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Die Volkspartei muss ihre Fehler aufarbeiten, will sie eine Zukunft haben

Die Delegierten haben am 14. Mai in Graz beim ÖVP-Bundesparteitag Karl Nehammer mit 100 Prozent zum neuen Parteichef gewählt und damit ein starkes Zeichen gesetzt. Glauben die Delegierten. Oder zumindest die Spitzenproponenten der österreichischen Volkspartei, die sich – und das ist bis zu einem gewissen Grad verständlich und zulässig – Geschlossenheit und Einigkeit für ihre Partei gewünscht und mit diesem dann doch etwas seltsam anmutenden Ergebnis wenigstens für die paar Tage der Berichterstattung über die Abstimmung auch erhalten haben.

Selber bin ich mit einem flauen Gefühl hingegangen, war ich doch bass erstaunt darüber, dass die ÖVP eine so wichtige Versammlung abhält, ohne auch nur eine einzige Wortmeldung zuzulassen, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, die Vorkommnisse der letzten Jahre (in welcher Art auch immer) aufzuarbeiten. Die erste Viertelstunde hat dann mein Unbehagen zusätzlich befeuert. Und befeuert, ja geradezu eingepeitscht wurden dann auch alle Anwesenden mit furioser Musik und einem Moderator, der mit ungeheurer Emphase das inszenierte, was er sich unter der Nachstellung eines US-amerikanischen Parteitages vorstellt.

Aber dieser Firlefanz ging wie ein Kelch an mir vorüber, und spätestens als die beiden Altkanzler Wolfgang Schüssel und Sebastian Kurz ihre Statements hielten, hatte ich mich auch von der Euphorie in der Helmut-List-Halle anstecken lassen und war – für diese paar Augenblicke – ganz von »meiner Volkspartei« begeistert. So sind wir halt, sperrig, unflexibel und ein bisschen spießig. Schüssel hat im Übrigen eine tatsächlich großartige und mitreißende Minirede gehalten, und auch Kurz war beeindruckend professionell wie sympathisch. Die beiden haben den Parteitag im Grunde gerettet und die Bühne freigespielt für die etwas zu lang geratene, aber inhaltlich ausnehmend sinn- wie qualitätsvolle Rede Nehammers.

So gesehen geht diese Wahl durchaus in Ordnung, Karl Nehammer hat die Parteipflicht erfüllt und kann sich jetzt ganz auf seine Arbeit als Bundeskanzler konzentrieren. Nicht in Ordnung gehen die zwei Baustellen, die dieser Bundesparteitag geradezu schonungslos offengelegt hat.

Zum ersten ist das der schon angesprochene »Zustand« der ÖVP nach »Chatprotokollen« (usw.) und während eines »ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschusses«. Ich bin

jetzt seit bald vierzig Jahren Mitglied der Partei und ich habe in dieser Zeit noch nie soviel an Ablehnung und Missgunst gegenüber »uns Schwarzen« erleben müssen. Die Verachtung gegenüber der Volkspartei hat eine neue Dimension erfahren. Und auch wenn viel zu viele Anschuldigungen und Unterstellungen gegenüber VP-Funktionären jeder Grundlage entbehren, auch wenn die WKStA augenscheinlich einen Kampf gegen alles Volksparteiliche führt, und auch wenn es evident erscheint, dass es Linke nicht ertragen, wenn die ÖVP den Kanzler stellt, hilft das der ÖVP nicht weiter.

Robert Lichal würde von der »normativen Kraft des Faktischen« sprechen, mir jedenfalls erscheint es für die Partei unerlässlich, diese jüngste Vergangenheit ordentlich aufzuarbeiten. Die Partei hat, wir haben nämlich – natürlich – auch Fehler gemacht. Und eine solche Aufarbeitung ist gerade auch deswegen notwendig, weil die Partei nicht diese kriminelle Bande ist, als die sie derzeit hingestellt wird. Findet sie da keinen Weg dazu, droht ihr noch viel mehr an Ungemach, als bei der nächsten Wahl die Kanzlerschaft zu verlieren.

Die zweite Baustelle betrifft im Grunde alle Parteien, es geht um den nicht vorhandenen innerparteilichen Diskurs. Parteitage gleichen politischen Folkloreveranstaltungen, bei denen nur ja nichts Ungeplantes »passieren« darf. Dieser parteidemokratische Niedergang geht einher mit dem des Journalismus, dessen Investigativpotential nur mehr für Fragen à la »Bleibt türkis Parteifarbe?« oder »Sind Sie unangefochtener Parteichef?« auszureichen scheint.

Ich bin ein großer Anhänger der Vertretungsdemokratie, eine solche bedingt Parteien. Und dort muss ein demokratischer Meinungsbildungsprozess gelebt werden, um dann in den Parlamenten das zu vertreten, was ein solcher Prozess erarbeitet hat. Das ist aber – vor allem bei ÖVP, SPÖ und FPÖ – nicht der Fall. Und das ist ein demokratiepolitisches Armutszeichen. Wenn wir das nicht abstellen, wird es allen konstruktiv für Österreich arbeiten wollenden Parteien kräftig auf den Kopf fallen.

Christian Klepej ist Unternehmer und gibt in Graz das Monatsmagazin Fazit heraus. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

 

 

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