Bundespräsident: Wahl, Wiederwahl und ein Konstruktionsfehler

Die Wahl des Bundespräsidenten: Auf den ersten Blick – besonders bei einem Blick auf die Wahlplakate – eine Wahl wie so viele andere. Kandidaten mit nahezu gewohnten optischen Hintergründen, aber doch anderen Zusätzen. Denn sie preisen nicht Eigenschaften und Tugenden wie bei Gemeinde-, Landtags- und Nationalratswahlen an, sondern das, was sie als Staatsoberhaupt machen wollten. Das soll nur mit dem Hinweis kommentiert werden, dass der Bundespräsident in der Regel nur auf Antrag eines oder mehrerer Bundesminister tätig werden kann.

Aber trotz der Allerweltsplakate handelt es sich um eine besondere Wahl, nämlich die einer Einzelperson und nicht eines Kollegiums, und diesmal überdies um eine Wiederwahl. Das findet sich nur in manchen Bundesländern bei der Wahl des Bürgermeisters, allerdings neben der eines Kollegiums, nämlich des Gemeinderats. So sticht die Volkswahl des Bundespräsidenten doch besonders hervor, zumal sie nicht selbstverständlich ist.

Dies zeigt gerade die Entwicklung in Österreich. In der Geburtsstunde unserer Republik ab dem Oktober 1918 wurden einige Funktionen des Staatsoberhaupts von einem Dreierkollegium ausgeübt. Dieses Staatsratsdirektorium war identisch mit den drei Präsidenten der Provisorischen Nationalversammlung. Dies erinnert entfernt an die DDR mit dem Staatsrat, für den sein Vorsitzender, etwa Erich Honegger, auftrat.

In Österreich überließ man diese Aufgabe schon 1919 einer Einzelperson, dem Präsidenten der Nationalversammlung. Doch auch dies bewährte sich offenbar wegen der Aufgabenkumulation nicht. Die Bundesverfassung 1920 schuf ein eigenes Amt des Staatsoberhauptes, den Bundespräsidenten. Seinen geringen Befugnissen entsprach seine geringe Legitimation: Wahl durch die Bundesversammlung, gebildet aus den Abgeordneten zum Nationalrat und den Mitgliedern des Bundesrates. Dies finden wir heute in der Bundesrepublik Deutschland bei allerdings anderer Zusammensetzung des Bundesrates.

Der innenpolitischen Turbulenzen der Zwischenkriegszeit wegen wertete eine Novelle zur Bundesverfassung 1929 das Präsidentenamt erheblich auf. Vor allem oblag ihm nun die Ernennung der Bundesregierung, die bisher vom Nationalrat gewählt worden war. Auch erhielt er unter anderem ein Notverordnungsrecht. Aber dieses liegt eingebettet in die Mitwirkung der Bundesregierung und des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses des Nationalrats – und ist nie angewendet worden. Die Bundesregierung bedarf einer Mehrheit im Nationalrat.

Die nun größere Amtsfülle sollte von einer höheren Legitimation getragen sein, nämlich der Volkswahl. Allerdings verlängerte man seine Amtszeit zufolge der fortdauernden innenpolitisch unerquicklichen Situation durch Gesetz.

Nicht zur Verwirklichung kamen die Regeln der autoritären Ständeverfassung 1934:  Aus einem Dreiervorschlag der Bundesversammlung sollten sämtliche Bürgermeister – in der Stephanskirche  zu Wien – den Bundespräsidenten wählen, wobei jenem der Stadt Wien ebenso bloß eine Stimme zugekommen wäre wie dem der kleinsten Gemeinde.

Die Bundespräsidentenwahl im angespannten Nachkriegsherbst 1945 erfolgte dann doch wieder durch die Bundesversammlung. Erstmals durch das Volk wurde 1951 Theodor Körner gewählt.

Die Volkswahl ist also keineswegs selbstverständlich gewesen. Sie blieb überdies weiterhin nicht unkritisiert. Es verleihe die Volkswahl dem Staatsoberhaupt nicht unbedingt eine demokratische Legitimation, denn als Einzelperson vermag ihn nur ein Teil der Wählerschaft zu legitimieren. Was natürlich desto mehr geschieht, je zahlreicher die auf ihn entfallenden Stimmen sind.

Tatsächlich wurden nur wenige Präsidenten mit einer beeindruckenden Mehrheit gewählt. Kommt es zu einer Stichwahl, bedeutet dies, dass beide Kandidaten im ersten Wahlgang jeweils nur unter 50 Prozent der abgegebenen Stimmen erreicht haben. Anders betrachtet: Weniger als die Hälfte des Wahlvolks schickt jeden Kandidaten in den zweiten Wahlgang. Und die nun entscheidenden zusätzlichen Wähler geben ihre Stimme für das kleinere Übel ab, da sie ja im ersten Wahlgang für einen anderen Kandidaten gestimmt hatten – unveränderte Wahlbeteiligung vorausgesetzt, denn bei einer niedrigeren als im ersten Wahlgang, also bei einer hohen Stimmenthaltung, kann passieren, dass der nunmehr Gewählte eine Legitimation von unter 50 Prozent der Wahlberechtigten besitzt.

In der Wiederwahl besitzt der amtierende Präsident einen monopolartigen Vorsprung vor seinen Mitbewerbern. Nur sein Auftreten kann von der Würde des Amtes mitgetragen sein. Seine Absenz im Wahlkampf mag in seinen Amtsgeschäften begründet sein, was aber seine besondere Wahlkampfposition bestärkt. Anders als seine Mitbewerber vermag nur er durch allerlei präsidiales Handeln auf sich aufmerksam zu machen.

Ebenso erinnert der Wahlkampfslogan "Unser Präsident" nur an ihn. Und als Beruf kann nur er auf der Kandidatenliste angeben "Bundespräsident". Dazu kommt der unbestrittene sachliche Vorteil seiner sechsjährigen Amtserfahrung. Und selbst massive Kritiken seiner politischen Gegner dürften nicht so sehr ins Gewicht fallen. Denn diese hätten doch sonst ein Amtsenthebungsverfahren, das die Bundesverfassung sehr wohl vorsieht, aber höchst kompliziert ist, zumindest als politische Aktion in den Raum stellen können.

Logisch gedacht: Wer wie die im Nationalrat vertretenen politischen Parteien diese Möglichkeit besitzt, bräuchte keinen Gegenkandidaten aufzustellen. Warum also, so mag sich mancher denken, den Amtsinhaber nicht wiederwählen, das heißt "ihn" zu verlängern, da er ja offenbar nicht gar so schlecht amtierte.

Jedenfalls zeigt sich hier ein Konstruktionsfehler der Bundesverfassung, der bei Einführung der Volkswahl 1929 offenbar nicht bedacht worden war. Die Wiederwahl sollte besser – ähnlich wie die Erstwahl – erst nach Ablauf der Amtsperiode stattfinden. Der Ex-Präsident träte dann ohne formelle Präsidentenwürde zur Wahl an und könnte dennoch plausibel auf seine bisherige Erfahrung verweisen.

Diese Überlegungen zur Wiederwahl wären gegenstandslos, falls sie gar nicht möglich wäre. Es sei an Vorschläge zu einer acht- statt sechsjährigen Amtsperiode unter Entfall der Wiederwahl erinnert. Dies gliche im Ergebnis der Zwischenkriegszeit, als die beiden Bundespräsidenten bei vierjähriger Amtsperiode stets wiedergewählt worden waren.

o.Univ.-Prof.em. Dr. Wilhelm Brauneder war Abgeordneter zum Nationalrat (FPÖ) und Dritter Nationalratspräsident.

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print




© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung