"Mit Worten lässt sich trefflich streiten", sagt Goethe im "Faust". Mit Zahlen erst recht, bestätigen die jeweiligen Nachwahl-Kommentare. Als am vergangenen Wahlsonntag die ersten Hochrechnungen eintröpfelten, regnete es bereits Interpretationen. Die gesamtpolitischen Schlüsse aus den durchaus aussagekräftigen Prozentsätzen wurden dabei nicht gezogen. Nämlich: Die Gewichtung zwischen den nicht-linken Parteien ÖVP und FPÖ und den linken Parteien SPÖ, Grünen und NEOS hat sich fast nicht verändert – und schon gar nicht in die linke Richtung.
In konkreten Zahlen: Die Nicht-Linken haben heuer zusammen 64,1 Prozent erreicht gegenüber 64,4 % bei der Wahl 2018, die Linken 35,0 % gegenüber vorher 35,5.
Diese Entwicklung muss vor dem Hintergrund gesehen werden, dass Jahre hindurch von ORF und fast allen Tageszeitungen – als krasses Beispiel seien hier die einst seriösen "Salzburger Nachrichten" angeführt – ein intensiver und weitgehend untergriffiger Wahlkampf gegen die nicht-linken Parteien geführt wurde, verschärft durch unfassbare Aktionen einer sogenannten Staatsanwaltschaft und von einer ebenso von Steuergeld bezahlten und vom sogenannten Verfassungsgerichtshof gedeckten Kampagne gegen die ÖVP im Parlament.
Zur Beurteilung des Wahlergebnisses selbst gibt es zwei legitime Perspektiven. Für eine emotionelle Betrachtung kann man die Prozentanteile der wahlwerbenden Gruppen zwischen 2018 und 2023 vergleichen. Hier zeigt sich ein klares Bild: Die ÖVP hat schwere und die SPÖ deutliche Verluste erlitten, die FPÖ hat sehr große, Grüne und NEOS haben bescheidene Gewinne erzielt.
Die realistische Perspektive hingegen ist das nun vorliegende tatsächliche Wahlergebnis (in Prozenten):
ÖVP 39,9, FPÖ 24,2, SPÖ, 20,7, Grüne 7,6, NEOS 6,7 (der Rest verteilt sich auf drei Wahlwerber mit zusammen weniger als einem Prozent).
Nur dieses Wahlergebnis und nicht der Schnee von 2018 ist für die künftige politische Arbeit ausschlaggebend.
Ein Beispiel aus dem Sport kann die Fakten verdeutlichen – und weil es jahreszeitlich passt: das Skispringen. Übertragen wir die Zahlen im mathematisch richtigen Verhältnis auf die entsprechenden Weiten einer Normalschanze, etwa durch eine Multiplikation mit drei.
Wir errechnen: Die ÖVP landet bei 120 Metern, die FPÖ bei 73 Metern, die SPÖ bei 62 Metern. Die Grünen und die NEOS hüpfen auf 23 Meter bzw. 20 Meter.
So und nicht anders sieht es heute aus. Dass ÖVP und SPÖ früher weiter gesprungen sind, ist Tatsache, aber sie können sich 2023 dafür nichts kaufen. Dass die FPÖ bei guten Windverhältnissen einen Sprung nach vorne gemacht hat, ist ebenso eindeutig wie der Umstand, dass sie ganze 47 Meter kürzer aufgekommen ist. Zum Sieg fehlt es erkennbar noch weit.
Das und nichts anderes sind die Fakten.
Um auf den Anfangsvergleich der politologischen Großwetterlage zurückzukommen: Man erinnere sich an die Tiroler Landtagswahl im Vorjahr. Die nicht-linken Parteien ÖVP, FPÖ und die aus der ÖVP abgespaltene Liste Fritz erreichten 63,4 % Stimmenanteil, die linken Parteien SPÖ, Grüne und NEOS 33,0 %.
Zusammenfassend: Aus diesen Zahlen einen Linkstrend herauszulesen, wagen nicht einmal die ORF-Politologen, und daher werden diese Vergleiche ausgeklammert.
Willi Sauberer, Schüler Hugo Portischs, war ab 1961 Mitarbeiter von Alfons Gorbach, Josef Klaus und Hermann Withalm und von 1971 bis 1994 Chefredakteur einer kleinen Salzburger Tageszeitung. Der konservative Publizist schreibt vorwiegend über gesellschaftspolitische, zeithistorische und lokal-geschichtliche Themen.