Die Ukraine und der Sieg: Gedanken, wie es ausgehen könnte

Putins Russland überfiel am 24. Februar 2022 das einstige Bruderland im Verband des Zarenreiches und der nachfolgenden Sowjetunion, die Ukraine. Moskau hielt eine Angriffsarmee von 190.000 Mann und 35.000 in Weißrussland in Bereitschaft für ausreichend, um die "Kleinrussen" niederzuwerfen. Man näherte sich der Hauptstadt Kyiv (Kiew) in einem 95 Kilometer langen Konvoi, der alles enthielt, was eine Angriffsarmee braucht: Panzer, Panzerfahrzeuge, Artillerie, Flugabwehrgeschütze, Sanitätsfahrzeuge, Gulaschkanonen etc.

Nach vier Tagen sollte Kyiv umstellt sein, und die Regierung unter Staatspräsident Selenskyj verhaftet oder getötet. Dazu war eine Spezialeinheit mit 1200 tschetschenischen Kämpfern abgestellt. 

Die Welt staunt nicht schlecht, dass das auch nach so vielen Wochen nicht gelungen ist. Vielmehr zeichnet sich der ukrainische Widerstand durch enormen Kampfgeist, militärische Fähigkeiten und ein überraschend reichhaltiges Reservoir an einst sowjetischen Kampfmitteln aus, die nun ständig aus dem Ausland aufgestockt wurden und werden. Ein ukrainischer Pilot allein schoss mit seiner MiG-29 vierzig Feindflugzeuge ab.

Am 1. Mai traf überraschend Nancy Pelosi beim ukrainischen Staatspräsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew ein. Sie ist die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses. Zuständig im Kongress für alle Budgetentscheidungen. Also keine unwichtige Person. "We will finance you till your victory", sagte sie vor allen Kameras der Welt und hatte schon mal beschlossene 3,5 Milliarden Dollar in der Tasche und 33 Milliarden in der Pipeline des US-Kongresses.

Die 80-jährige Nancy Pelosi war als junge Demokratin ein vehementer Gegner des Vietnamkrieges, obwohl die Diktatur damals von Ho Tschi Minh schlimmer war als jene Putins heute. Genauso bei Saddam Hussein im Irak 2003. Der war noch abseitiger als Putin und Ho Tschi Minh zusammen. Und jetzt ist sie eine Scharfmacherin gegen Putin, obwohl eine Atomdrohung vorliegt.

Europa ist seltsam agitiert, wie in keiner Krise zuvor. Der Einsatz gegen Jugo-Machthaber Slobodan Milosevic, General Ratko Mladic und Radovan Karadjic verlief quälend langsam und voller Zweifel. Für die linke Schickeria galt Titos Jugoslawien als schönes Beispiel für einen Reformsozialismus. Wer sich mitte-rechts einstufte, machte gerne günstigen Meeresurlaub von Istrien bis zur Bucht von Kotor. Allzulange wollte man glauben, dass Milosevic all das verkörpere, obwohl seine Kanonen in regelmäßigen Abständen von den Bergen ringsum auf die Zivilbevölkerung von Sarajevo feuerten. Zuletzt votierten aber sogar die friedensbewegten Grünen für militärische Maßnahmen.

Im Irak 2003 blieben nur die Briten treu an der Seite der Amerikaner. Deutsche und Franzosen ließen George W. Bush hängen. Dafür waren dann Estland, Lettland und Litauen auch hier und noch dazu in Afghanistan bereit, für demokratische Werte zu kämpfen. Sie hatten ja erst vor kurzem die Sowjetmacht abgeschüttelt, und waren dann schon 2004 sowohl Mitglieder der Nato wie auch der Europäischen Union.

Wir verstehen heute, warum sie es so eilig hatten. Putins Ukraine-Aggression lässt alle Alpträume im Umgang mit Russland wahr werden. Dafür rüsten die Deutschen jetzt die Bundeswehr auf und liefern plötzlich schwere Waffen in die Ukraine, so 50 Gepard-Panzer von Krauss-Maffei, die erst in fünf Monaten zum Einsatz kommen werden. Damit könnten die Ukrainer wohl ein paar Migs und Suchoi vom Himmel holen. Es wird auch nicht lange dauern, und der Westen wird auf das polnische Angebot zurückkommen, alte Mig-29 in Ramstein neu zu montieren und dann im Tiefflug den russischen Aufmarsch im Donbas und Odessa zu vereiteln. Auch Frankreich geht nun ans Eingemachte. Und Italien liefert seit Beginn weg auf Teufel komm raus Waffen in die Ukraine.

Putin wird nichts bleiben außer Scherben. Und langsam beginnt es auch im russischen Gebälk zu knirschen. Es gibt keinen politischen Beobachter und Kommentator in Europa, der nicht ernsthaft mit einer nuklearen Reaktion Putins rechnet. Wenn sein Weltbild kollabiert und er seine persönliche Sicherheit gefährdet sieht, könnte es sein, dass er Befehle zur Auslöschung von Ramstein mit der neuen hyperschnellen Tiefflugrakete erteilt. Und dann wird man sehen, ob das Moskauer Oberkommando da mitmacht. Es gibt immerhin tröstliche Erfahrungen mit Russen im Umgang mit der Atomgefahr. 

Russen retten die Welt

Im Oktober 1962 wollte U-Boot-Kommandant Sawitzky einen nuklearen Torpedo auf die amerikanische Blockadeflotte vor Kuba schießen. Als sein an Bord befindlicher Flottenkommandant Archipow sich weigerte, den zweiten Schlüssel zur Aktivierung des Torpedos zu drehen, bedrohte Sawitzky Archipow mit der Pistole. Jetzt stellte sich aber die ganze Mannschaft hinter Archipow. Die Gefahr war vorbei. Als das Boot mitten im US-Verband auftauchte, winkten die amerikanischen Matrosen den Russen fröhlich zu. Denn inzwischen hatten sich Kennedy und Chruschtschow auf eine Lösung der Kuba-Krise geeinigt.

Ein Jahr später unterschrieben Nikita Chruschtschow und John F. Kennedy die komplette Einstellung von Atomversuchen auf der Erdoberfläche. Wesentlich bewirkt hatte dies der Atomphysiker Andrej Sacharow, der noch im April 1961 die stärkste Wasserstoffbombe aller Zeiten mit 57 Megatonnen über der arktischen Insel Nowaja Semlja zur Detonation gebracht hatte. Er hatte danach die Sowjetführung dazu gebracht, hinfort auf Atomexplosionen in der Atmosphäre zu verzichten.

Im Herbst 1983 gab es eine andere Gefahr. Ein russischer Satellit meldete irrtümlich den Anflug von fünf US-Raketen. Stanislaw Petrow in der Kommandozentrale Serpuchow bei Moskau zögerte mit der Anordnung eines nuklearen Gegenschlages. Fünf Raketen für einen Angriff schienen ihm unlogisch. Seine Mitarbeiter drängten ihn bereits, den Knopf zu drücken. Petrow fand nun heraus, dass der Satellit eine Wolkenschichte über dem Huron-See für Raketen gehalten hatte. Das Oberkommando hat ihn danach verwarnt, weil er nicht sofort auf Gegenangriff geschalten hatte. Nach der Wende wurde er in Deutschland als Retter der Menschheit geehrt.

Man erinnere sich auch noch an Michail Sergejewitsch Gorbatschow. Er hat das totalitäre Gebäude der Sowjetunion niedergerissen. Er hat mehrmals eine schützende Hand über die Demokratiebewegungen in Polen, Ungarn, Rumänien und der DDR gehalten. Zu Recht erhielt er den Friedensnobelpreis dafür.

Also, langer Rede kurzer Sinn, auch in Putins Reich mag es jemanden geben, der selbstmörderische Befehle verweigert. Ein sehr dünner Faden der Hoffnung. 

Marienerscheinung in Hruschiv

1987 erfuhr ein kleines Dorf in der Ukraine, nahe bei Kiew, eine Erscheinung der Mutter Gottes. Es geschah zwei Jahre nach Michail Gorbatschows Amtsantritt und ein Jahr nach dem Supergau in Tschernobyl. Sie versprach der Zeugin Marina: "Die Ukraine wird frei sein." Nun, das hätte ein geschickter Politologe auch vorhersagen können. Bestrebungen zur Unabhängigkeit gab es schon vor Lenin. Unter Stalin wurde die Ukraine beinahe vernichtet.

Acht Millionen Bauern starben damals durch staatliche Willkür, man nennt das heute: "Holodomor". Deswegen konnte der Nationalist Bandera eine erhebliche Truppe des Widerstands gegen den Kommunismus um sich scharen. Und deswegen auch wurden die deutschen Truppen 1941 bei ihrer Invasion der Sowjetunion in der Ukraine mit Brot und Salz willkommen geheißen (bis es zu Erschießungen von Partisanen und Kommissaren durch die Deutschen kam und der massenhaften Vernichtung von Juden).

Nicht zu vergessen die 250.000 Freiwilligen in der antikommunistischen Wlassow-Armee ab 1943. Sie kamen mehrheitlich aus der Ukraine. Sie sammelten sich 1945 in Kärntner Lagern, und wurden dann von den Briten an Stalin ausgeliefert. Überlebt haben das nur wenige.

Im Gegensatz zu dem, was Putin behauptet, war die Ukraine schon seit langem darauf eingestimmt, eine unabhängige Existenz anzustreben. Die Ukraine erhielt zwar im Kommunismus eine gleiche Sozialstruktur wie Russland, ein beachtliches Ausbildungssystem und Vollbeschäftigung – aber bei einem extrem niedrigen Lebensstandard und totaler Unfreiheit. Denn der Marxismus war gut im Kopieren und hilflos im Schaffen von Neuem. Der österreichische Ökonom und Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek hat dies ausführlich beschrieben und begründet. (Nach dem 1. Weltkrieg als Artillerieoffizier und Feldbeobachter habilitierte er sich in Wien und befreundete sich mit anderen Größen der Nationalökonomie wie Böhm von Bawerk, Ludwig von Mises, Carl Menger, Friedrich von Wieser. Sie begründeten die international beachtete "Wiener Schule der Nationalökonomie").

Immens hohe Militärausgaben drückten den Lebensstandard in der Sowjetunion noch zusätzlich. In der Ukraine wurden zahlreiche Abschussanlagen für nukleare Interkontinentalraketen errichtet. 1993 waren sie das Pfand für die Bestätigung durch die Russische Föderation, dass die Krim staatsrechtlicher Teil der Ukraine ist. 

Unter Gorbatschow nahm dieser Zug zur Freiheit an Fahrt auf. Erinnern wir uns an die CSSR 1968. Das erste, was die neue, freie, demokratische Ära unter Alexander Dubcek produzierte, war der Wunsch der Slowakei, sich von Tschechien zu lösen. Noch unter Dubcek erhielt die Slowakei eine Autonomie zugesprochen. Nach der Wende von 1989 löste sich die Slowakische SSR endgültig von Prag. Am 1. Jänner 1992 wurde das finalisiert. Ironischerweise löste sich die Grenze zwischen beiden Ländern 2004 wieder auf. Beide Länder traten nun der Nato bei sowie der Europäischen Union und damit auch dem Schengen-Reglement. Unter dem neuen Dach bewegen sich Tschechen und Slowaken zwischen der Hohen Tatra und dem Sudetengebirge frei wie ehedem in der Tschechoslowakei. 

Am 1. Jänner 1992 war auch die Ukraine mit vielen anderen Republiken der Sowjetunion unabhängig geworden. Doch merkwürdigerweise sagte die Erscheinung von Hrushiv auch: "Es wird keinen Dritten Weltkrieg geben." Merkwürdig deshalb, weil zu dieser Zeit niemand mehr einen Weltkrieg für wahrscheinlich hielt. Gerade damals, 1987, einigten sich Gorbatschow und Ronald Reagan gerade über den kompletten Abbau der auf Deutschland gezielten Mittelstreckenraketen SS-20 und "Pershing II" auf amerikanischer Seite.

Doch jetzt, nach der überraschenden brutalen Invasion Russlands in der Ukraine dürfen wir uns wieder vor einen Atomkrieg fürchten. Putin droht offen mit dem Einsatz von Nuklearwaffen, ließ die Atomruine Tschernobyl besetzen, so wie das größte Kernkraftwerk der Welt in Saporoschje. Gleichzeitig nähern sich die Raketeneinschläge der Nato-Grenze. Und der ukrainische Präsident Selenskyj bat verzweifelt in Videoansprachen an die Parlamente der EU, von Kanada, Großbritannien, Deutschland, Japan, Italien, Frankreich, Schweden, Finnland, Litauen, Estland und Irland um eine No-Fly-Zone über der Ukraine. 

Doch alle haben Angst, dass dies einen Atomkrieg mit Russland auslösen könnte. Wer glaubt, wird Trost in dem Edikt von Hruschiv finden: "Es wird keinen Dritten Weltkrieg geben." 

Sollen wir die Patsch‘n strecken?

Wie bei jedem Krieg melden sich Menschen zu Wort, die für einen Verzicht auf Verteidigung argumentieren. Es gibt ein paar verwuzelte Ostermaschierer, die bedauern, dass sich die Ukrainer den Russen nicht einfach ergeben haben, als sich der fast 100 Kilometer lange Eisen-Konvoi auf ukrainisches Territorium ergoss.

Wir erinnern uns, wie die Tschechen 1939 bei der Besetzung durch die Hitlertruppen die Waffen streckten, oder wie wieder die Tschechen am 21. August 1968 bei der Invasion durch die Warschauer-Pakt-Truppen es vorzogen, nicht zu reagieren. Damit wäre viel Blut und Leid erspart worden, wie einige glauben. Jedenfalls sind die Tschechen und auch die Slowaken heute Mitglied in der Nato und haben als Erste in dieser Krise Waffen in die Ukraine geliefert und als Erste im Westen schwere Waffen.

Denken wir an den vor 2000 Jahren hingerichteten Jesus, dann klingt uns das berühmte Wort in den Ohren: "Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die linke hin."

Dazu gab es 1980 einen Vortrag von dem berühmten Wiener Religionssoziologen Pinchas Lapide, ein Mann, der auch in Jerusalem sehr verehrt wurde. Lapide damals in der Industriellenvereinigung: "Jesus war keineswegs ein Radikalpazifist, wie die meisten glauben und das entsprach auch nicht der jüdischen Tradition, der er entstammte. So sammelte er zwar bei einer Gelegenheit von seinen Aposteln alle Schwerter ein, aber eines sollte Simon (Petrus) behalten, um Räuber und wilde Tiere abwehren zu können. Ich habe lange nachgedacht und auch andere Aussagen von Jesus berücksichtigt, und ich komme heute zu dem Schluss, dass das Konzept der Nato, die "Flexible Response", genau der Vorstellung von Jesus entspricht: Gerüstet sein für Angriffe, aber auf Provokationen nicht sofort mit einem vollen Gegenschlag antworten. Die rechte Wange bei Jesus hatte ja genau diese Funktion. In Judäa und Samaria und das ganze Mittelalter hindurch bis in die Neuzeit hat man bei Duellen mit dem Handschuh auf die rechte Wange geschlagen, um seinen Gegner herauszufordern. Dagegen hatte sich Jesus gewandt, aber damit nicht eine völlige Submission gemeint."

Frieden schaffen ohne Waffen ist wohl eine völlige Illusion. Zwar gelang es Mohandas Gandhi, mit gewaltfreien Aktionen die Unabhängigkeit von Großbritannien zu erreichen, aber sein Gegner war eine Demokratie und ein Rechtsstaat mit einer lebendigen freien Presse.

Als 1947 sofort mit der Unabhängigkeit "The Jewel of the Crown" auseinanderbrach und sich die Moslems Indiens nun als Pakistan formierten, kam es zu Krieg und schrecklichen Massakern mit mehreren Millionen Toten. Gandhi hungerte sich fast zu Tode, ohne die Gewalt stoppen zu können. Zuletzt wurde er ermordet.

Und wie hätte der Zweite Weltkrieg wohl enden können, wenn nicht "demokratische" Waffen einem totalitären Diktator in die Wäsche gefahren wären? Die selber totalitären Russen unter Stalin haben die Hauptlast dieses Kampfes getragen – mit 35 Millionen Toten, Großbritannien verlor im Vergleich dazu nur knapp 500.000 Mann von ihrer Flucht aus Dünkirchen 1940, über Burma und Singapur, über El Alamein bis zum Einzug in Hitlers Reich 1945. Die Amerikaner verloren von Marokko 1943 über Sizilien, den Apennin und die Normandie bis zur Elbe 237.000 Soldaten. Genau diese Verluste wollte man vermeiden, als man 1938 die Annexion Österreichs tolerierte und kurz danach Hitler auch das Sudetengebiet in den Rachen warf. Dann hielt man auch still, sogar als die Wehrmacht Böhmen und Mähren besetzte. Erst beim Angriff auf Polen erwachte der Widerstandswille der westlichen Demokratien.

Und jetzt kommt es ganz dick: Weil sich Tschechien nicht gegen Hitler wehrte – obwohl eine Mehrheit der Wehrpflichtigen kämpfen wollte – fiel den Deutschen die hochentwickelte tschechische Waffenindustrie in die Hände. Und was geschah damit?  In Hitlers Hand war nun ein Drittel der Panzer, Geländewagen, Flugzeuge und Kanonen für das "Unternehmen Barbarossa". In der berühmten, supermodernen "Villa Tugendhat" in Brünn wurde ein Konstruktionsbüro der Firma Messerschmidt eingerichtet. Der Erbauer und Besitzer musste fliehen. Dort hat dann Willy Messerschmitt u.a. die "Me 109" und "Me 262" entworfen.

Die Tschechen haben mit Kuschen ihr Leben gerettet und den ganzen Weltkrieg hindurch relativ gut gelebt, aber sie haben mit ihren Waffen und ihrer Industrie den Überfall der Deutschen auf Frankreich und die Sowjetunion ermöglicht. Wie viele Tschechen hätten bei einem Abwehrkampf gegen Hitler ihr Leben verloren? Sicher nicht so viele wie Russland dann. 

Eine vergebene Chance

Wie erinnerlich hat 1938 Kaisersohn Otto von Habsburg eine Union der Tschechoslowakei mit Österreich vorgeschlagen, gemeinsam hätte man eine Chance gegen Hitler gehabt. Die Sudeten boten gut ausgebaute Verteidigungsstellungen, und Österreich war nicht so total Hitler ergeben, wie Goebbels Propagandawochenschauen insinuierten. Hugo Portisch berichtete in seiner Fernsehdokumentation, dass am 12. März 1938 zwar 250.000 Menschen am Heldenplatz dem Gröfaz zujubelten, aber auf der Schmelz Tage davor 350.000 Österreicher für einen Verbleib außerhalb des Reiches demonstriert hatten. Hätte es ein Bündnis der Tschechoslowakei mit der Alpenrepublik gegeben, so hätte sich dem sicher auch Ungarn unter Marschall Horthy angeschlossen.

Hitler hätte dieses Bollwerk mit Gewalt sprengen können. Aber dann wären die Westmächte früher in den Widerstand gegen den Nationalsozialismus eingetreten. Die Welt danach wäre eine andere geworden, als wir sie dann 1945 vorgefunden haben. Und Russland wäre nicht überfallen worden und jedenfalls nicht von der Wehrmacht komplett überrascht worden. Es waren die Tschechen, die das Bündnis abgelehnt haben. Sie fürchteten ein Wiederaufleben der Donaumonarchie. Sie wussten Anfang 1938 noch nicht, dass es etwas viel Schlimmeres gab.

Und wer denkt an die Juden, die aus Böhmen nach Auschwitz abgeführt wurden? Der Verzicht auf Verteidigung ermöglichte jedenfalls diesen Genozid in Mitteleuropa und dazu 4,5 Millionen in Russland und 1,5 Millionen in Polen. 

Der "Prager Frühling"

Schauen wir auf das Geschehen in der CSSR August 1968. Ja, der Gegner war übermächtig, die 27 Republiken der UdSSR im Verein mit Polen, DDR und Ungarn (Rumänien, Albanien und Jugoslawien hielten sich abseits) waren eine gewaltige Macht. Aber hätten die Tschechen und Slowaken gekämpft – wer weiß wie der Kampf ausgegangen wäre! Die Armee der CSSR war ja damals sehr stark und hochgerüstet. In Ungarn hätte es einen neuen Aufstand gegeben, genauso in Polen, möglicherweise sogar in Ostdeutschland, der 17. Juni 1953 war ja dort noch unvergessen. Die Dominosteine, die 1989 von der Danziger Bucht bis Constanza alle umkippten, hätten schon 1968 aus der Reihe tanzen können. In Russland standen eben die ersten Dissidenten auf: Orlow, Andrej Sacharow, Boris Pasternak, Alexander Solschenizyn, der mit seinem Buch "Der Archipel Gulag" 1973 die Mechanismen der kommunistischen Macht aufdeckte etc. Viele mehr hätten sich angehängt.

Bei einem Krieg im gesamten Ostblock bis Belgrad hinein hätte auch der Westen sich nicht so ducken können, wie es 1968 geschehen ist. Natürlich gab es damals, so wie jetzt bei Putin, die Angst vor Atomwaffen. Aber nicht nur die Sowjets verfügten über Atomwaffen, auch die USA, die Briten und Franzosen (damals mit Charles De Gaulle). Heute verfügen auch Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea über Atomwaffen, bald wohl der Iran (Und wenn das geschieht, will Saudi Arabien dem Atomklub beitreten). Breschnew war zu jener Zeit besser berechenbar als heute Putin. Derjenige, der mit Atomwaffen drohte, wusste, dass die nächste Bombe ihn selber trifft. Bei Putin sind wir nicht so sicher. Er liebt das Risiko, aber er ist kein Selbstmörder – nach Meinung aller, die ihn gut kennen. Was glaubt Putin mit seinen Drohungen zu erreichen? Wenn er diese Waffe einsetzt, ist auch sein eigenes Leben mit Sicherheit zu Ende! 

Der Größenwahn

Gehen wir nun an den Anfang des gegenwärtigen Geschehens. 24. Februar 2022, 5.20 Uhr früh. Putin gibt sich in Siegesgewissheit, sieht sich bereits in den Schuhen von Iwan dem Schrecklichen und Peter dem Großen. An Katharina die Große will er lieber nicht erinnern, weil sie Deutsche war, aber sie hat mit Graf Orlow am meisten erobert, den ganzen Kaukasus und vor allem die Krim. 190.000 Mann bewegten sich Ende Februar 2022 auf Kiew zu, 35.000 Mann stürmten von Weißrussland südwärts, erobern die Atomruine Tschernobyl und drei Kernreaktoren. Die Soldaten heben dort in der kontaminierten Erde Schützengräben aus. Sie werden zum Jahresende nicht mehr am Leben sein. Der Rest der Welt greift sich an den Kopf.

Na gut, wenn die Ukrainer nicht in die Verteidigung gegangen wären, dann hätte sich viel Unglück vermeiden lassen. Aber was wäre der Preis dafür gewesen? Putin hätte gleich einmal alles Land östlich des Dnjepr bis südlich Odessa abgeschnitten. In Kiew war es das Ziel, Präsident Wolodymyr Selenskyj zu liquidieren. Bei einem russischen Sieg hätte man einen Quisling eingesetzt, so wie Viktor Janukowitsch einer war, aber gegen genau den eine Million Ukrainer am Maidan 2013/14 revoltiert hatte. Im Land hätte es viel Unruhe gegeben, vielleicht bald auch einen Untergrundkrieg.

Und an den Grenzen zu Moldawien, Rumänien, Serbien, Slowakei und Polen würden nun massive russische Verbände stationiert werden, so wie jetzt schon gegenüber Litauen, Lettland und Estland. In Letzteren leben starke russische Minderheiten. Nach einem Erfolg in der Ukraine würde Putin der Hafer stechen und einen Vorwand suchen, um sie "heim ins Reich" zu holen. Was dann? Wieder kuschen wie bei Hitler? Okay, der Mann sucht die Grenzen der UdSSR wiederherzustellen. Und dann? Man spricht jetzt schon, dass eine Landverbindung zwischen dem einst ostpreußischen Kaliningrad nach Russland hergestellt werden muss.  

Putins Gefährte

Gerade in diesen Tagen starb in Moskau Wladimir Wolfowitsch Schirinowski mit 75. Er war ein Freund und Ratgeber von Putin. Er war aus dem KGB wie Putin und groß geworden beim Umbruch durch Jelzin. Er war sogar schon einmal Präsidentschaftskandidat und wurde berühmt mit dem Sager: "Unsere Soldaten werden ihre Stiefel im Indischen Ozean waschen." Damit meinte er

russische Interventionen zugunsten des Iran, des Irak und im Jemen. Er ging aber noch weiter und meinte, auch Finnland und Alaska könnten ein Ziel für die russische Armee sein, denn überall dorthin hätte einst das Zarenreich gereicht. Nur unfähige Monarchen und Politiker im Kreml hätten das vermasselt, und es sei an der Zeit, diese Gebiete zurückzuholen.

Schirinowski repräsentierte so wie Putin eine Philosophie der Schamlosigkeit mit Ambitionen ohne Grenzen. Er wurde Abgeordneter in der Duma und x-mal wiedergewählt. Fast jeden Abend verschleuderte er bis zuletzt sein Gift in russischen Talk-Shows. Er hat die Idee verkörpert, dass Russland einen größeren Teil der Welt besitzen müsse. Und er ist damit nicht allein – obwohl die Ressourcen dafür fehlen. Das 144-Millionenvolk der Russen produziert weniger Güter als 60 Millionen Italiener, und 40 Prozent dieser Güter kommen aus der Erde: Öl, Gas, Kohle, Buntmetalle.

Die Geburtenrate ist eine der niedrigsten der Welt. Wenn in der Ukraine bis dato bereits 30.000 Russen, Tschetschenen und Syrer gefallen sind, dann trifft das Mütter, die meist nur ein Kind geboren haben. Kein Wunder, dass es nun in und um die vielen Rekrutierungsbüros im Lande zu merkwürdigen Vorfällen kommt. Meist wird Feuer gelegt, weil man diese Spur nur schwer verfolgen kann. Die Ukraine leidet, aber Russland brennt. Irgendwann wird scharf geschossen, und dann ist Feuer am Dach und der Krieg in Russland. 

Der Westen engagiert sich mehr und mehr

Der Druck auf Putin steigt. Und was macht er? Er hat es bereits angekündigt, er wird die Konvois, die vom Ausland Waffen hereinbringen, mit Raketen zudecken. Aber die sind auch nicht faul und begleiten jeden Lastzug, jeden Lkw-Transport mit den modernsten Abwehrraketen. Je länger der Krieg dauert, desto wirkungsloser werden die russischen Raketen. Momentan wird ein Drittel von denen abgeschossen. Angeblich wurden bereits 40 Prozent verbraucht.

Die gegenwärtige Geisteshaltung im Freien Westen erstaunt enorm. Wo früher Linksliberale Zögerlichkeit zeigten, herrscht nun bei vielen verbissene Ablehnung ja sogar Feindschaft zu Putin. So zu sehen bei dem grünen Robert Habeck, bei der grünen Annalena Baerbock und bei SPD-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. Und wenn wir nach Skandinavien blicken, dann verblüffen uns die blutjunge sozialdemokratische Premierministerin Finnlands und deren sozialdemokratische Kollegin in Schweden, die ungeniert den Beitritt zur Nato anstreben.

Ähnlich auch Frankreich. Im Ersten Weltkrieg verbündet mit dem Zarenreich, im Zweiten mit Stalins Sowjetunion, geht Paris nunmehr in scharfe Opposition zu Putin. Man hat bereits Truppen nach Rumänien, nahe der moldawischen Grenze, entsandt und liefert von dort Waffen in die Ukraine. Russland hat unlängst eine Brücke bei Odessa gesprengt, um diese Transporte zu verhindern.  

Neben gezielten Raketenschlägen wäre eine weitere Option für die Rote Armee, im Verbund mit weißrussischen Einheiten an der westlichen Grenze, an Lemberg vorbei, bis Transnistrien in der Republik Moldau vorzustoßen und die Verbindungslinien zu kappen. Aber dann wären sie vom Hinterland weit entfernt, und die Nato könnte von Polen und Rumänien her leicht zuschlagen. Damit hätten wir Weltkrieg III, wovor Putin ganz sicher keine Angst hätte, aber der Westen auch nicht mehr. Jetzt bleibt Putin nur mehr die nukleare Option, die er in seinem Unterbewusstsein möglicherweise herbeisehnt so wie Hitler 1941 den großen Krieg. Er will ja beweisen, was er für ein toller Bursche ist.

Drehen wir den Spieß mal um und nehmen an: Der Westen hört auf, Waffen zu liefern, Selenskyj ergibt sich, lädt Putin ein, das Land zu übernehmen – doch was passiert dann?

Die Ukraine versinkt in einem dunklen Nirwana. 5 Millionen Flüchtlinge bleiben im Westen, 3 Millionen kämen noch hinzu. Putin hätte sein Sicherheitsglacis – dass das Land nun entvölkert wäre, ließe ihn und die Rote Armee gleichgültig – wie sich ja ständig zeigt. Die Freundschaft zwischen Russen und Ukrainern ist auf Generationen dahin. So wie seit 1968 die Freundschaft zwischen Russen und Tschechen.

Und wie weiter? Wenn nun Putin auf den Geschmack gekommen ist? Wunderbar, dann geht es los gegen die baltischen Staaten: Estland, Lettland, Litauen und am besten auch gleich gegen das – noch – neutrale Finnland; und Moldawien, das schlucken sie mit links. Die wunderbaren Weine sind unvergessen, die von dort in der Sowjetzeit das Herz Russlands beglückt haben.

Und alle diese Länder sollen wieder die Patschen strecken, nur weil ein Irrer in Moskau mit der Atombombe droht?

Und was dann? Soll das dann immer so weitergehen bis Kapstadt, Feuerland und Aotearoa? Das hält niemand durch. Irgendwo bricht die Kette. Und dann gibt es Krieg: Atomkrieg. Das Konzept der Wehrlosigkeit geht nicht auf. "Wenn Dich einer mit Kanonen beschießt, dann halte ihm auch Deine Frau und Deine Kinder hin", das geht nicht – und so hat es Jesus auch nicht gemeint, wie Pinchas Lapide wusste. 

Vielmehr könnte schon das bald realistisch sein: Europa rüstet von Gibraltar bis Hammerfest auf Teufel komm raus. Schweden und Finnland treten der Nato bei. Norwegen könnte versucht sein, seine Entscheidung von 1972 gegen die EWG zu revidieren, Kabeljau hin, Kabeljau her. Israel bereitet einen Luftschlag gegen den Iran vor, und die Amerikaner wollen diesmal nicht abseits stehen. Die russischen SS-400 Antiraketenraketen werden von den israelischen IT-Spezialisten in Tel Aviv lahmgelegt. So wie 1973, als israelische Mirage 78 syrische Mig wie Tontauben abschossen. Äthiopien mobilisiert gegen Eriträa und Tigre. 

Und nun folgt Teil drei des Dritten Weltkriegs: Nordkorea greift mit 7 Millionen Mann Südkorea an. Das Beispiel Ukraine war zu verlockend. Kim Jong-un setzt Atomraketen ein. Er wird in drei Wochen Pusan erreichen. 38.000 US-Soldaten sind nur mehr Dampf und Rauch. 

Post Scriptum: Eine Utopie statt dem Schrecken

So weit ist es nicht gekommen. Als Putin den Befehl erteilte, Nukes zu werfen, rebellierte das nukleare Kommando der Luftwaffe. Schließlich haben sie alle Familie, Frauen, Töchter und Söhne. Und die Inlandarmee war sofort dabei und bombardierte den Kreml. Der Pilot wusste, auf ihn warten eine Million Dollar aus der Hand eines in London sitzenden Oligarchen. Das ging ja zu Beginn des Krieges durch alle Medien der Welt. Putin, Lawrow, Peskow, Shoigu u.a. flüchten aus dem Bunker. Sie werden gefasst und sofort in ein Flugzeug nach Den Haag gesetzt. Die nächsten Jahre wird Putin im Internationalen Gerichtshof verbringen und dann eine Haft antreten bis zu seinem 100. Geburtstag, den er möglicherweise noch erlebt. Die holländische Medizinversorgung ist ja nicht von gestern. Rudolf Hess schaffte es in Spandau immerhin bis zu seinem 96. Geburtstag.

Alexej Nawalny, Whistleblower und Todeskandidat Nr. 1, wird aus der Haft entlassen. Sofort hält er seine "Antrittsrede" an der Kremlmauer, dort, wo ein tschetschenisches Kommando im Auftrag von Putin Präsidentschaftskandidat Boris Nemzow am 27. Februar 2015 um 11.00 Uhr ermordete. Tausend Journalisten und Fernsehmoderatoren werden entlassen und bekommen Unterricht in Zivilcourage, Rechtstaatlichkeit, Völkerrecht und Demokratie verpasst. So geht es auch einem Drittel der Richterschaft. Zeitungen und Fernsehstationen sind hinfort frei. Alle Duma-Abgeordneten werden nach Hause geschickt. Der Einzige, der offen gegen den Überfall auf die Ukraine votierte, wird zurückgeholt und Leiter des Wiederaufbaues eines neuen Parlaments. Die schöne Xenia Sobtschak, Tochter eines der großen Reformatoren von 1986 und Putins Taufkind, kehrt aus Israel zurück und bewirbt sich um den Posten eines Medienregulators. 

100.000 Demonstranten sammeln sich um die Christi-Erlöserkathedrale und fordern den Rücktritt von Patriarch Kyrill. Ihm war die Gegnerschaft zu Homosexuellen wichtiger als der Schutz der ukrainischen Bevölkerung. Man ruft nach Archimandrit Hilarion, einen heiligen, rechtschaffenen Priester. Von der Militärkathedrale am Militärflugplatz Moskau erreicht die Menge die Kunde, dass die Ikone, die dort seit 24. Februar 2022 blutet, zu bluten aufgehört hat. Das Komitee zur Rettung der Nation unter Führung der Luftwaffe dekretiert international überwachte Neuwahlen auf allen Ebenen der Demokratie für zwei Jahre, danach, 2024, regulär für weite vier Jahre. Die Prinzipien Völkerrecht, Schutz der Grenzen sollen hinfort in Russland nicht nur de jure, sondern auch de facto gelten. 

Der neue Außenminister wird beauftragt, die Freundschaft mit der Ukraine von früher zu erneuern. Einem EU- und Nato-Beitritt wird man keine Knüppel mehr in den Weg legen. Vielmehr gilt es, in Brüssel und Washington einen Beitritt Russlands auszuloten. Die Nato wäre dann die Polizei der Welt im Dienste der Vereinten Nationen, eine wahre HUMAN-UNION. 300.000 Russen höchster Ausbildungsstufe, die diesen März, April und Mai ihrer Heimat Lebewohl gesagt haben und nach Amerika, England, Deutschland, Polen, Türkei, Georgien und Kasachstan ausgewandert sind, kehren nun erleichtert zurück.

Die Gashähne nach Europa werden wieder aufgedreht. Allerdings, eine hundertprozentige Abhängigkeit will niemand mehr tolerieren. Dafür springt die Russische Föderation nun auf den Zug zur Rettung der Erde vor dem Klimawandel auf. Auch der dümmste Farmer zwischen St. Petersburg und Wladiwostok hat inzwischen gemerkt, dass Russlands riesige Permafrostböden wegzuschwimmen im Begriff sind.

(Das Szenario des Umsturzes folgt den Beispielen von Havanna: Jänner 1959; Athen: August 1974; Philippinen: Februar 1986; Osteuropa südwärts von Polen bis Albanien: November 1989 – und Moskau: August 1991. Die neue Demokratie in Athen entstand während eines Krieges auf Zypern mit der Türkei ab 20. Juli 1974)

 

Paul Fischer (zuletzt 13 Jahre im Mucha Verlag; 1978 Computer News, 1983 Regal, 1987 Junge Wiener, 1988 Deutsche Prawda, 1989 Bezirksjournale, 1990 Wiener Stadtblatt, 1995 RTV, 1996 Extradienst, Faktum, FM), Verheiratet seit 13. Juli 1990 mit Tatjana aus Krasnojarsk, Sibirien

                

 

 

 

 

 

 

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