Die Idee eines »bedingungslosen Grundeinkommens« nimmt die gesellschaftspolitische Diskussion seit Jahren immer wieder ein. Als konservativer Mensch, der dem Credo der bezahlten Arbeit als sinnstiftender Tätigkeit des Menschen jedenfalls nachhängt, kann ich mir im Grunde nicht vorstellen, wie das funktionieren soll. Es hat ja (wohl ausschließlich in Europa) auch schon (wohl untaugliche) Feldversuche dazu gegeben, alle waren nicht annähernd von Erfolg gekrönt.
Unlängst hat sich der Grazer Wirtschaftswissenschafter Michael Steiner damit beschäftigt und in der "Kleinen Zeitung" ausführlich dargelegt, dass es . . . recht kompliziert ist. Insgesamt reißt er übersichtlich die wichtigsten Umsetzungsfragen auf, offen bleibt eine eindeutige Position von ihm, ob er jetzt für oder gegen dessen Einführung ist. Die wesentliche Frage in dem Zusammenhang hat er aber wunderbar auf den Punkt gebracht: »Was soll damit hinsichtlich des Stellenwertes von Arbeit und Beschäftigung erreicht, welche grundsätzliche Vorstellung von Gerechtigkeit und Verteilung damit verwirklicht werden?«
Das ist des Pudels Kern, denn noch bevor wir uns mit der Umsetzung ernsthaft auseinandersetzen können, muss diese Frage in wenigstens groben Zügen beantwortet werden.
Mir erscheinen die meisten Anhänger des Grundeinkommens viel zu sehr von einer neokommunistischen (also trendigen) Vision geprägt zu sein, und von der Vorstellung einer schönen Welt, in der jeder genau das hat, was er selber braucht. Und in der jeder, der mehr zu haben scheint, als es der Visionär zu brauchen glaubt, ein Verdächtiger ist. Eine ähnliche Moralklasse also wie die, in der Marlene Engelhorn zuhause ist.
Die Millionenerbin – wieviel Millionen es genau sind, wird aus welchen Gründen auch immer von ihr geheim gehalten, jedenfalls will sie »davon« 90 Prozent spenden – empfindet es nämlich als »unfair«, in der »Geburtslotterie gewonnen« zu haben und möchte vom Staat besteuert werden.
Und wie das bei den Guten so die Regel ist, möchte sie natürlich zudem, dass der Staat das auch bei allen anderen Vermögen so macht. Sprich, sie will eine der Enteignung gleichkommende (weil sonst bringt der Aufwand nichts) und mit ungeheurer Schnüffeltätigkeit des Finanzamtes einhergehende (weil sonst die Kunstwerke am Dachboden oder der Schmuck im Keller nicht erfasst würden) Erbschaftssteuer. Diese würde zahlreiche Familienunternehmen und deren Kapitalstruktur – soferne es nicht schon sinnvollerweise in Stiftungen eingebracht ist – im Erbfall in große Kalamitäten bringen. Das wird Marlene Engelhorn nicht weiter interessieren, wäre sie wirklich an einer karitativen Mission und nicht an der Verbesserung der Welt interessiert, hätte sie schon lange 90 Prozent von den »vielen Millionen« einer sozialen Einrichtung überlassen können.
Und diese Erbschaftssteuern – natürlich Hand in Hand mit ebenfalls einzuführenden Vermögenssteuern – wären dann der Boden, auf dem ein Grundeinkommen gedeihen könnte. In der einfachen Welt der guten Menschen. Problem dabei: Die Millionen Engelhorns, die weggesteuert werden, bleiben weg. Sie stehen nicht mehr zur Verfügung, um damit – wie das die bösen Unternehmer oder die noch böseren super-erfolgreichen Musks und Konsorten machen – neues Kapital (etwa zur gesicherten Finanzierung eines Grundeinkommens) zu generieren.
Ich meine, wir sollten das bedingungslose Grundeinkommen aus dieser »Gemeinwohldenke« herausnehmen. In einem Gespräch mit Richard David Precht (für das aktuelle "Fazit") konnte ich seine Position dazu ausführlicher kennenlernen. Und die erscheint weder haltlos, noch bloß sozialromantisch motiviert. Precht sieht das bedingungslose Grundeinkommen als schlichte Notwendigkeit einer Gesellschaft, die durch immer mehr Automatisierung und Digitalisierung immer weniger an menschlicher Arbeitskraft braucht. Precht stellt auch nicht den Stellenwert der Sinnstiftung von Erwerbsarbeit in Frage, was mir besonders gut gefallen hat. Er sieht eine Übergangszeit von mindestens 20 Jahren hin zu einer möglichen Einführung.
Das wäre einmal eine Aufgabe für die Europäische Union: Alle Geisteskraft Europas zu bündeln und ein sinnvolles Modell auszuarbeiten. Nur weil ich Konservativer es mir schwer vorzustellen vermag, so ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte ja trotzdem ein zivilisatorischer Fortschritt sein. Den Versuch wäre es wert.
Christian Klepej ist Unternehmer und gibt in Graz das Monatsmagazin Fazit heraus. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.