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Die Verlogenheit unserer westlichen Gesellschaften ist schwer zu ertragen

Ich gestehe, ich bin ein Fußballturnierfan. Sprich, ich genieße mit großer Freude und oftmals sogar Begeisterung alle zwei Jahre die Europa- beziehungsweise Weltmeisterschaften in dieser Sportart. Natürlich im Fernsehen. Heuer findet dieses Turnier im November und Dezember statt. Und in Katar. Das ist seit einigen Jahren bekannt, die große Betroffenheit ob eines der europäisch-amerikanischen Weltethik unwürdigen Austragungsortes hat die üblichen Betroffenen aber erst in den letzten Tagen so richtig erwischt.

Einige europäische Teams wollten auf den – jedenfalls und bei jeder guten Gelegenheit kritisierenswerten – Umstand, dass in Katar Homosexualität verboten ist, mit einer »One-Love-Armbinde« im Regenbogendesign hinweisen und damit eben ein Zeichen gegen Intoleranz in Fragen sexueller Ausrichtung setzen. Die Fifa, der Weltfußballverband, Lieblingsfeind vieler aufrechter Großmoralisten, hat das mit Turnierbeginn nochmals explizit verboten und bei Zuwiderhandeln mit hohen Strafen und einer sofortigen gelben Karte für jeden, der mit einer solchen Armbinde aufläuft, gedroht.

Die bundesdeutschen Nationalspieler, neuerdings sprachpolizeilich korrekt entnazifiziert wie -wurzelt bloß als »Die Mannschaft« bezeichnet (gendergerecht ist das aber nicht, meine Herr*innen!), haben dann beim obligaten Mannschaftsfoto vor dem Spiel gegen Japan in einer beeindruckend gratismutigen Geste alle eine Hand vor den Mund gehalten. Und mit diesem Ausdruck moralischer Überlegenheit sicher alle Katarer fasziniert.

Gestartet ist »die Mannschaft« übrigens in Deutschland mit einer extra im One-Love-Design umgestalteten Lufthansa-Maschine. Gelandet ist man dann in Katar mit einem anderen, neutral lackierten Flugzeug. Buchungstechnische Notwendigkeiten hätten das so ergeben, so die deutliche Botschaft der Pressestelle des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).

Nicht mit einer gelben Karte bedroht und damit freier in ihrer Ausdrucksfähigkeit war die bei diesem Spiel anwesende Innenministerin Nancy Faeser. Die in ihrem Land für das Einhalten von Regeln verantwortliche Politikerin trug während des Spiels tapfer eine One-Love-Armbinde zur Schau. Wahrscheinlich stand sie noch im Eindruck des Besuchs eines ihrer Regierungskollegen in Katar vor wenigen Monaten, als dieser bei der dortigen Regierung um umfangreiche Gaslieferungen bat. Robert Habeck, mittlerweile ganz im Vizekanzleramt angekommen und daher meist im Slimfitanzug unterwegs, soll bei dieser Geschäftsanbahnung mit der Regierung Katars keine One-Love-Armbinde getragen haben.

Der Rewe-Konzern, in Österreich hauptsächlich mit den Marken Billa, Penny, Adeg und Bipa am Markt, hat seinen Sponsorvertrag mit dem DFB vorzeitig und mit sofortiger Wirkung auslaufen lassen, weil er die One-Love-Armbindenlosigkeit nicht »weiter mittragen konnte«; es würde auf alle schon bezahlten Werbeauftritte verzichtet. Dass die ausführlichen Medienberichte über diese moralische Sattelfestigkeit des deutschen Handelskonzerns alleine in der letzten Woche deutlich mehr an Werbewert für Rewe darstellten – der Werbevertrag wäre am 31. Dezember dieses Jahres ausgelaufen –, stößt die Marketingverantwortlichen dort hoffentlich nicht allzu sehr vor den Kopf.

Ich halte die genannten Beispiele für eine wunderbare Illustration der nicht enden wollenden Verlogenheit unserer Zeit. Selbstverständlich habe ich mit muslimisch dominierten Gesellschaften ein großes Problem. Mir sind mit Ausnahme des Kosovos kaum muslimische Mehrheitsgesellschaften bekannt, die auch nur annähernd mit unseren demokratischen Standards mithalten können. Aber politische Botschaften haben im Sport wenig zu suchen, noch dazu solch überhebliche.

Mir erscheinen solcherart Belehrungen kontraproduktiv und ungeeignet, die Lage der Menschen in Katar besser zu machen. Vor allem aber ist die Geste der Deutschen geradezu eine Verhöhnung der wirklich wichtigen Botschaft eines anderen Teams. Die Iraner haben allesamt beim Abspielen ihrer Hymne nicht mitgesungen. Um auf die aktuell fürchterlichen Zustände in ihrer islamischen Theokratie hinzuweisen. Diese Spieler riskieren ihre Karriere, ihre Freiheit und die ihrer Familien.

Das ist echter Mut, der unseren Respekt verdient! Und es ist ein Hoffnungsschimmer für eine freie Welt.

 

Christian Klepej ist Unternehmer und gibt in Graz das Monatsmagazin Fazit heraus. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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