Deutsches Selbstbestimmungsgesetz: Die Abschaffung der Realität

In Deutschland sind die Zeiten vorbei, als man – wie in den vergangenen tausenden Jahren – als Mann oder Frau geboren wurde. Jetzt ist jener neulinke Glaubenssatz der französischen Feministin und Freundin von Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir, in ein Gesetz gegossen worden: "Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es." Soll heißen: Nicht die Biologie, nicht Chromosomen und Geschlechtsorgane entscheiden über die Geschlechterzugehörigkeit, sondern Sozialisation und Erziehung.

Erst die (patriarchale) Gesellschaft zwinge den Menschen das Geschlecht auf, obwohl es frei wählbar ist. Für Konstruktivisten wie Sartre und Beauvoir sind nicht nur Familie, Volk, Nation oder ethische Normen, sondern auch das Geschlecht menschengemacht, ein soziales Konstrukt.

Mann und Frau sind in Deutschland per Gesetz keine biologische Tatsache mehr, sondern mehr ein Gefühl, eine Emotion. Und weil Gefühle wechseln, kann künftig auch das Geschlecht gewechselt werden, so oft man möchte. Einzige Regel: Nicht öfter als einmal pro Jahr.

Es gehe darum, so die grüne Familienministerin Lisa Paus, "die betroffenen Personen in ihrer Geschlechtsidentität anzuerkennen und vor Stigmatisierung und Diskriminierung zu schützen". Selbstbestimmung, Toleranz, Verständnis, Schutz vor Diskriminierung etc.: Einmal mehr wollen die Grünen die Welt für uns gerechter machen. Sagen sie.

In Wahrheit soll das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) als Teil der gesellschaftspolitischen linken Agenda die Zersetzung bürgerlicher Werte und familiärer Strukturen vorantreiben: "Die Familie muss theoretisch und praktisch vernichtet werden", so Karl Marx. Erst auf den Trümmern der alten Ordnung kann eine neue, "ideale" Gesellschaft errichtet werden.

Mit dem SBGG kommt man diesem Ziel von Marx einen großen Schritt näher. Wer die natürliche Geschlechterordnung zerstört, zerstört auch die Keimzelle der Gesellschaft, die Familie. Noch einmal Marx: "Wir werden dieses heiligste Bündnis, diese heiligste Verbindung zerstören und die Familienerziehung durch die Gesellschaftserziehung ersetzen."

Das neue Gesetz dient nicht der Gerechtigkeit, sondern ist vielmehr ein Sprengsatz, der die gesellschaftlichen Strukturen zerstören soll. Das SBBG setzt grundlegende Regeln des menschlichen Zusammenlebens beliebig außer Kraft und produziert damit einen Wust an Konflikten und Problemen. Linke Gesellschaftskonzepte funktionieren ausschließlich in staatlich geschaffenen, geschützten und finanzierten Sonderzonen, wie Universitäten, im Kulturbetrieb, in öffentlich-rechtlichen Medienanstalten etc.  Kommen sie mit der Realität in Verbindung, bilden sie ein explosives Gemisch, führen sie zu massiven Verwerfungen, Chaos und Niedergang.

Linken sind sich der Folgen ihres Handelns als Gesinnungsethiker nicht bewusst bzw. sind sie ihnen egal oder aber, die vorgeblichen Kollateralschäden ihrer Politik sind das eigentliche Ziel, so wie etwa bei der Energiewende (Deindustrialisierung) oder der Willkommenskultur (Islamisierung). In jedem Fall produzieren solche linken Konzepte massive Verwerfungen und Konflikte, die mit weiteren Gesetzen, Verboten, Kontroll- und Unterdrückungsmechanismen abgefedert werden müssen. Wodurch der Staatsapparat aufgebläht, die Macht der herrschenden Klasse ausgeweitet und die Freiheit der Bürger weiter eingeschränkt werden.

Das gilt auch für das Selbstbestimmungsgesetz. Kern dieser Neuregelung ist, dass jeder Bürger sein Geschlecht – inklusive Vornamen – einmal pro Jahr ändern kann. Dafür reicht eine einfache Erklärung am Standesamt, ein Gerichtsverfahren, ärztliche Bescheinigungen und teure Sachverständigengutachten sind nicht mehr notwendig.

Dass Otto nun aus einer Laune heraus zu Ottilie werden kann, strahlt auf alle Bereiche der Gesellschaft und des Staates aus, bläht die Bürokratie weiter auf, zumal das SSBG Auswirkungen auf viele andere Gesetze hat und das Zusammenleben der Menschen neu definiert.

Ein zwischen Grünen und FDP heftig diskutiertes Thema war das Hausrecht. Familienministerin Paus und ihr Genderbeauftragter wollten, dass jede Transfrau immer und ausnahmslos als Frau behandelt werden muss, auch, wenn sie mit Penis, Brustbehaarung und Vollbart ausgestattet, Einlass in eine Frauensauna begehrt. Justizminister Marco Buschmann (FDP) hat den Grünen diesbezüglich einen Kompromiss abringen können. Es gilt weiter das Hausrecht, allerdings nur sehr eingeschränkt. "Die Zeit" schreibt: "Eine trans Frau abzuweisen, ist nicht automatisch Diskriminierung."

Der Bademeister oder Sportwart muss also selbst und vor allem auf eigenes Risiko entscheiden, ob eine Transfrau als Frau durchgeht. Eine abgewiesene und gekränkte Transfrau kann ihn, den ganzen linken Staats- und Medienapparat hinter sich wissend, jederzeit und mit besten Chancen auf Erfolg wegen Diskriminierung anzeigen.

Trotzdem kritisiert die Schwulen- und Transgender-Webseite "queer.de": "Eine Saunabesitzerin oder ein Bademeister kann nach Gutdünken über das Geschlecht und den Zutritt von trans Menschen entscheiden – egal was im Pass steht." Das neue Gesetz produziert also zusätzlich Verwirrung, Konfliktpotential und Rechtsunsicherheit. Die Ampel schafft neue gesellschaftliche Rahmenbedingungen ohne willens oder in der Lage zu sein, für alle verständliche und praktikable Regelungen aufzustellen.

Zudem werden die Transfrauen und -männer mit dem neuen Gesetz unter einen Glassturz gestellt. Ein falsches Wort, eine unbedachte Bemerkung zu oder über einen Geschlechtsumwandler, schon können bis zu 10.000 Euro Strafe fällig werden. Wer etwa zu einer Transfrau sagt, sie wäre früher ein Mann gewesen, verstößt gegen das sogenannte Offenbarungsverbot und riskiert damit eine saftige Geldstrafe. Es ist noch nicht ganz klar, ob sich diese Regelung auch auf Journalisten, also die Medienberichterstattung erstreckt. Nebulös ist davon die Rede, dass "besondere Gründe des öffentlichen Interesses" vorliegen müssten, um von einer Strafe abzusehen. "Ob ein rechtliches Interesse in der durch die Pressefreiheit (Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG) geschützten Beschaffung von Informationen für die journalistische Tätigkeit liegen und eine Auskunftserteilung rechtfertigen kann, ist im Rahmen einer Abwägung jeweils unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden." Solche Formulierungen lassen vieles offen, über jeden Bericht über eine Transperson hängt eine Klagsdrohung.

Das Offenbarungsverbot ist so schwammig formuliert wie die Regelungen bezüglich des Hausrechts. Der Gesetzgeber legt sich nicht fest, überträgt die Auslegung seines Gesetzes den Bürgern. Das Offenbarungsverbot soll, so steht es im Gesetzesentwurf: "Personen, die ihren Geschlechtseintrag oder ihre Vornamen an ihre Geschlechtsidentität angepasst haben, davor schützen, dass ihre bisherigen Daten, namentlich ihre bis zur Änderung eingetragene Geschlechtsangabe und ihre Vornamen, anderen Personen mitgeteilt oder ausgeforscht werden. Das Offenbarungsverbot richtet sich nicht nur an staatliche Stellen, sondern auch an private Personen."

Auch diese Regel produziert Rechtsunsicherheit, Konflikte und Probleme, deren Tragweite die Ampel nicht einmal ansatzweise abschätzen kann oder will. Eines ist aber fix. Das neue Gesetz wird das gesellschaftliche Klima vergiften und dafür sorgen, dass die Bürger es vermeiden werden, über und mit Transpersonen zu sprechen bzw. zu interagieren, weil die Gefahr zu groß ist, wegen eines unbedachten Wortes oder einer Entscheidung umgehend vor Gericht gezerrt zu werden. Der Staat verpflichtet die Bürger das Offensichtliche, die Realität zu leugnen. Wer nicht mitmacht, wird geächtet und bestraft.

Der verbindliche Maßstab im Umgang mit den Geschlechtern ist jetzt eine vom linken Staat und seinen Vorfeldorganisationen und Lobbygruppen konstruierte, also imaginierte Wirklichkeit, nicht die natürliche Ordnung, die Erfahrungen, gewachsenen Traditionen und Umgangsformen. Wesentliche Merkmale eines Menschen, wie Namen und Geschlecht, werden mit dem Gesetz beliebig austauschbar. Die Einheit von Körper und Geist wird zerstört, als ob das eine unabhängig vom anderen existieren könnte.

Die Bürger werden per Gesetz dazu verpflichtet, diesen linken kulturzersetzenden Irrsinn mitzumachen: Alle sehen den nackten Kaiser und müssen trotzdem seine Nacktheit leugnen. Das erinnert an Orwells Dystopie 1984.  Dass die Ampelregierung und die linken Lobbygruppen selbst nicht an ihre irrwitzige Ideologie glauben, sich bewusst sind, dass das Scharlatanerie und nur Mittel zum Zweck ist, beweist eine Sonderregelung im Gesetzesentwurf. Nicht die Sonderregelung ist allerdings besonders, sie ist vielmehr der Kern- bzw. Knackpunkt des ganzen Gesetzes.

Diese Sonderregel besagt im Wesentlichen: Wenn es ernst wird, wenn es um Leben und Tod geht, ist der linke Geschlechterkarneval zu Ende, ist wieder alles beim Alten, sind Männer wieder Männer, egal was sie behaupten zu sein: "Für den Spannungs- und Verteidigungsfall trifft das SBGG eine ausgeglichene Sonderregelung, indem vorübergehend die rechtliche Zuordnung zum männlichen Geschlecht für den Dienst an der Waffe maßgeblich bleibt." Das Gesetz regelt auf rund 70 Seiten, dass das biologische Geschlecht bedeutungslos ist, und diese Sonderregelung führt das wieder ad absurdum, hebt alles andere auf. Im Verteidigungsfall zählt nicht mehr die persönlich eingebildete "Geschlechtsidentität", sondern was man zwischen den Beinen hat. Punkt. Wenn es darum geht, sein Leben zu riskieren, müssen die echten Männer an die Waffen, dann wird der linke ideologische Firlefanz aufgehoben, was ihn als ebensolchen entlarvt.

Zum Kämpfen und Sterben braucht man selbst im bunt-diversen Genderparadies Deutschland noch echte Männer. Dann geht es nicht mehr darum, unter staatlicher Aufsicht Geschlechterrollen zu spielen, sondern ein Mann bzw. eine Frau zu sein. Das grün-linke Dogma "Frau ist, wer sich zur Frau erklärt", ist im Kriegsfall obsolet. Das Selbstbestimmungsgesetz ist nur ein weiterer Hebel, um die Gesellschaft nach links-utopischen Plänen umzubauen. Dass es nicht um Gerechtigkeit und um die Lösung großer gesellschaftlicher Probleme und Ungerechtigkeiten geht, zeigt die Tatsache, dass sich laut Schätzungen in Deutschland nur rund 0,35 Prozent der Bevölkerung als "trans" oder "divers" definieren.

Selbst diese Zahl schein zu hoch gegriffen. In Österreich gibt es dazu amtliche Zahlen. Laut Statistik Austria sind von mehr als 9 Millionen Einwohnern offiziell gerade einmal 15 Personen "divers" oder "inter". Weil dem so ist, versuchen die Linken  diese Zahlen durch Frühsexualisierung und Indoktrination von Kindern nach oben zu treiben. Man muss erst jene Probleme schaffen, die man mit Regelungen wie dem Selbstbestimmungsrecht vorgibt zu lösen.

 

Werner Reichel ist Journalist und Autor. Sein aktuelles Buch "Die kinderlose Gesellschaft" ist im Frühjahr 2022 im Freilich-Verlag erschienen.

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