Wieder ein Schulmassaker in den USA – und warum das mit dem Waffengesetz nichts zu tun hat

Wieder ist es in den USA zu einem Massaker an einer Schule gekommen. Die Reaktionen darauf laufen ab wie immer: Ehe noch geklärt ist, was den queeren Täter zu seiner Untat getrieben hat, wird kolportiert, dass ein angeblich zu laxes Waffengesetz daran schuld sei. Derartige Untaten lassen die Emotionen hochgehen und Kopfargumente zugunsten von Gefühlsregungen zurücktreten. Zudem eignen sich tote Kinder immer dazu, politisch verwertet zu werden. Der Zynismus kennt hier keine Grenzen. Schon fließen Krokodilstränen der US-Demokraten in Strömen.

Für gesetzestreue Bürger und Waffenbesitzer ist das Thema naturgemäß besonders herausfordernd, weil sie ja, und das vielfach schon seit Jahrzehnten, erleben müssen, dass via Waffengesetz regelmäßig auf die Falschen einprügelt wird – nämlich auf jene Zeitgenossen, die sich stets an alle Gesetze gehalten und schon viele (durchwegs mit Logik nicht zu erklärende) Bocksprünge des Gesetzgebers brav mitgemacht haben, die allesamt zu ihren Lasten gingen und mit Sicherheit niemals ein Verbrechen verhindert haben. Zur Sache:

1.) Die Verwendung korrekter Begriffe bildet die Basis jeder seriösen Diskussion. In so gut wie allen Nachrichten zum Thema war von "Sturmgewehren" die Rede, die vom Täter angeblich ohne weitere Probleme legal erworben werden konnten. Im Zusammenhang mit diesem oder anderen vergleichbaren Bluttaten über "Sturmgewehre" ("Assault Guns") zu berichten, ist indes eine gatte Desinformation durch ahnungslose oder böswillige Journalisten. Sturmgewehre sind in den USA (wie auch hierzulande) für Zivilisten nicht auf legalem Weg erhältlich. Es handelt sich vielmehr um zivile, halbautomatische Büchsen, die nur so aussehen wie ihre militärischen (vollautomatischen) Verwandten. Natürlich kann man, wie im aktuellen Fall, auch mit halbautomatischen Waffen Blutbäder anrichten. Das ist allerdings auch mit 150 Jahre alten Vorderladerevolvern oder mit Macheten möglich (man denke an die Ereignisse in Ruanda im Jahr 1994).

Gesetzestreue Bürger, die halbautomatische Büchsen besitzen, werden es – zurecht – unerhört finden, wenn ihnen nun der Gesetzgeber ihr Eigentum deshalb streitig machen wollte, weil ein Irrer mit vergleichbaren Waffen Unheil gestiftet hat. "Abusus non tollit usum" (Der Missbrauch hebt den rechten Gebrauch nicht auf) ist ein Rechtsgrundsatz, der aus gutem Grund schon in der römischen Antike galt. Man darf die Gesetzgebung daher nicht auf Verrückte ausrichten, die ohnehin nicht gestoppt werden können. Sollte, weil einer mit seinem Porsche mit 250 km/h durch eine Innenstadt rast, der Erwerb derartiger Fahrzeuge tatsächlich verboten werden – und würde sich dadurch etwas zum Besseren wenden?   

2.) Gerade der vorliegende Fall (wie auch vorangegangene Schulmassaker) sind weniger laxen Waffengesetzen, sondern vielmehr einem hundertprozentigen Staatsversagen geschuldet. Immerhin haben bereits vor Ort befindlichen Polizeieinheiten den Täter ganze 45 Minuten lang unbehelligt gewähren lassen, ehe sie einschritten. Es zeigt sich überdeutlich, dass der Staat seine Bürger entweder nicht vor derartigen Gewalttaten schützen kann oder es nicht will. Am allerwenigsten übrigens in sogenannten und bei Medienvertretern und Politikern so beliebten "waffenfreien Zonen". Es scheint niemandem aufzufallen, dass Massaker niemals auf Schießplätzen stattfinden, wo jedermann bewaffnet ist, sondern immer dort, wo der Angreifer sicher sein kann, auf keine Gegenwehr zu treffen. Augenscheinlich ist es eine Illusion zu glauben, die Polizei würde irgendjemandes Sicherheit gewährleisten. Im Fall der Fälle, gleich wo kriminelle Energie entfaltet wird, ist garantiert kein Polizist da, um einzugreifen. Der ist nämlich mit großer Wahrscheinlichkeit gerade damit beschäftigt, Legalwaffenbesitzer zu überprüfen, Jagd auf Falschparker zu machen oder Maskenverweigerer zu drangsalieren.

Gewaltverbrecher ihrerseits sind nicht an einer Konfrontation mit bewaffneten Gegnern interessiert, sondern daran, möglichst wehrlose Opfer vorzufinden. Die Waffe in der eigenen Hand ist in Fällen einer Konfrontation mit aggressiver Gewalt daher die einzige Hilfe – wenn man nicht gerade Bruce Lee heißt, der sich auch mit bloßen Händen und Füßen helfen könnte. Die Waffe in der Hand des Rechtschaffenen gleicht den Vorteil des Verbrechers infolge Überraschung oder körperlicher Überlegenheit aus.

3.) Die in einer Gesellschaft herrschende Gewalt ist kein mit dem legalen Zugang zu Schusswaffen korrelierendes Phänomen: Nicht Waffen, sondern Menschen töten. Sind aufgrund restriktiver Waffengesetze auf legalem Weg keine Schusswaffen zu bekommen, tun es auch Messer, Äxte, Macheten und die bloßen Hände. Oder man besorgt sich das Schießzeug auf illegalem Weg (wie das der muslimische Verbrecher getan hat, der vor zwei Jahren in der Wiener Innenstadt gewütet und mit einem vom Balkan stammenden AK-47 vier Menschen getötet hat). 80 Prozent aller in Österreich verübten Bluttaten werden übrigens mit Messern begangen – ohne dass jemand daran denkt, dem Erwerb dieser Tatmittel administrative Hürden entgegenzusetzen.

Würde die Zahl der in Privathand befindlichen Waffen tatsächlich der Gewalttätigkeit Vorschub leisten, wie das die Waffen-weg-Fraktion stereotyp behauptet, dann müsste es in der Schweiz ständig Feuergefechte geben. Das ist in diesem europäischen Land mit der höchsten Dichte an Zivil- und Militärwaffen in Privathand, aber nicht der Fall.

4.) Gesetze schaffen keine Sicherheit vor Gewalt – niemals und nirgendwo. Gerade unter Bürgerlichen ist der bedingungslose Glaube an staatliche Regeln weit verbreitet, deswegen aber nicht weniger falsch. Das "Mindset" – die in einem Land gelebte Kultur – ist allein für die herrschenden Zustände bestimmend, und die ist unabhängig von den geltenden Gesetzen. Man kann in Afghanistan, im Gazastreifen oder in Nigeria so viele Gesetze erlassen, wie man will – das wird an der katastrophalen Sicherheitslage dortselbst nichts ändern. Einfach, weil die dort lebenden Individuen es offensichtlich nicht anders wollen.

Griechenland ist seit seiner Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich ein korrupter Failed State. Dagegen ist auf gesetzlichem Wege nichts zu machen. Es wird sich dort, wie etwa auch in Süditalien, nichts ändern, ehe sich nicht die Einstellung der Bürger zueinander und zur Gesellschaft ändert. Jedenfalls führt die Verabschiedung von Gesetzen nicht dazu, den erwünschten Zustand schlagartig eintreten zu lassen.

5.) Jedes Gesetz bedeutet eine Umverteilung von Macht vom Bürger an den Leviathan und einen Freiheitsverlust für den Bürger. Jeder Polizeiminister träumt davon, dass seine Büttel die einzigen sind, die Waffen tragen. In der Geschichte war Waffenbesitz aber stets ein selbstverständliches Attribut des freien Bürgertums. Zur Kaiserzeit gab es weder in Österreich noch im Deutschen Reich Waffengesetze. Jeder konnte sich besorgen, was er wollte (das galt übrigens auch für heute streng verbotene Drogen!).

Seither ist – nach einer Unzahl von Gesetzesnovellen, die den privaten Waffenbesitz immer weiter einschränkten – nichts besser geworden. Wir leben heute eben nicht sicherer als anno 1900. Kaiser Franz-Joseph konnte in der offenen Kutsche – und ohne Eskorte – ungefährdet von Schönbrunn in die Wiener Hofburg fahren. Die heute regierenden Machthaber fahren in von den Steuerzahlern bezahlten, gepanzerten Limousinen. Sagt das nicht alles?

6.) Nach einem Schulmassaker wie dem soeben in den USA geschehenen steht jedermann auf so gut wie verlorenem Posten, der für freien Privatwaffenbesitz eintritt. Die Erkenntnis, dass – nicht nur im politischen Geschäft – rationale Überlegungen von Emotionen geschlagen werden, ist nicht neu. Deprimierend ist nur, dass über eine weitere Ausweitung der Staatsmacht im Zuge einer restriktiveren Waffengesetzgebung ausgerechnet diejenigen am lautesten applaudieren, deren Freiheit in gleichem Maße scheibchenweise abgeschafft wird.

Denn nicht nur Waffenbesitzer sind eine ungeliebte Minderheit. Jeder Bürgerliche gehört auf die eine oder andere Weise einer Minderheit an: Als Unternehmer, als Nettosteuerzahler, als Grund- oder Mercedesbesitzer, als Sportflieger, etc. Derlei Minderheiten sind in der zeitgenössischen Form der Demokratie stets gefährdet, da die (besitzlose) Mehrheit jederzeit gegen ihre Interessen mobilisiert werden kann.

Der Staat ist nicht der Freund der genannten Minderheiten – ganz sicher nicht. Fazit: Je weniger Macht ihm über die Bürger zugestanden wird, desto besser. Allein dem Staat das Recht zu überlassen, Waffen zu besitzen, ist autodestruktiver Irrsinn. Daran ändert ein Schulmassaker nicht das Geringste. Die genialen Schöpfer der US-Verfassung haben das erkannt und mit dem "Zweiten Verfassungszusatz" entsprechend vorgesorgt. In der obrigkeitssüchtigen und staatsverliebten Alten Welt ist das – außerhalb der Schweiz und Tschechiens – leider anders.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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