Die "umweltschädlichen" Kinder

Fernab jeglicher philosophischer, theologischer, politischer und kommerzieller Gedankenakrobatik ist Weihnachten ein Fest zur Geburt eines Kindes. Lässt man einmal die religiösen Gefühle beiseite, mit denen sich die Christenheit seit 2000 Jahren über den in Windeln gewickelten Jesus freut, bleibt die nüchterne Tatsache: Ein Kind wurde geboren.

Vor geraumer Zeit stellte eine deutsche Lehrerin in mittleren Jahren die These von der Umweltschädlichkeit der Kinder auf. Nachdem man wieder zum weggebliebenen Atem gekommen ist, drängen ganz unweihnachtliche Überlegungen heran.

Es mag der Wichtigkeit der Fortpflanzung der Menschheit entsprechen, dass es zu diesem Thema eine Unzahl von Meinungen gibt. Neben Meinungen gibt es aber auch Fakten. Ein Faktum ist, dass die Zweigeschlechtlichkeit vom Pflanzenreich über die Tierwelt bis zum Menschen der Arterhaltung dient.

Geburten galten daher zu allen Zeiten und in allen Kulturen als prinzipiell freudiges Ereignis. (Dem widerspricht die Tatsache gelegentlich unerwünschter Geburten in keiner Weise.)

Frei gewählte Kinderlosigkeit zur Rettung der Umwelt kann schon vom Gesichtspunkt des Artensterbens nicht zum wirklich erstrebenswerten Ziel der Menschheit erhoben werden. Sie hat auch noch keine Mehrheit an Followern gefunden, sonst wäre die Frau Lehrerin heute arbeitslos.

Sie hat bloß den linken Gesellschaftsveränderern geglaubt und ist der Lehre vom "Fun", vom Spaß als einzigem erstrebenswerten Gut aufgesessen, und nun folgt dem vermeintlichen Genuss die Leere. Die Erkenntnis, dass der sinnentleerte "Fun" irgendwann ein Ende hat und dereinst kein Umweltschädling ans Spitalsbett treten und die Hand halten wird. Und dass kein Kind und kein Enkel, sondern bestenfalls eine bezahlte Hilfskraft ‒ wenn man sie überhaupt noch findet ‒ in der leeren Wohnung nach dem Rechten sieht.

Vor dieser unausbleiblichen Lebensphase des Alters blühen der irritierten Lehrerin noch Berufsjahrzehnte, in denen sie täglich vor 25 Umweltschädlingen stehen muss und diesen 25 Umweltschädlingen menschliche Anteilnahme entgegenbringen soll. Das muss ein Mensch psychisch erst einmal ein Arbeitsleben lang verkraften. Dieser widersprüchliche Weg führt unausweichlich ins Burnout, und der stolzeste Feminismus hilft darüber nicht hinweg.

Apropos Alter, Krankheit und Spital: Wer, wenn nicht die Kinder von heute, wird das Krankenbett aufstellen, wer wird eine ärztliche Diagnose abgeben, welches Pflegepersonal wird die Therapie durchführen, wenn die Geburt von Kindern wegen Umweltschädlichkeit nachhaltig eingeschränkt wird?

Diese lebensfeindliche Philosophie entbehrt auch jeder Logik: Die gesamte lebendige Natur ist auf Reproduktion ausgerichtet. Es kann keine Menschheit ohne Kinder geben. Die Umwelt nur für eine menschenleere Nachwelt aufzubewahren, kann nicht Zweck des Lebens sein. Wenn es heute keine umweltschädlichen Kinder gibt, wer ist dann überhaupt die Nachwelt? Diese wird im besten Fall zu einer Art zoologischer Garten, in dem sich niemand mehr um das Überleben gefährdeter Tier- und Pflanzenarten den Kopf zerbricht.

Keine Kinder in die nachhaltig geschützte Welt zu bringen, ist nicht eine Frage der Ideologie, sondern der Mathematik. Was den Verdacht nährt, dass Umweltschädlichkeit zwar stattfindet, aber nicht den Kindern anzulasten ist.

Die Christen haben es leichter. Aber alle ‒ wie immer man es betrachtet – dürfen das Fest zur Geburt eines Kindes in einer intakten Familie mitfeiern.

Frohe Weihnachten!

 

Willi Sauberer, Schüler Hugo Portischs, war ab 1961 Mitarbeiter von Alfons Gorbach, Josef Klaus und Hermann Withalm und von 1971 bis 1994 Chefredakteur einer kleinen Salzburger Tageszeitung. Der konservative Publizist schreibt vorwiegend über gesellschaftspolitische, zeithistorische und lokal-geschichtliche Themen.

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