Was ist wirklich nachhaltig? Energiegewinnung im Vergleich

Fast täglich erscheinen in den Medien Beiträge, die das Thema Nachhaltigkeit, Ressourcen oder Umwelt berühren. Vor allem Nachhaltigkeit wird dabei inflationär benützt, während Ressourcen oder die Umwelt weniger wichtig erscheinen. Dass zwischen den drei Begriffen ein enger Zusammenhang besteht, wird geflissentlich nicht erwähnt.

Vor einigen Wochen folgte ich einer Einladung, um unter anderem einen Vortrag über Kernenergie zu hören. Das generelle Thema war Nachhaltigkeit. In der ersten Präsentation, die sich mit nachhaltigen Investitionen beschäftigte, wurde der Begriff in einem Ausmaß verwendet, dass ich nach den ersten paar Dutzend "Nachhaltigkeit" mein ohnehin miserables Gehör nicht mehr weiter strapazieren wollte.

Die Medien propagieren, in nachhaltig erneuerbare Energiesysteme zu investieren. Aus ideologischen Gründen strebt die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie der Republik Österreich, Frau Gewessler, einen Prozess an, um Kernkraft aus der Taxonomie zu entfernen. Sie befürchtet, dass Gelder von Privatpersonen nicht für erneuerbare Energiesysteme, sondern in Kerntechnologie eingesetzt werden, die sie – ja, und ein großer Teil der Bevölkerung – als nicht nachhaltig ansehen.

Aber welche Form der Stromerzeugung ist nachhaltig?

Nach Wikipedia ist der Begriff "Nachhaltigkeit" ("sustainable development") bereits rund 300 Jahre alt. Entstanden ist er im 17. Jahrhundert, da damals erstmals die Befürchtung aufgekommen ist, dass es bald an nötigen Ressourcen mangeln wird. Konkret ging es in Sachsen um den Silberbergbau, für dessen Schmelzöfen sehr viel Holz benötigt wurde. Oberberghauptmann Carlowitz hat das Prinzip der Nachhaltigkeit erstmals 1713 schriftlich formuliert. Ursprünglich bedeutet Nachhaltigkeit also, dass nicht mehr Holz gefällt werden darf, als nachwachsen kann. Allgemeiner gesprochen soll der Begriff ausdrücken, dass nicht mehr Ressourcen verbraucht werden dürfen, als sich regenerieren können und als für künftige Generationen bereitgestellt werden können.

Der Auslöser für den inflationären Gebrauch des Begriffs "nachhaltig" war der Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung 1987 mit dem Titel Our Common Future ("Unsere gemeinsame Zukunft"). Der Bericht ist für seine Definition des Begriffs "nachhaltige Entwicklung" bekannt. Dieser wurde besonders in den USA und Kanada in allen Jahresberichten von Bergbau- und anderen Gesellschaften aufgegriffen.

Nachhaltigkeit fand in allen Jahresberichten eine dominierende Stellung, wurde aber zweckentfremdet, war reines "Greenwashing" und diente besonders kleineren Gesellschaften zur Unterstützung des Wertes ihrer Aktien.

Daher sollte der Begriff Nachhaltigkeit bei der Verwendung von Ressourcen untersucht werden.

Die Anwendung des Begriffs Nachhaltigkeit ist diskutabel, und es ist zu überlegen: Wie nachhaltig ist der Verbrauch von Ressourcen, im gegenwärtigen Fall für die Gewinnung von Energie, besonders in Hinsicht auf Photovoltaik, Windkraft und Kernenergie?

Allgemein wird postuliert, Kernenergie ist nicht nachhaltig, da die Ressource Uran oder Thorium endlich sind. Das stimmt insofern, als in ferner Zukunft günstig gewinnbares Uran und Thorium zu Mangelwaren werden. Andererseits stimmt es, dass auch in einigen 1000 Jahren die Sonne noch immer scheint und der Wind noch immer weht, doch das Wesentliche ist, und wird nicht diskutiert oder berücksichtigt, nämlich um Sonnenlicht- oder Windenergie in Strom umzuwandeln, bedarf es Rohstoffen (Ressourcen), die endlich sind. Als Beispiel könnte man ein wesentliches Element herausgreifen, den Rohstoff Indium.

Der Verbrauch von Indium hat in der elektronischen Industrie stark zugenommen. Verwendet wird das Element in Verbindung mit anderen in den Photovoltaik-Paneelen, den Flachbildschirmen sowie den Touchscreens. Die Indium-Ressourcen könnten nach Einschätzung von Forscherinnen und Forschern bis 2035 komplett aufgebraucht sein, falls keine weiteren Zinklagerstätten entdeckt werden, aus denen Indium gewonnen wird.

Andere Rohstoffe sind die Seltenen Erdmetalle, die in den Windkraftwerken erforderlich sind. Oder Rohstoffe, wie Kobalt, Nickel und auch Kupfer für die Fabrikation von Akkumulatoren und Batterien, die zunehmend für die Stromspeicherung gebraucht werden. Sie sind endlich – und damit stellt sich die Frage: Wie nachhaltig ist Windkraft?

Zurück zu Indium: Soll man einen Rohstoff, der bald zur Mangelware wird, zu Stromerzeugung in PV-Paneelen verwenden, wenn Strom auch mit anderen Systemen erzeugt werden kann? Ist das nachhaltig?

Keines der genannten Systeme ist nachhaltig im Sinne von Oberberghauptmann Carlowitz. Denn die Ressourcen sind endlich. Also sollte man jene Industrien fördern, die den geringsten Verbrauch an Ressourcen je erzeugter Energieeinheit haben und die der Umwelt den geringsten Schaden zufügen. Aus einer Untersuchung von Frischknecht (et.al. 1996) ergibt sich, dass der Verbrauch an Eisen für mittels Photovoltaik erzeugtem Strom das Zwanzigfache und an Kupfer das Hundertfünffache je Einheit erzeugten Stroms verbraucht, wenn man diesen Verbrauch mit Kernkraft vergleicht. Ähnlich verhält es sich für Strom, der mittels Windkraft erzeugt wird. Hier wird für Eisen das Siebenundzwanzigfache und für Kupfer das Zweiundsechzigfache im Verhältnis zu durch Kernkraft erzeugten Strom verbraucht.

Ganz wesentlich ist auch der Verbrauch an Landfläche: Vergleichen wir eine Windturbine Enercon 126 mit dem Solarpark Flughafen Wien und dem Atommeiler Temelin. Es wurde der Bedarf an Fläche je TWh erzeugter Energie über die Lebenszeit dazu herangezogen. Daraus ergibt sich, dass verglichen mit dem Kernkraftwerk Temelin die Enercon 126 das Siebzehnfache und der Solarpark Flughafen Wien das 240-fache an Fläche verbraucht.

Von Interesse ist auch das Volumen an Kernbrennstoff: In den fünf schweizerischen Kernkraftwerken, die etwa 50 Prozent des Schweizer Strombedarfs erzeugen, kommen 625 Tonnen Natururan 2 zum Einsatz; sie erzeugen 25 TWh pro Jahr. Wollte man die gleiche Menge mit Solarpaneelen erzeugen, wären dafür 220 Quadratkilometer Fläche notwendig. Eine Fläche um einiges größer als die Fläche von Graz müsste also mit Paneelen bedeckt werden. Bei Windkraft wären 5500 Windkraftwerke mit 2 MW installierter Energie erforderlich.

Was kann daraus geschlossen werden?

  • Erstens: Keines der drei Stromerzeugungssysteme ist nachhaltig im ursprünglichen Sinn.
  • Zweitens: Den geringsten Impact auf Verbrauch von Rohstoffen hat Kernenergie.
  • Drittens: Kernenergie belastet am wenigsten die Umwelt.
  • Viertens: Österreich kann nie energieautark werden, es hat nicht die dazu nötigen Ressourcen.

 

Dr. Gerhard Kirchner ist Bergingenieur und liebt die Umwelt.

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