Justizministerin Alma Zadic hat ein Konzept für eine weisungsunabhängige Staatsanwaltschaft präsentiert. An der Spitze der öffentlichen Anklage soll in Zukunft nicht mehr der Justizminister, sondern ein Generalstaatsanwalt stehen. Dessen Behörde soll in der Form von Dreier-Senaten Entscheidungen treffen. Das Konzept soll nun politisch zwischen den Parteien akkordiert werden. Ein langwieriger Prozess steht bevor, weil mit einer solch neuen Organisationsstruktur die Verfassung zu ändern und somit eine Zweidrittel-Mehrheit im Parlament erforderlich ist.
In der 1970er Jahren war die Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte ein brennendes politisches Problem. Überall wurde gemunkelt, dass die Justizminister der sozialistischen Regierungen ihren Staatsanwälten zweifelhafte Weisungen geben. Manch einem Sohn eines prominenten Roten soll so ein Verfahren wegen Drogenmissbrauchs erspart geblieben sein. Dass sich der Fall Lucona, die 1977 versenkt wurde, so lange zog, wurde auch mit der Weisungskette in Verbindung gebracht.
Allerdings: Seit das Weisungswesen Anfang des Jahrtausends aus dem Dunkel herausgetreten ist und alle Weisungen des Justizministeriums jährlich zu veröffentlichen sind, hat sich das Problem praktisch erledigt.
Als jedoch ÖVP-Leute Justizminister geworden sind, haben die Vertreter der Staatsanwälte im Verein mit eher links gesinnten Medien starken Druck Richtung Unabhängigkeit aufgebaut.
In der Öffentlichkeit wurde der Eindruck erzeugt, als leide die Anklagebehörde unter dem Weisungsrecht der ÖVP-Minister. In Wirklichkeit war das Gegenteil der Fall: Die ÖVP-Minister haben sich nicht getraut, mit Weisungen in laufende Verfahren einzugreifen. Peinlich war etwa das Verhalten von Josef Moser als Justizminister, der im Zuge des BVT-Verfahrens öffentlich Freude zeigte, sich nicht eingemischt zu haben. Das Ergebnis war bekanntlich, dass die BVT-Hausdurchsuchungsbefehle vom Oberlandesgericht großteils als rechtswidrig erkannt wurden, das BVT politisch zerschlagen wurde und schließlich strafrechtlich nichts hängen blieb. Für die Beschuldigten hieß es wieder einmal: außer Spesen nichts gewesen.
Schließlich hat die ÖVP, deren juristische Flanke seit Jahren offen ist, nachgegeben und eine prinzipielle Bereitschaft zur Neustrukturierung der Weisungsspitze erklärt.
Viele Menschen betrachten die WKStA als eine Art Staat im Staate. Sie sehen daher die Gefahr, dass sich diese Tendenz ausweiten könnte, wenn die gesamte Staatsanwaltschaft aus der Verwaltung gelöst wird. Den Fragen des Bestellungsmechanismus einerseits und der Kontrollmöglichkeiten andererseits wird daher entsprechendes Augenmerk zu geben sein.
Wenn man die Staatsanwaltschaft stärkt, sollte man auch darüber nachdenken, die Beschuldigtenrechte zu stärken. Das brennendste Problem sind heutzutage die überlangen Strafverfahren, die oft den ökonomischen und zivilen Tod der Beschuldigten bedeuten. In den Vereinigten Staaten besteht als Ausfluss des Grundsatzes eines fairen Verfahrens ein Anspruch des Beschuldigten auf einen beschleunigten Prozess, ein sogenanntes Speedy trial. Wenn nicht innerhalb einer bestimmten Zeit das Verfahren zu Ende geführt wird, ist es einzustellen. Die Ankläger haben daher einen Anreiz, in kurzer Zeit Anklage zu erheben, die Beschuldigten können sich schneller wieder ihrem Fortkommen widmen (und sei es nach einer verbüßten Haftstrafe).
Die ÖVP wäre gut beraten, ihre Zustimmung zur neuen Organisationsstruktur der Staatsanwaltschaft mit der Bedingung zu verknüpfen, dass auch in Österreich der Anspruch auf ein Speedy trial samt den entsprechenden Verjährungsfolgen eingeführt wird.
Georg Vetter ist Rechtsanwalt, Vorstandsmitglied des Hayek-Instituts und Präsident des Clubs Unabhängiger Liberaler. Bis November 2017 ist er in der ÖVP-Fraktion Abgeordneter im Nationalrat gewesen.