Beim Thema Atomkraft wird die Herkunft des Urans selten diskutiert. Noch viel weniger ist bekannt, wie weit verzweigt der Weg zur Herstellung der Kernbrennstäbe ist. Dass in Kasachstan das meiste Uran gewonnen wird, gefolgt von Kanada und Namibia, ist ebenso wenig bekannt. Genauso wie die Tatsache, dass auch westliche Bergbaukonzerne, Cameco und Orano, in Kasachstan Uran gewinnen. Auch Russland betreibt über Uranium One dort Uran-Bergbau.
Uran-Produzenten in Kanada sind Cameco (der zweitgrößte der Welt) und Orano, eine Tochter des französischen Konzerns Électricité de France SA (EDF).
Die größte Bergbaufirmen, die in Namibia Uran gewinnt, ist die Rössing Uranium Ltd, eine Tochtergesellschaft der Rio-Tinto-Bergwerksgruppe. Ferner Taurus, eine Tochter der China General Nuclear Power Company (CGNPC), sowie Palatin Energy, eine australische Gesellschaft.
Uran muss weiteren Prozessschritten unterworfen werden, bevor es als Kernbrennstoff in Reaktoren eingesetzt werden kann. Die Prozesskette folgt fast ausschließlich nach folgendem Schema:
- In den Bergwerken und deren Aufbereitungsanlagen wird das Uranerz zu Yellowcake, U3O8, ein gelbes Pulver verarbeitet, manchmal auch kalziniert zu UO3, einem dunkelgrünen Pulver.
- Dieser Yellowcake wird an Kernkraftwerk-Betreiber, über meist langfristige Verträge, verkauft, die wiederum Verträge mit Raffinerien abschließen.
- Der nachfolgende Prozess der weiteren Raffination richtet sich nach dem Typ der Reaktoren, in die der Brennstoff eingesetzt werden soll. Das sind gegenwärtig hauptsächlich Schwerwasser- und Leichtwasserreaktoren. Überwiegend sind es Leichtwasserreaktoren.
Für die Schwerwasserreaktoren, die in Kanada entwickelt wurden und meist in Kanada betrieben werden, aber auch in Indien, erfolgt die Weiterverarbeitung des Yellowcake in Kanada.
Für Leichtwasserreaktoren muss der spaltbare Anteil U235 von 0,72 auf 5 Prozent angereichert werden. Dieser Prozess ist energieintensiv und erfolgt zu einem erheblichen Teil in Russland.
Alle Gesellschaften bieten sowohl die Anreicherung als auch die weitere Verarbeitung bis hin zu fertigen, maßgeschneiderten Brennstäben an. Woher das Uran kommt, das in den Brennstäben steckt, ist den Reaktorbetreibern unbekannt. Es wird nämlich Uran aus Kasachstan, Kanada, Namibia etc. von den Reaktorbetreibern zur weiteren Verarbeitung an die Raffinerien und Herstellern von Kernbrennstäben geliefert und vermischt.
Bekannt in der Verarbeitung von Uran sind weitgehend Framatome aus Frankreich, Rosatom aus Russland, Westinghouse aus den USA und Cameco aus Kanada. Die beiden ersteren Firmen sind engverknüpft. Rosatom, mit seinen Tochterfirmen TENEX und TWEL, die in den Geschäftsfeldern Uran-Konversion, Uran-Anreicherung und Kernbrennstoff-Herstellung tätig sind, ist ein gesuchter Geschäftspartner. Kosten sind eben immer ausschlaggebend.
Besonders in Deutschland ist man gegen den Betrieb von Atomkraftwerken, was sich immer wieder in sehr erfolgreichen Aktionen manifestiert. Deshalb wurde schon vor einigen Jahren die in Entwicklung begriffene Wiederaufarbeitungsanlage von Kernbrennstäben in Wackersdorf in Bayern nach vier Jahren Bauzeit eingestellt.
Nach der Ankündigung des deutschen Ausstiegs aus der Atomenergie wurden viele Anlagen der Atomindustrie abgestoßen oder geschlossen. Auch alle Bergwerksanlagen wurden verkauft oder stillgelegt. NUKEM, eine Ingenieur-Firma, die sich mit Sicherheitsfragen und Rückbau nuklearer Anlagen beschäftigte, ist nunmehr im Besitz von Rosatom.
Lingen, als Teil der Lieferkette für Kernbrennstoffe und Ingenieur-Firma, ist weltweit tätig, und blieb erhalten. Sie ist mittlerweile zum Hauptsitz der Advanced Nuclear Fuels GmbH (ANF), einer Tochtergesellschaft der Framatome GmbH, die zur Gruppe der französischen EDF gehört, geworden.
TWEL (Rosatom) stieg in die Brennfertigungsanlage der ANF ein. TWEL reichert etwa ein Drittel der weltweiten Uran-Produktion an. Im Jahr 2021 belieferte TWEL 75 Reaktoren in 15 Ländern mit Kernbrennstoff.
Framatom und TWEL sind mittlerweile Geschäftspartner in Lingen und planen, die Geschäftstätigkeiten auszuweiten. Das ergibt natürlich Sinn im Lichte des zu erwartenden erhöhten weltweiten Bedarfs an Kernbrennstoffen.
Wegen der engen weltweiten Vernetzung der Reaktorbetreiber mit den dominierenden französisch-russischen Institutionen sind Sanktionen gegen deren Tätigkeiten nicht möglich. Wohl stimmten Deutschland, Irland, Lettland, Estland, Litauen und Polen für die Sanktionierung von Rosatom & Co., doch Frankreich und zahlreiche osteuropäische Staaten sprachen sich dagegen aus. Aus logischen und guten Gründen. Schließlich wird ein bedeutender, wenn nicht sogar überwiegender Anteil der Stromversorgung in einigen Staaten der EU durch Kernkraftwerke gesichert.
Neuerliche Proteste in Lingen richten sich gegen den Reaktorbetrieb, aber auch gegen die Atomindustrie insgesamt. Dabei ist die Lieferung von russischem, angereichertem Uran nach Lingen, ein willkommener Anlass gegen Framatome und dessen russischen Partner TWE, zu protestieren. Endziel ist, nicht nur die Atomkraftwerke in Deutschland stillzulegen, sondern auch die gesamte Atomindustrie in Europa zu zerstören. Was wahnsinnig anmutet, da damit Arbeitsplätze und Knowhow in Reaktortechnologie in Europa zerstört werden. Den links-grünen Ideologen ist es ja schon gelungen, dass auf Lehrplänen der österreichischen Universitäten Kernkraft nicht mehr als Thema in den Lehrplänen aufscheint.
Das ist allerdings ein merkwürdiges Verständnis von "Universität".
Dr. Gerhard Kirchner ist Bergingenieur und liebt die Umwelt.