Die unbestreitbare Opferrolle Österreichs

Als im Europa der 1930er Jahre das Gefahrenpotenzial des Nationalsozialismus zu wachsen begann und zur realistischen Bedrohung wurde, buckelte ganz Europa vor Adolf Hitler. Österreich war der erste und einzige Staat, der konkrete politische und gesetzliche Maßnahmen gegen die Ausbreitung der nationalsozialistischen Machtansprüche ergriffen hat. Keine fünf Monate nach Hitlers Machtergreifung wurden im Juni 1933 die NSDAP und alle ihre Gliederungen in Österreich verboten!

Österreichs Bundeskanzler Engelbert Dollfuß bezahlte diese Kampfansage als einziges staatsmännisches Opfer des NS-Regimes mit seinem Leben.

Fünf Jahre lang, von 1933 bis 1938, kämpfte Österreich einen heldenhaften Kampf um seine Selbständigkeit und gegen Hitlers immer deutlicher werdende Aggressionspolitik.

In diesen fünf Jahren bewährte sich Österreich als Hoffnung und Zuflucht für politisch und rassisch verfolgte Künstler und Intellektuelle.

Das gesamte Ausland ließ Österreich in diesem Kampf allein. Mehr noch: Hitler-Deutschland wurde durch die Sieger des Ersten Weltkriegs, die längst ihre Interessenlagen verändert hatten, zur Einverleibung Österreichs ermuntert. Gleichzeitig wurde den Österreichern empfohlen, den Anschluss selbst herbeizuführen.

Vor allem Frankreich und Großbritannien zeigten auf Hitlers gigantische Aufrüstung und seine offenbar unterschätzte Expansionspolitik keinerlei Reaktionen. Zu spät kam die Einsicht, dass diese Staaten militärisch einem Kampf gegen Hitler in keiner Weise mehr gewachsen waren.

Österreich war das erste Opfer der deutschen Expansionspolitik, aber auch ein billiges Bauernopfer der Alliierten zur vermeintlichen Ruhigstellung Hitlers, bis sie wieder das militärische Gleichgewicht hergestellt hatten, was bis 1940 weder Frankreich noch England gelang.

Hitler und Göring nutzten 1938 diese politische Großwetterlage zum gewaltsamen Anschluss Österreichs, wie aus ihren ganz konkreten Befehlen hervorgeht: größte Rücksichtslosigkeit bei militärischen Aktionen, standrechtliche Hinrichtungen.

Die Blitzkriege gegen die weit größeren Staaten Polen 1939 und Frankreich 1940 sowie die Anfangserfolge gegen die Sowjetunion 1941 bewiesen die Sinnlosigkeit eines militärischen Widerstands Österreichs. Ein Schießbefehl für das schwache österreichische Heer konnte menschlich nicht vertreten werden: "Das Vergeltungsgemetzel wäre fürchterlich gewesen."

Keinesfalls wäre Hitler im Rahmen einer freien Entscheidung mit Zustimmung einer Bevölkerungsmehrheit in Österreich an die Macht gekommen! Es ist inakzeptabel, dass Politik und Wissenschaft die Minderheit verabsolutieren und die Mehrheit ignorieren.

Die Stärke der NSDAP in der österreichischen Gesamtbevölkerung erreichte nie mehr als 30 Prozent. Allerdings verstanden es die Nazis, ihre Anhänger auf die Straße zu bringen. So wurde der Einmarsch der deutschen Truppen zum scheinbaren Blumenkrieg.

Zumindest 70 Prozent der österreichischen Bevölkerung waren gesinnungsmäßig keine Nationalsozialisten und wurden zum Opfer einer totalen Diktatur. "Mit dem 13. März 1938 wurde jeder, der nicht mitmarschierte, ein Staatsbürger dritter Klasse." Trotzdem werden diese 70 Prozent des Volkes, die nicht mitmarschierten, und deren Nachkommen seit nunmehr 75 Jahren für die höchstens 30 "braunen" Prozente in Geiselhaft genommen und für die Verbrechen dieser Minderheit verleumdet und bestraft.

Österreich wurde in den Märztagen 1938 ausgelöscht. Auch mit den absurdesten dialektischen Verrenkungen lässt sich zwischen 13. März 1938 und 27. April 1945 kein existierendes oder gar handlungsfähiges Österreich konstruieren. Was nach dem Willen der Siegermächte des Ersten Weltkriegs 1918 "übrig geblieben" war, stand sieben Jahre politisch, medial, kulturell, wissenschaftlich und administrativ ohne jede Möglichkeit eigener Gestaltung unter dem Diktat Berlins. Daher wurde 1955 auch die Mitschuldklausel Österreichs aus dem Entwurf des Staatsvertrages gestrichen.

Das österreichische Volk aber wurde Opfer des Anschlusses, Opfer eines fremden Krieges, Opfer einer zehnjährigen Besetzung und am Ende Opfer einer nun mehr als 75 Jahre dauernden Demütigung und Verleumdung.

Allzu oft ausgeklammert werden in geschichtlichen Rückblicken jene Österreicher, die im Widerstand gegen den Nationalsozialismus ihr Leben gegeben oder zumindest riskiert haben, nur weil ihre Taten nicht in die Verleumdungskampagne gegen die österreichische Kriegsgeneration passen. Ausgeklammert werden die vielen, die man "Helden im Alltag" nennen muss, die aus allen politischen Lagern kamen, darunter nicht wenige Katholiken: Priester, Ordensleute und Laien, die in die Konzentrationslager verbracht und ermordet wurden.

Auch das ist klar: Es gab österreichische NS-Fanatiker und Sympathisanten, Opportunisten, Mitläufer, Mittäter – sie blieben aber einschließlich der Illegalen und der eingeschriebenen Parteigenossen immer nur eine Minderheit. Nur ein Teil dieser Minderheit hat auch persönliche Schuld auf sich geladen.

Es gab in dieser braunen Minderheit auch Schwerverbrecher, die sich aber nie als Österreicher gefühlt haben und mehrheitlich ihre Strafe fanden. An der Bevölkerungszahl gemessen hat das 1945 wiedererstandene Österreich mehr Schuldige hingerichtet und bestraft als jeder andere Staat.

Aber auch diese Verbrecher und die anderen Mittäter und die Mitläufer und Sympathisanten können nicht die Kollektivschuld der deutlichen Mehrheit des österreichischen Volkes begründen, das in vierfacher Weise das Opfer einer gnadenlosen Zeit geworden war.

Wer die unbestreitbare Opferrolle Österreichs und der Österreicher leugnet, kann für diese zentrale Lüge der Zeitgeschichte nur unlautere Gründe haben, zumal das Opfer Österreich für dieses Schicksal nie entschädigt wurde, sondern immer nur selbst bezahlt hat – zunächst bis zum Staatsvertrag mit weiteren zehn Jahren Freiheitsverlust, später durch die Demütigung seitens moralisch höchst zweifelhafter Instanzen, durch einen parteipolitischen Kleinkrieg der Linken zur Ablenkung von Fehlentwicklungen der eigenen Geschichte, durch die Gehirnwäsche an Generationen von Nachgeborenen in Form gezielter Verleumdung ihrer Vorfahren und nicht zuletzt durch 75 Jahre Tributzahlungen in der Höhe eines Mehrfachen dessen, was der Rechenstift ausweist.

Dieser Text stammt aus dem eben erschienenen Buch von Willi Sauberer "Die gescholtene Kriegsgeneration Eine Rot-Weiß-Rote Faktensuche." Bestellungen: Österreichischer Milizverlag, Schwarzenbergkaserne Objekt 48, 5071 Wals. Mail: milizverlag@miliz.at. Fax: 050201-80-17414. Homepage: www.miliz.at.

Willi Sauberer, Schüler Hugo Portischs, war ab 1961 Mitarbeiter von Alfons Gorbach, Josef Klaus und Hermann Withalm und von 1971 bis 1994 Chefredakteur einer kleinen Salzburger Tageszeitung. Der konservative Publizist schreibt vorwiegend über gesellschaftspolitische, zeithistorische und lokalgeschichtliche Themen.

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