Sokratische Bildung für Politiker!

Die Mitglieder einer Realverfassungsnomenklatura beziehungskultureller Systeme mit höfischen Strukturen, mit Rang- und Gunststreitigkeiten, mit Intrigen, mit Seilschaften, mit Vetternwirtschaft, mit Verfilzungen, mit Klientelpolitik, mit Arrangements, mit Korruption und mit Tauschgeschäften zu Lasten Dritter verzichten nach wie vor auf Strukturreformen und üben sich permanent in Innovationswiderständen sowie in Lernresistenz.

Die Mächtigen der "Hinterbühne", die Spezialisten für eine Zwangsumverteilung von Einkommen und von Vermögen, fürchten sich vor mehr Regelkultur in einem liberalen Rechtsstaat und vor mehr Wettbewerb (als Entmachtungsinstrument und als Entdeckungsverfahren).

Die "Marionetten der Vorderbühne" pflegen eine Gemeinschaftsrhetorik, Solidaritätsappelle und eine "populistische Wählerbestechung", um die Staats- und Obrigkeitsgläubigkeit sowie die freiwillige Knechtschaft der Desinformierten und der Abhängigen im überschuldeten Versorgungsstaat zu fördern.

Die Entmündigten sollen mit "Geschenken" von den Vorteilen einer sonderinteressenorientierten Realverfassung mit Verhaberungen, mit (partei- und verbände-)politischen Einflussbereichen, in denen man sich als Günstling durch politische Intervention und Protektion möglichst viel richten (lassen) kann, "überzeugt" werden.

Die politischen Selbstdarsteller und Selbstinszenierer wollen ihre Macht erhalten und ausbauen. Als "Selbstüberschätzer" verbreiten sie einen Machbarkeitsglauben. Noch mehr staatliche (und supranationale) Ausgaben, Planungen, Steuerungen, Regulierungen und Interventionen werden gefordert.

Auch die Bürokraten und die Eurokraten in den Verwaltungen sind begeisterte Konstruktivisten und von ihrer (Zwangsumverteilungs-) Problemlösungskompetenz überzeugt. Die Anmaßung von Wissen kennt keine Grenzen.

Wir benötigen eine sokratische Bildung für die Realverfassungs-Nomenklatura. Sokrates (470-399 v. Chr.) fordert Selbsterkenntnis, eine Prüfung des eigenen Wollens und Handelns im Interesse der Selbsterforschung sowie eine Selbstaufklärung auf dem Weg zur persönlichen Freiheit, zur Selbstverantwortung und zur Selbstsorge. Er empfiehlt, selbstständig zu denken, das Nichtwissen zu erkennen, "zu suchen, ohne zu wissen" sowie skeptisch zu hinterfragen.

Staunen, unermüdliches Fragen und Zuhören im Dialog ermöglichen eine Entwicklung von "Inkompetenzkompensationskompetenz", einen erfolgreichen Umgang mit Scheitern und eine Bewährung in der täglichen Lebenspraxis.

Eine Prüfung des vermeintlichen Wissens verlangt auch ein Aufzeigen von Irrtümern, eine argumentative Erörterung und Versuche einer Widerlegung sowie ein "Verwerfen von Antworten als Fehlgeburten".

Im geistigen Wettstreit und im offenen Dialog ist nicht nur eine selbsttätige Korrektur von Irrtümern, sondern auch eine ständige Arbeit an sich selbst, eine "Erweckung der Ethik", eine Prüfung von Wertvorstellungen, ein "in sich gehen und sich seiner selbst bewusst Werden" und somit eine Charakterbildung/eine Persönlichkeitsbildung möglich.

Zahlreiche Politiker, die sich (vor allem) an den Ideen der Sophisten orientieren, meinen, dass es keine objektive Wahrheit gibt, dass es keinen objektiven Maßstab gibt, um zu entscheiden, wer in einer bestimmten Frage recht hat. Sie glauben an die Macht des Wortes, an die Wirkung ihrer Rede und ihrer Inszenierungen.

Die Inhalte ihrer Aussagen sind (für sie) nicht wichtig. Was zählt, ist ausschließlich der Erfolg. In einem Gespräch gilt es, um jeden Preis recht zu behalten und recht hat (angeblich) der, der seinen Standpunkt am geschicktesten durchzusetzen versteht.

Wenn das Maßgebende die Geltung der Person ist, dann sind Eitelkeit und Überheblichkeit die Folgen. Arroganz und ein Ignorieren der Wirklichkeit verhindern häufig ein unvoreingenommenes Zuhören, ein Erkennen von Irrtümern, von Fehlern und ein Lernen durch Scheitern sowie eine Persönlichkeitsentwicklung und ein "gelingendes Leben".

Reflexionen über die Ideen der Sophisten im Vergleich mit den Überlegungen des Sokrates können uns dabei helfen, wesentliche Ursachen des Politik(er)versagens und des Staatsversagens zu identifizieren.

Eine sokratische Bildung für Politiker kann einen Beitrag zur Lösung von aktuellen politischen Problemen leisten.

Josef Stargl ist AHS-Lehrer in Ruhe und ein Freund der Freiheit.

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