Die Linke ist zu weit gegangen und muss sich dem Diskurs stellen

Mit Beginn des Jahrtausends, also rund ein Jahrzehnt nach Fukuyamas nicht stattgefundenem "Ende der Geschichte", hat die Linke in Europa und Nordamerika damit begonnen, sich gesellschaftspolitisch immer tiefer und tiefer in abstruse Minderheitenthemen zu verlieren, diese aufzublasen und so darzustellen, als wären sie wichtigster Mittelpunkt aller demokratiepolitischer Überlegungen überhaupt. Und dabei wurde jeder, der nicht bereit war und ist, diese "Überzeugungen" zu teilen, auf das Energischste bekämpft. Und ausgegrenzt. Und mittlerweile "gecancelt".

Alles, was nicht links ist, ist der Feind. Erst unlängst hat Jutta Ditfurth auf Twitter zu vermelden gewusst, auch die Mitte wäre zu nichts zu gebrauchen. "Rechts" ist gleich "rechtsextrem" ist gleich Nazi: eine Ableitung, die mittlerweile immer schneller und brutaler Anwendung findet.

Dreh- und Angelpunkt ist dabei beinahe immer eine Spielart von "Rassismus". Ein Begriff, der nunmehr überhaupt keine sinnvolle Bedeutung mehr erfährt, ist doch derjenige, der einer Religion kritisch gegenübersteht, genauso "Rassist" wie ein anderer, der nicht die gesamte Welt in Mitteleuropa (und den USA) angesiedelt – also "gerettet" – wissen will.

Die Widersprüchlichkeit dieser Orchideenthemen, die die Linke besetzt, wird durch eine sich perpetuierend selbstreferenzierende, ungeheure Zahl von Politik- und Genderwissenschaftlern nonchalant durch immer und immer wieder neue "Studien", "wissenschaftliche Erkenntnisse", dummdreiste wie inhaltsleere englische Begriffe oder, wenn es kritischer wird, mit einem knappen "Nazi-Vorwurf" zugedeckt. So sind einerseits in unseren modernen Gesellschaften Frauen durch ein (wohl "systemisches") Patriarchat furchtbar unterdrückt, gleichzeitig gibt es aber andererseits gar keine "Frauen" in der modernen linken Denke. Denn – wenn überhaupt – dann sind "Frau" und "Mann" ja nur "Konstrukte" einer unterdrückenden Gesellschaft. Der dritte Widerspruch in diesem Thema sind die vielen Geschlechter, die es doch wieder geben soll, und die immer mehr Formulare füllen.

Wichtigstes verbindendes Merkmal der linken Themensetzung ist es aber bei aller eben angesprochenen Irrationalität, "Opfer" zu kreieren. Der Migrant ist Opfer, der Transsexuelle, die Frau, der Transmann, der Nichtheterosexuelle oder eben auch alle – bei uns lebenden – Muslime. Allen wird ihre Individualität, ihre Eigenständigkeit und vor allem ihre Selbstbestimmung genommen, denn sie alle müssen ja in unserer sie "diskriminierenden Gesellschaft" leben oder wohl besser leiden.

Es ist ein fürchterlicher Irrweg, der hier von der Linken beschritten wird. Vor allem der immer enger werdende "Meinungskorridor", den die Linke zulässt. Beispielsweise in der Flüchtlingsthematik muss es ein Umdenken geben, zumindest aber muss fair und demokratisch darüber diskutiert werden dürfen, ob "Hilfe" für Flüchtlinge auch anders möglich ist, als sie alle bei uns aufzunehmen und zu alimentieren. Ein fürchterlich schwieriges Thema, weil auch mir Rechtem das Herz stehen bleibt, wenn ich ein Kind tot am Strand liegen sehen muss. (Ungeheuerlich, dass jedem Nichtlinken diese Empathie abgesprochen wird!) Nur möchte ich sichergestellt wissen, dass auch meine Position dazu – die meiner Meinung nach das Leid deutlich besser bekämpfen würde! – gehört werden darf. Ohne mich zum Rassisten, Nazi oder sonstigem Verbrecher zu machen.

Am 9. Dezember hat sich im österreichischen Nationalrat der "ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss" konstituiert. Kai Jan Krainer (SPÖ) und Konsorten möchten mit diesem Ausschuss vermessen, "wie breit und tief dieser Korruptionssumpf" sei, der sich durch die "Erkenntnisse" des Ibiza-Untersuchungsausschusses vor allem für Krainer und Konsorten abzeichnet. Ich halte einen Untersuchungsausschuss, der eine der in diesem Parlament vertretenen Parteien "politisch kontrollieren" will, für ausnehmend fragwürdig. Im Grunde sehe ich damit ein weiteres Indiz – hier in der österreichisch-innenpolitischen Variante – dafür, dass sich die Linke nicht bloß verrannt hat, nein, dass sie außer Rand und Band geraten ist. Die Linke ist zu weit gegangen! Die demokratische Linke muss diesem Kurs abschwören, muss auf die demokratische Rechte zugehen und mit ihr wieder sinnvoll in Diskurs treten. Sonst wird das furchtbar enden.

Christian Klepej ist Unternehmer und gibt in Graz das Monatsmagazin Fazit heraus. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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