Der ORF-Teletext schreibt am 19.12.2021 aus Anlass des Ablebens von Sepp Forcher: "Die ORF-Moderatorenlegende Giuseppe ("Sepp") Forcher ist tot. Der gebürtige Italiener ist kurz nach seinem 91. Geburtstag gestorben." Als "Giuseppe Forcher" und als "Italiener" war der langjährige Moderator des "Klingenden Österreich" eigentlich niemandem bekannt. Nur ein klein wenig moderater spricht die ZIB 1 des selben Tages von "Sepp Forcher, der eigentlich Giuseppe hieß, da er in Rom geboren und in Südtirol aufgewachsen ist."
Mag sein, dass Sepp Forcher in offiziellen Dokumenten bis zuletzt als "Giuseppe Forcher" firmierte. Unwahrscheinlich ist dennoch, dass "Giuseppe" und nicht "Josef" tatsächlich der Wunschname seiner Eltern war, und beinahe ausschließen kann man wohl, dass Forcher noch in der Zweiten Republik italienischer Staatsbürger war. Ethnischer Italiener, wie es die Bezeichnung "gebürtiger Italiener" suggeriert, war er gewiss keiner.
Viel eher wird man vermuten, dass für einen Südtiroler anno 1930 der Vorname "Josef" schlicht nicht vergeben werden konnte. Denn gewiss und eigentlich bekannt ist, dass die Zwangsitalianisierung Südtirols unter den italienischen Faschisten besonders brutal war: Der Gebrauch der deutschen Sprache war im öffentlichen Raum verboten, und nicht nur Orts-, sondern auch Personennamen wurden zwangsitalianisiert. Selbst aus einem achtzigjährigen Franz wurde ein "Francesco" und aus einem Josef eben ein "Giuseppe". Sogar deutsche Familiennamen haben italienische Übersetzungsversuche erfahren.
Ist all dies beim heutigen ORF vergessen, oder handelt es sich bei den zitierten Meldungen um eine bewusste Provokation? Jeder, der Forchers Sendungen verfolgte, weiß, dass Südtirol für Forcher immer ein Herzensanliegen war und dass daher auch Streifzüge durch Südtiroler Landstriche selbstverständlich Teil des "Klingenden Österreich" und keines "Klingenden Trentinos" waren.
Wollte man einen in der NS-Zeit geborenen Österreicher als gebürtigen Deutschen titulieren, weil er als Bürger des Deutschen Reiches zur Welt kam, bräche ein Aufschrei aus. Das wäre für viele wahrscheinlich "Wiederbetätigung". Aber auch sonst ist die Sache so windschief, dass es zum Himmel stinkt, wenn gleichzeitig der neue Innenminister angepatzt wird, weil sich auf dem Gebiet seiner Gemeinde, der er als Bürgermeister vorstand, ein Engelbert-Dollfuß-Museum befindet.
Wenn man zu diesem Museum liest, dass dieses zuletzt 2001 auf Vordermann gebracht wurde, ist es äußerst unwahrscheinlich, dass in dessen Räumen eine unkritische Verehrung Dollfuß´ erfolgt. "Glorifizierung" bedeutet offenbar schon, dass Dollfuß nicht ausnahmslos als Diktator und Mörder verdammt wird und Information über das Leben und Wirken einer Person noch nicht durch volkspädagogische Effekthascherei ersetzt ist. In Hinblick auf Mussolini (der im Gegensatz zu Dollfuß mit Hitler paktiert hatte) ticken die Uhren offenbar anders . . .
Wilfried Grießer, geboren 1973 in Wien, ist Philosoph und Buchautor.