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Wer kann die Strategie der FPÖ noch verstehen?

Den Freiheitlichen ist zweifellos 2019 durch den Hinauswurf aus der schwarz-blauen Koalition Unrecht geschehen; dieser Hinauswurf ist zumindest gegenüber Herbert Kickl ein Unrecht gewesen. Das macht allerdings die heutige, nur noch auf Rache abgestellte Strategie der FPÖ nicht weniger irrational – einmal angenommen, hinter ihrem Verhalten steckt eine Strategie und nicht nur emotionales Ressentiment. Noch bemerkenswerter ist aber, wie sich die Freiheitlichen inhaltlich derzeit gegenüber ihren internationalen Verbündeten isolieren.

Besonders rätselhaft wird der Blick auf die Partei, wenn man sie nach dem Cui bono analysiert. Denn die gesamte Aktivität der derzeitigen FPÖ-Führung kann im Grund nur zu einem einzigen Ergebnis führen: zu Neuwahlen und zu einer linken Ampelkoalition. Denn ihr Versuch, selbst mit den Linksparteien in eine Partnerschaft zu gelangen, ist eindeutig gescheitert. Zwar schien ausgerechnet die SPÖ eine Zeitlang durchaus zu einer signifikanten Annäherung an die Blauen bereit, obwohl sie eigentlich seit den 80er Jahren eine geradezu militante Ab- und Ausgrenzung betrieben hat. Aber letztlich hat die SPÖ den Sprung doch nicht gewagt – auch deshalb, weil die Grünen nicht mitzumachen bereit waren.

Einen zweiten Versuch wird es bei den Linksparteien mit Sicherheit nicht geben. Diese warten und hoffen derzeit vielmehr auf etwas ganz anders: Ob sich nicht endlich doch einmal ein rot-pink-grüne Mehrheit ausgeht. Sobald Meinungsumfragen eine solche versprechen, werden zweifellos auch die Grünen den Absprung aus der Regierung wagen. Und die gegenwärtige ÖVP-Krise könnte das bald ermöglichen.

Schon schreiben die linken Lobbyisten begeistert eine österreichische "Ampel" herbei (mit dem einzigen Unterschied, dass halt die Schwester der gelben Partei Deutschlands bei uns die pinke Farbe trägt …). Es gibt in Österreich offensichtlich wieder einmal selbsternannte Intellektuelle, die ganz begeistert von dem sind, was in Deutschland passiert. Was wir in der Geschichte ja schon mehrfach ganz ähnlich, wenn auch mit jeweils variierenden Inhalten sehen haben können. Nicht erst 1938 oder 1970.

Die tiefen Verletzungen des Herbert Kickl sind verständlich, weil 2019 von Sebastian Kurz ohne objektiv nachvollziehbare Begründung nach dem Abgang von H.C. Strache auch Kickls Rücktritt verlangt worden war. Dennoch war und ist in der Folge Kickls Rachefeldzug sowohl für die FPÖ wie auch Österreich katastrophal gewesen. Das hat Norbert Hofer richtig erkannt, der die FPÖ nach Überwindung des Ibiza-Unfalls wieder in die Regierung zurückführen wollte.

Aber wie so oft in der Geschichte der politischen Parteien hat sich auch in der FPÖ der emotionale gegen den rationalen Kurs durchgesetzt. Die Emotionalität war nicht nur im Rachefeldzug zu beobachten, bei dem jede einzelne politische Entscheidung immer von der Frage dominiert war, wie man sich an Sebastian Kurz am intensivsten rächen kann. Emotionalität hat dann aber auch den radikal impfgegnerischen Kurs der FPÖ beherrscht.

Damit hat sich die FPÖ selbst auf viele Jahre aus allen Koalitions-Perspektiven hinausgeschossen. Als weitere Folge hat die Linke die Garantie, dass mindestens eine Linkspartei an der Regierung beteiligt ist, während sie in aller Ruhe darauf warten kann, bis sie einmal die Mehrheit hat. Aber ebenso ist es der FPÖ gelungen, auch der ÖVP tatsächlich nachhaltig schaden zu können. Sie scheut nicht einmal davor zurück, die Aktionen der Korruptionsstaatsanwaltschaft zu unterstützen, obwohl diese alles, was mit FPÖ zu tun hat, mindestens genauso hasserfüllt verfolgt, wie sie die ÖVP jagt.

Die FPÖ hat sich im letzten Jahr aber auch international total isoliert, auch wenn das in Österreich völlig unbemerkt geblieben ist. Nicht weil sie eine rechtsextremistische Partei wäre, wie manche Linken behaupten, sondern wegen ihres Kurses  in zwei der wichtigsten Themengebiete der Politik: Sowohl beim Thema Impfen wie auch beim Thema Atomkraftwerke. Dabei hat die FPÖ in den letzten Jahren auf internationaler Ebene eigentlich einige Erfolge beim Versuch erzielt, aus dem Status eines Unberührbaren auszubrechen. Diese Erfolge drohen jetzt aber wieder völlig verloren zu gehen.

Beim Thema Impfen haben sich nämlich alle als "rechtsnational", "rechtspopulistisch" oder "rechtskonservativ" bezeichneten Parteien in ganz Osteuropa im totalen Gegensatz zur FPÖ ganz klar für den Impfschutz und zunehmend auch die Einführung eines Impfzwanges ausgesprochen. Dabei wollte die FPÖ eigentlich auf Ebene des EU-Parlaments mit allen Mitteln näher an diese heranrücken.

Auch die Parteien wie die des Italieners Matteo Salvini oder der Französin Marine Le Pen sind beim Impfen zumindest ambivalent unterwegs. Zwar hat Salvini versucht, im italienischen Parlament eine Anti-Impf-Kampagne aufzuziehen – aber bei der entscheidenden Abstimmung hat dann seine halbe Fraktion gefehlt, was eine ziemliche Ohrfeige für ihn gewesen ist und gezeigt hat, dass viele Lega-Politiker ganz anders denken als Salvini.

Noch viel deutlicher ist die tiefe inhaltliche Kluft zwischen FPÖ und ihren Schwesterparteien beim Thema Atomenergie geworden. Denn während die FPÖ einen strikten Anti-Atomkurs fährt, sind buchstäblich alle europäischen Parteien, mit denen sie sich gerne verbrüdern möchte, heute massiv für Atomkraftwerke. Sie sehen keine andere Lösung mehr für das Energieproblem als möglich an. Mehr als ein halbes Dutzend Länder plant den Bau weiterer AKWs, die inzwischen weit effizienter, billiger und sicherer geworden sein dürften, als sie vor 40 Jahren waren. Das gilt nicht nur für die Osteuropäer, sondern auch für Salvini und Le Pen. Beide haben sich sogar unter dem Druck der grünen Klimapolitik in der EU ganz massiv für die Atomenergie eingesetzt. Aber auch die deutsche Schwesterpartei AfD hat sogar eine eigene Kampagne für Atomkraftwerke gestartet.

Daher bleibt die FPÖ in dieser immer wesentlicher gewordenen Frage international absolut allein. Wenn man nachforscht, warum sie sich in diese Außenseiter-Position begeben hat, stößt man auf zwei Faktoren: Zum einen fehlen in der Partei Nachdenkstrukturen für viele wichtige inhaltliche Bereiche. Zum anderen ist gerade in dieser Frage die FP sehr stark von der "Kronenzeitung" geprägt, deren charismatischer Gründer Hans Dichand die (damals) auflagenstarke Zeitung und gleichzeitig die von ihm vielfach unterstützte FPÖ auf klaren Antiatomkurs gebracht hat. Von dem kommen beide nicht mehr herunter.

Damit zeigt sich, dass die FPÖ in wichtigen Bereichen geistig von linksgrünen Positionen geprägt ist – ohne es wohl selbst zu bemerken. Dabei ist die Antiatombewegung sogar die Hauptwurzel der gesamten grünen Bewegung. Und auch viele Elemente der Antiimpfbewegung kommen aus stramm linkem Dunstkreis: vom antikapitalistischen Hass gegen Pharma-Konzerne bis zur esoterischen Begeisterung für Naturheilmethoden. Zwar sind die offiziellen Linksparteien ganz eindeutig für das Impfen. Aber in den Aktionen der Coronaleugner und Impfgegner findet man sehr viele Linke. Vom bekanntesten Abtreibungsarzt Österreichs bis zu den prominentesten linken Vordenkern Deutschlands namens Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine.

Oder versucht die FPÖ gar, bewusst zur Linkspartei zu werden, um unter guten Menschen salonfähig zu sein?

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