Zum Volksbegehren „Bedingungsloses Grundeinkommen umsetzen!“

Voraussetzung jeder Diskussion über dieses Thema ist eine Verständigung über das zugrundeliegende Menschen- und Gesellschaftsbild. Jeder Mensch ist eine individuelle und einzigartige Person, die durch andere Personen zur Person wird. Die Familie als Gemeinschaft von Personen ermöglicht, leistet und fördert Sozialisation und Inkulturation. Der Mensch ist Person und Gemeinschaftswesen ("zoon politikon"). Für das Zusammenleben in der Gesellschaft wesentliche Prinzipien sind neben Personalität Subsidiarität und Solidarität, stets orientiert auf das allen übergeordnete Ziel des Gemeinwohls.

Jeder Mensch steht in einem lebenslangen Prozess der Auseinandersetzung mit der Welt und der ‚Welt-Aneignung‘ durch Lernen und aktives Tätig-Sein. Bildung und Arbeit als bewusste und aktive Handlungen unterscheiden so den Menschen von allen anderen Lebewesen. Allen Menschen immanent ist eine Tendenz zur "Selbstwirksamkeit", wobei jede Form der Selbstrealisierung rücksichtslos un-bezogen oder auf andere hin bezogen sein kann – von der Familie bis zur Weltgesellschaft, einschließlich der Umwelt (der belebten und der unbelebten Natur). Jeder Mensch ist im Grunde genommen angelegt auf ein Tätig-Sein, je nach individuellen persönlichen Voraussetzungen.

Die menschliche Arbeit hat in diesem Sinne mehrfache Funktionen:

  1. Arbeit sichert die Existenz durch ein angemessenes Einkommen.
  2. Arbeit ermöglicht Sinnstiftung durch ein "sich abbilden" in Produkten und Prozessen.
  3. Arbeit ermöglicht Teilhabe und soziale Integration (Gemeinschaftsaspekte).
  4. Arbeit ist schöpferische Weltgestaltung (z.B. durch Innovation, Teamwork usw.).

In der Arbeit und durch die Arbeit wird der Mensch immer mehr zum Menschen (graduell).

Leider nur in der protestantischen Sozialethik gebräuchlich ist der Begriff der "Werkfreude" zur Charakterisierung einer positiven Sichtweise – im Gegensatz zur häufig propagierten Gleichsetzung von ‚Arbeit‘ mit ‚Arbeitsleid‘. Arbeit ist im dargelegten Verständnis auch ein Ausdruck der menschlichen Würde. Leistung stellt einen Grundpfeiler und eine Voraussetzung unserer Kultur und Zivilisation (auch des Sozialstaats!) dar und ist somit ein sozialethisch bedeutsamer Wert.

Direkt und indirekt setzt ein Bedingungsloses Grundeinkommen falsche Signale und verhaltensökonomisch fatale Anreize durch Relativierung, ja sogar Negierung des Leistungsprinzips und des Gemeinwohlgedankens. Die in der Begründung für das Volksbegehren angeführten Ziele sind teilweise widersprüchlich, teils unrealistisch und fallen überwiegend nicht in die Kompetenz der Politik, sondern gehören in den Bereich privater Lebensführung und Lebensgestaltung.

Letztlich läuft ein Bedingungsloses Grundeinkommen auf einen nur vermeintlich "sozialen", aber letztlich ebenso undemokratischen wie unsozialen "Totalitarismus" hinaus: einerseits im Sinne einer vollkommenen Abhängigkeit des Einzelnen vom Staat, andererseits einer wohl nur zwangsweise möglichen staatlichen finanziellen Repression im Sinne von unverhältnismäßiger Besteuerung. Es torpediert auf diese Weise das Leistungsprinzip in doppelter Hinsicht. Die möglichen Auswirkungen zum Beispiel auf den Arbeitsmarkt oder auf Migration sind unabsehbar.

Was sind die Alternativen zum Bedingungsloses Grundeinkommen? Notwendig wären:

  1. eine gesellschaftliche Verständigung über und eine politische Umsetzung von Nachhaltigkeit als ordnungspolitisches Paradigma (im Sinne einer Integration ökologischer, ökonomischer und sozialer Ziele);
  2. ein neuer Arbeitsbegriff, der bezahlte wie unbezahlte Arbeit einschließt (z.B. Erziehung, Betreuung und Pflege, aber auch bürgerschaftliches Engagement);
  3. eine Familienpolitik im Sinne echter "Humanvermögenspolitik", als Querschnittsmaterie mit Wechselbeziehungen mit allen Politikfeldern, welche Familienleistungen gerecht abgilt und Generationengerechtigkeit herstellt ("Jede Generation soll zumindest so viele Lebenschancen haben wie die Generation vor ihr");
  4. eine Vereinfachung des Steuersystems (z.B. Gleichbehandlung aller Einkommensarten durch eine Flat tax mit steuerfreien Existenzminima für jeden Menschen);
  5. eine sinnvolle Weiterentwicklung der Sozialpolitik unter stärkerer Bedachtnahme auf individuelle Eigenverantwortung (z.B. durch präventive Gesundheitspolitik, ein Dreischichten-Modell der Altersvorsorge, Absicherung der Pflege, Hilfe in besonderen Lebenslagen).

Den Proponenten des Bedingungsloses Grundeinkommen seien gute Absichten durchaus zugestanden. Jede Gesinnungsethik muss sich jedoch am ‚Prüfstand‘ der Verantwortungsethik bewähren. Und verantwortungsethisch legen sich andere, menschenwürdige und sozial kompatible Wege und Lösungen nahe.

 

Prof. Günter Danhel war bis 2013 Direktor des Instituts für Ehe und Familie (IEF); er ist derzeit u. a. Co-Geschäftsführer des Beirats der Gesellschaft für Zukunftssicherung und Altersvorsorge - Denkwerkstatt St. Lambrecht.

 

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