit zu geben, sich vor großem Publikum als aufrechter Demokrat inszenieren zu können. Er beantwortete die Frage wie alle Kommunisten: Man könne aus guten Ideen Schlechtes machen.

Der ORF-Moderator bohrte nicht nach, ließ ihn damit durchkommen, obwohl Dankl seine kommunistischen Überzeugungen mehr schlecht als recht mit seiner demokratischen Fassade zu kaschieren versuchte.

Wie weit links er steht, bewies er unter anderem 2016, als er noch bei den Grünen engagiert war, und die Präsidentschaftskandidatur seines ebenfalls weit links positionierten Parteikollegen Alexander Van der Bellen kritisierte, weil dieser zu "neoliberal" sei. Die KPÖ unterstützt auch offiziell Länder wie Kuba oder China, und die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr sagte in einem Interview mit der "Kronen Zeitung" lapidar: "Ich vertrete überhaupt keine Ideologie."  

Mit solch lächerlichen Schutzbehauptungen kommen die Kommunisten Kahr und Dankl durch, weil die meisten Journalisten selbst politisch weit links stehen. Etwa die mehrfach ausgezeichnete "Profil"-Journalistin Christa Zöchling, die wie Kahr Grazerin ist und 1983 selbst bei der Gemeinderatswahl in Graz für die KPÖ auf Listenplatz 4 kandidierte. Wenn eine Kommunistin eine andere Kommunistin für ein linkes Medium interviewt, was soll dabei herauskommen? Unabhängiger Journalismus jedenfalls nicht.

Während jede Partei und Position rechts der Mitte permanent attackiert wird, die FPÖ von den Mainstream-Medien ins rechtsextreme Eck gedrängt und die ÖVP mies behandelt wird,  sobald  sie nicht nach der linken Pfeife tanzt, ist am linken politischen Rand praktisch alles erlaubt und erwünscht. Die KPÖ wird als sympathische, bürgernahe Partei präsentiert, die sich um die Anliegen der einfachen Menschen kümmert.

Tatsächlich ist das einer der Erfolgsfaktoren. Die Kommunisten engagieren sich in Graz und Salzburg vor allem für leistbares Wohnen und die Rechte der Mieter. Einen Teil ihres Politikergehaltes spenden sie als steuergeldfinanzierte Almosen an Bedürftige. Man gibt sich bürgernah, kümmert sich um die Anliegen der Menschen und kommuniziert seine politischen Überzeugungen und langfristigen Ziele nicht nach außen. "Wohnen darf nicht arm machen", war einer der wichtigsten Wahlkampfslogans, und im dünnen Wahlprogramm der Salzburger KPÖ finden sich fast ausschließlich Punkte und Maßnahmen, wie man Geringverdiener unterstützen kann.

Dass der Einsatz für die "Unterprivilegierten" der politischen Hebel ist, um Macht zu erringen und dass linke Politik überhaupt erst jene Rahmenbedingungen geschaffen hat, die für die Verarmung von Teilen der Bevölkerung verantwortlich sind, interessiert weder bestimmte Wählergruppen noch die Medien. Die Strategie, sich vor Ort und aktiv um die Anliegen finanziell schlechter gestellter Menschen zu kümmern, unterscheidet die KPÖ massiv von den ebenfalls am linken Rand positionierten Grünen, die unter dem Deckmantel, das Klima und die Welt zu retten, den Lebensstandard der Bürger innerhalb von kurzer Zeit dramatisch gesenkt haben. Linke und speziell grünlinke Politik sind die Hauptursache für hohe Energiepreise, Inflation, Rekordsteuern, Reallohnverluste, Deindustrialisierung etc.

Die Grünen treiben mit ihrer utopischen Politik den "bodenständigen" Kommunisten die Wähler des linken Spektrums zu. Das zeigt auch die Wählerstromanalyse aus Salzburg. Die KPÖ hat die meisten ihrer Stimmen von ehemaligen Wählern der Grünen und der SPÖ bekommen. Das ist für die Grünen doppelt bitter, weil Dankl selbst einer von ihnen gewesen ist. Er war der Chef der "Jungen Grünen", die 2017 nach heftigen Querelen aus der Partei ausgeschlossen worden sind. Unter anderem, weil die "Jungen Grünen" 2014 gewaltbereiten Linksextremisten, die für die brutalen Ausschreitungen gegen den WKR-Ball verantwortlich waren, eine Webseite zur Verfügung gestellt hatten, über die sie ihre Hassbotschaften ("Unseren Hass, den könnt ihr haben" etc.) verbreiten konnten.

Die "Jungen Grünen", die selbst für die grüne Parteispitze zu linksradikal waren, fanden bei der KPÖ Unterschlupf, die seither offiziell KPÖ Plus heißt. Nach den Wahlerfolgen in Graz und Salzburg werden viele weitere Grüne und auch Sozialdemokraten die Seiten wechseln, nicht nur bei der Wählerschaft, sondern auch bei den Funktionären. Beide Parteien stecken in einer Krise, befinden sich in einem Abwärtstrend, mit der bisher unbedeutenden Bundes-KPÖ geht es hingegen nun steil bergauf. Dort winken jetzt Jobs, Funktionen, politische Ämter, volle Steuergeldtöpfe und positive Medienpräsenz. Das wird viele vom linken Rand der Grünen und der SPÖ anlocken, denn er Einzug der KPÖ in den Nationalrat ist aus heutiger Sicht wahrscheinlich.

Sollte bei der kommenden Nationalratswahl SPÖ, Grüne und KPÖ über 50 Prozent kommen, ist eine Regierungsbeteiligung der Kommunisten so gut wie fix. Denn mit den Kommunisten haben weder die SPÖ noch die Grünen Berührungsängste. Und um die Demokratie sorgen sich Medien, Bundespräsident und andere sogenannte moralische Instanzen ohnehin nur, wenn Gefahr von "rechts" droht.

 

Werner Reichel ist Journalist und Autor. Sein aktuelles Buch "Die kinderlose Gesellschaft" ist im Frühjahr 2022 im Freilich-Verlag erschienen.

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