Wann ist eine Stadt hässlich? - Ist Wien eine hässliche Stadt?

Über Geschmack lässt sich bekanntlich trefflich streiten, dennoch gibt es einige Kriterien, warum wir eine Stadt als schön beziehungsweise hässlich empfinden. Die geografische Lage spielt sicher eine große Rolle. Rio de Janeiro wird als schön empfunden, weil es an einer großen Bucht mit markanten Bergen und netten Inseln liegt. Das lässt einen so manches Elendsviertel vergessen. Wien liegt zwar an der Donau, die aber keine so zentrale Rolle spielt wie die Seine in Paris oder die Themse in London.

Grandiose Bauten, deren Bild einen sofort die Stadt erraten lässt, tragen ebenfalls dazu bei, eine Stadt als schön zu betrachten. Wien hat eine Reihe von schönen Gebäuden, die aber kein Alleinstellungsmerkmal wie der Eifelturm oder Big Ben haben.

Ist Wien nun eine schöne Stadt oder gar die schönste? Als lebenswerteste wird sie allemal bezeichnet, obwohl das ein unscharfer Begriff ist, der allerdings Stadtpolitikern häufig zu pass kommt. Wien wird auch gerne als die sauberste Stadt bezeichnet, was auch nur teilweise stimmt.

Tatsache ist jedoch, dass in den vergangenen Jahrzehnten viele Fehler bei der Stadtentwicklung gemacht wurden. Der erste Bezirk ist mehr oder minder ein Freiluftmuseum mit Mozartkugeln und allerlei anderem Touristenramsch. Die Bezirke um den Gürtel herum, schon immer mit zu wenig Grün ausgestattet, werden ausgehöhlt. Und ehemals nette Geschäftsstraßen verlieren ihre Kunden an die Überzahl von Shopping Malls und Gewerbeparks am Stadtrand.

Was bleibt, sind lieblos verklebte Schaufenster, billige Fastfood-Ketten und überall Geschmiere auf den Wänden, das mit Graffiti nichts zu tun hat. Hundekot, früher ein Ärgernis, ist Papierln und Zigarettenstummeln gewichen.  Ältere Häuser werden vielfach so wenig instandgehalten, dass sie dann als abbruchreif gelten und der nächste seelenlose Mietblock hingekleckst wird.

Dafür wird an den Stadträndern gebaut, was das Zeug hält, ziel- und planlos, mit vielen Leerständen.

Betongold eben, das Ganze frei nach Arik Brauer: Sie hab´n a Haus baut. Sie ham uns a Haus herbaut.

Leute, die an den Stadtrand ziehen möchten, können sich die oft exorbitanten Mieten nicht leisten, andere wollen so nicht wohnen.

Wien ist zu einem faulen Zahn verkommen, in den inneren Bezirken zunehmend unfreundlich und an den Rändern hohe Häuser mit wenig Charme.

Sollte in einem der früheren Ortskerne an der Peripherie noch ein schönes altes Haus stehen, kann man davon ausgehen, dass seine Tage gezählt sind. In einem der Ortskerne in der Donaustadt, die immer dafür herhalten müssen, dass die Stadtstraße notwendig sei, um sie zu schützen, wurde vor kurzem ein schönes altes Haus abgerissen, wobei es – wie eine Anrainerin sagte – die Auflage gab, die straßenseitige Fassade zu schützen. Um vier Uhr früh wurde begonnen, eben diese Fassade abzureißen und am Vormittag war das Haus verschwunden. Und jetzt kommt das nächste 08/15-Haus hin. Nur wenige Menschen bemerkten und bedauerten es, denn die meisten sind schon zu abgestumpft.

Man kann mit einer Wohnung einen Menschen genauso gut töten, wie mit einer Axt. (Adolf Loos)

Margarete Lazar ist Dr. phil (Geschichte/Kunstgeschichte/Germanistik), Publizistin und frühere Hochschulprofessorin

 

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