"Femizide": Wenn die Statistik verfälscht wird

Bei einer TV-Debatte über Covid-19 betonte Professor Bernhard Angermayr kürzlich, in Österreich würde viel zu wenig obduziert, es handle sich um ein strukturelles Problem. Vom mangelnden Interesse an Todesursachen sind auch mögliche Kriminalitätsopfer betroffen. Von feministischer Seite wird häufig betont, Österreich gehöre zu den wenigen Ländern, in denen in den vergangenen Jahren mehr Frauen als Männer getötet wurden. Es werden von der Regierung dreistellige Millionenbeträge gefordert, um die Zahl der Frauenmorde zu senken.

Obwohl die Zahlen dieser Morde seit 2018 (damals 41 Fälle) rückläufig sind, wurde in den Medien im Vorjahr permanent der Eindruck dramatischer Zunahmen vermittelt, angeheizt durch den spektakulären Fall des "Bierwirtes", der der Übertreibungs- und Angstkampagne den nötigen Schub verpasst hat. Auf der Webseite der "Autonomen Frauenhäuser" war von 31 Frauenmorden/Femiziden im Jahr 2021 die Rede, auch eine Zahl, die häufig und unter Weglassung des einschränkenden Wortes "vermutlich" von vielen TV-Sendern und Zeitungen bereitwillig und ungeprüft übernommen wurde. Der "Standard" relativierte am 30. Dezember 2021 unter der Überschrift "Ein Jahr, 26 getötete Frauen", auch Vertreter der Bundesregierung sprachen zuletzt von 26 Fällen. 

Die "Autonomen Frauenhäuser" zählen übrigens nicht die Zahl der getöteten Angehörigen weiblichen Geschlechts, sondern lassen in ihrer Statistik über Frauenmorde/Femizide diejenigen Fälle weg, in denen Frauen als Täterinnen in Frage kommen. Der Mann, der sich mit seiner sechsjährigen Tochter im Jänner auf die Gleise legte, wurde angeführt – und hat demnach einen Femizid begangen. Die Frau, die sich und ihre vierjährige Tochter im Vorjahr erschossen hatte, schien hingegen in dieser Statistik im Jahr 2021 nicht auf. Ebensowenig wie der Fall der jüngst getöteten Villacherin, obwohl die Täterin die Mordabsicht (aus Eifersucht) gestanden haben soll.

Die Frage nach der jeweiligen Ursache (Vorgeschichte) von Frauenmorden ist für "Standard"-Schreiberin Beate Hausbichler (Kommentar vom 11. Jänner) verpönt. Offenbar befürchtet sie, Opfern könnte eine Mitverantwortung zugeschoben werden. Ohne Erforschung der Ursachen (in einem kürzlichen Grazer Fall anscheinend Überforderung bei der Pflege) ist aber Abhilfe schwerlich möglich, und die geforderten und bewilligten Millionen Euro werden wohl verpuffen.

Andrea Schurian schrieb in der "Presse" vom 12. Februar 2019: "Die Zahl der Obduktionen wird seit Jahren drastisch reduziert: Kamen 1984 österreichweit noch 30.700 Tote auf den Seziertisch, wurden 2017 nur mehr 8913 Obduktionen durchgeführt. Weil die Kriminalitätsrate sinkt? Oder hapert's eher bei der Feststellung der Todesursache? Dunkelfeldschätzungen (...) besagen, dass jeder zweite Mord nicht als solcher erkannt wird.(...) Regelmäßig warnen Forensiker und die Wiener Ärztekammer vor 'Schlupflöchern bei der Erkennung und Aufklärung kriminell verursachter Todesfälle'."

Und der "Kurier" vermutete 2021, dass die statistisch höhere Zahl getöteter Frauen als Männer in Österreich auf die Einschränkungen bei Obduktionen seit den 1990er Jahren zurückzuführen sei. Zwar betonen Frauenpolitikerinnen oft "Jeder Fall ist einer zu viel", haben aber anscheinend kein Interesse, die Kriminalitätsstatistik der Realität anzunähern. Vermutlich, weil sie befürchten, dass Frauen als Opfer dann in der Minderheit wären und die Zahl der Täterinnen signifikant höher wäre. 

Viktor Pölzl ist Obmann des geschlechterpolitischen Vereins Freimann in Graz.

 

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