Staatsbürgerschaft im Flug: Ein Wiener (Partei-)Sittenbild

Bei einer "Wiener Konferenz"  der SPÖ-Wien in Floridsdorf hat sich Bürgermeister Michael Ludwig für einen "erleichterten Zugang zur Staatsbürgerschaft" ausgesprochen. Ein "kleiner Parteitag" soll demnächst eine "Charta der Demokratie" beschließen. Offensichtlich steht die bisherige Demokratie in Österreich auf wackeligen Beinen.

Aber der Herr Bürgermeister hat schon "weitergedacht". In aller Welt ("global") sei "die Demokratie heute so umkämpft wie nie zuvor", folglich müsse man sich "darüber Gedanken machen, wie die demokratischen Prozesse neugestaltet werden können". Soweit das politische Schlagobers auf dem Kuchen neue Wählerstimmen, wie dessen Pudels Kern lautet. "Viele, die hier leben, dürfen nicht wählen, weil sie nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen."

Weil aber das Bundesland Wien die gesetzliche Bindung des Wahlrechtes an die (bisherige) Staatsbürgerschaft nicht in Eigenregie ändern kann, wird ein "modernes Staatsbürgerinnenschaftsrecht" (beim Gendern ist die Partei bereits als global mitläufig) gefordert, das die "politische Teilhabe einfacher ermöglichen soll". Somit opponiert Wien als Mutterland aller jetzigen und künftigen "Geflüchteten" gegen das alte Vaterland "Österreich", dessen Gesetze noch bis übermorgen gelten sollten, und der bekannte Spruch "Der Fisch beginnt vom Kopf her zu stinken" hat eine neue Dimension gewonnen.

Aber nicht nur steht Wien gegen den "Bund", auch alte "Rote" stehen nun gegen neue "Rote", denn die neue "Wiener Demokratie" wird gewiss nicht bei allen angestammten Parteigenossen auf Gegenliebe stoßen.

Dennoch ist die basissozialistische Kampfansage unerschütterlich und klar: "Hürden durch Gebühren, Einkommensgrenzen und Aufenthaltsdauer" sollen verändert werden. Man könnte glauben, Wien stehe wieder am Beginn des vorigen Jahrhunderts, knapp vor dem Ersten Weltkrieg, als der Bourgeoise ein Kampf auf Siegen und Brechen angesagt wurde.

Um den Refrain eines alten Wienerliedes zu paraphrasieren: Es wird kein Wien mehr sein, aber die Partei wird immer sein . . .  ("Es wird a Wein sein, und wir wean nimmer sein. . .") – oder auch nicht, denn die "Wiener Konferenz" ist ein bereits arg geschrumpfter Parteitag. Am letzten SPÖ-Wien-Landesparteitag hat man eine Statutenänderung beschlossen. Das große Gremium mit 1.000 Delegierten soll nur mehr alle zwei Jahre tagen, und "in der Zwischenzeit" soll die nochmals "Wiener Konferenz" genannte Konferenz mit nur noch 400 Delegierten tagen.

Kein Grund für die jungen Roten (SJ und VSStÖ) nicht noch weiter vorauszudenken als es der Bürgermeister des regierenden roten Establishments tut: Sie fordern eine Entkoppelung von Staatsbürgerschaft und Wahlrecht. "Menschen, die seit drei Jahren ihren Lebensmittelpunkt in Österreich haben, sollen ihr ("demokratisch legitimes") Wahlrecht erhalten." (Fluchturlaub nach Pakistan oder Marokko wird möglich.)

Die anderen Altparteien im verschwindenden Wien mauern aber noch. Die Wiener ÖVP erklärt: "Die aktuellen Forderungen der Wiener SPÖ, das Staatsbürgerschafts- bzw. das Wahlrecht aufzuweichen, sind völlig verantwortungslos und daher klar zurückzuweisen." Die Wiener SPÖ habe nichts aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Sie setze "die Willkommenspolitik zulasten der Wienerinnen und Wiener fort." Sie missdeute den starken Anstieg an Staatsbürgerschaftsanträgen in Wien als außerordentlichen Kampf um künftige Wählerstimmen.

Ein FPÖ-Mandatar spricht von einer "Provokation der Sonderklasse". Die "durchgeknallten Forderungen der SPÖ" müssten gestoppt werden. "Während Asylantenbanden Straßenschlachten veranstalten, Frauen vergewaltigen und wir derzeit mit einer Flut von illegalen Sozialmigranten konfrontiert sind, fällt dem Bürgermeister nichts anderes ein, diesen Personen auch noch die österreichische Staatsbürgerschaft zu schenken. . ."

Und ein ÖVP-Mandatar ergänzt: "Angesicht der dramatisch hohen Asylzahlen hätten lasche Staatsbürgerschaftsregeln verheerende Konsequenzen, indem ein weiterer Pullfaktor geschaffen werde." Die Wiener Sozialdemokraten planen "Masseneinbürgerungen".

Fazit: Anfangs warf man mit Teddybären auf Flüchtlinge, jetzt mit Papierfliegern, die sich im Flug in Staatbürgerschaften verwandeln.

 

Leo Dorner ist ein österreichischer Philosoph.

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