Dieser Putschversuch ist gescheitert

Die mittlerweile offensichtlich im Sand verlaufene Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel bezeichnete Sektionschef Christian Pilnacek bekanntlich als Putsch. Dass es in der Auseinandersetzung zwischen dem türkisen Teil der Bundesregierung und der WKStA so weitergehen würde, war zu erwarten. Der Stoff, aus dem die Fronten verhärtet sind, wird die nächsten Jahre nicht ausgehen. Der jüngste Putschversuch, den Sebastian Kurz durch einen smarten Schritt abgewehrt hat, folgt allerdings einem erprobten Drehbuch mit Gesamtkunstwerkcharakter.

Hätten wir es bloß mit einem routinemäßigen strafrechtlichen Vorverfahren zu tun, das der Aufklärung eines Anfangsverdachtes dient, wären wohl keine Informationen nach außen gelangt. Da es sich beim aktuellen Fall um politische VIPs handelt, war es klar, dass Journalisten bald Wind von der Sache bekommen und der Blätterwald rauscht. Der Vorwurf der Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit im Zusammenhang mit der Übernahme der damals maroden ÖVP birgt schon einiges an Zündstoff.

Der jüngste Paukenschlag der WKStA – deren selbst geschriebene Anordnung von einem Richter lediglich mittels Stampiglie bewilligt wurde – bedurfte allerdings keines investigativen Journalismus. Da die Veröffentlichung der Anordnung der Hausdurchsuchungen praktisch zeitgleich mit deren Durchführung erfolgte, muss auch der Informationsfluss schon im Vorfeld erfolgt sein. Hinzu kommt, dass der einige Stunden später veröffentlichte und sorgfältig selektierte Mail-Verkehr gleichzeitig mit der Bekanntgabe der Freigabe der Akteneinsicht für die Beschuldigten das Licht der Öffentlichkeit erblickte.

Es ist sohin aus zeitlichen Gründen auszuschließen, dass die Anordnung der Hausdurchsuchungen und der Mail-Verkehr von irgendeinem Beschuldigten an die Medien gespielt worden wären. Da es auch keinen parlamentarischen Untersuchungsausschuss gibt, können diese Informationen auch nicht von den Abgeordneten des Nationalrats stammen – worauf sich die Staatsanwaltschaften bei einem Verrat von Amtsgeheimnissen bislang immer beriefen.

Denkmöglich erscheint daher nur eine Variante: All diese Informationen über mutmaßliche Straftaten im Zusammenhang mit der Übernahme der ÖVP stammen aus dem Apparat der Justiz.

Nun wird die Sache pikant: Wenn man der Ansicht zuneigt, dass das jüngste Strafverfahren gegen Kurz & Co zumindest indirekt der Übernahme der Regierung dienen sollte und damit die mutmaßliche Straftat des Bruchs des Amtsgeheimnisses einhergeht, steht jener Vorwurf im Raum, gegen den sich die Ermittlungen der Justiz richten: strafbares Handeln zwecks Änderung der Machtverhältnisse.

Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Kein Staatsanwalt würde sich um eine zeitlich abgestimmte Veröffentlichung einer Hausdurchsuchungsanordnung selbst kümmern oder sich eingehend mit PR- oder Machtfragen beschäftigen. Wenn im Zusammenhang mit der politischen Verwertung der Haudurchsuchung catilinarische Existenzen mitgewirkt haben, dann anderswo.

Weiterhelfen könnte ein Blick auf das Doskozil-Drehbuch, nach dem die Causa Eurofighter medial im Februar 2017 gestartet wurde. So ungefähr könnte man die Methode zusammenfassen:

  1. Experten erstellen ein vielseitiges und tadellos wirkendes Papier
  2. Ausgewählte Journalisten werden mit diesem Papier versorgt
  3. Beobachtung der Konstituierung des öffentlichen Scherbengerichts
  4. Follow-up-Versorgung der Öffentlichkeit mit ausgewählten Sachverhaltselementen (Chats), die nicht einmal theoretisch strafbar, allerdings politisch peinlich sind.

Schon in der französischen Revolution hat die der Königin in den Mund gelegte Brot- und Kuchenaussage die gewünschte Putschstimmung hochgetrieben ("Marie-Antoinette-Taktik"). Der Rest läuft von selbst ab. Peter Pilz, der über eine jahrzehntelang Erfahrung in Sachen mediengerechter Aufarbeitung von skandalisierungsgeeigneten Sachverhalten verfügt, nennt dies jüngst auf seiner Plattform ZACKZACK "Kettenreaktion". Auf dieser Plattform war die Anordnung der Hausdurchsuchungen praktisch zeitgleich mit deren Durchführung  zur allgemeinen Einsicht freigegeben.

Die näheren Umstände um die Anordnung der Hausdurchsuchung und die Frage, ob die Staatsanwaltschaft selbst als Teil einer versuchten Machtveränderung instrumentalisiert worden ist, könnte eines Tages Gegenstand einer ausgiebigen Untersuchung sein. Insofern, als mittels einer gezielten Veröffentlichung einer Hausdurchsuchungsanordnung das Meinungsklima derart beeinflusst werden könnte, dass ein faires, unvoreingenommenes Verfahren nicht mehr garantiert ist, kann es auch zu einem Konflikt mit der Menschenrechtskonvention kommen. Da die Schutzbestimmungen dieser EMRK auch für Politiker gelten, die einer Straftat beschuldigt sind, stünde es der Spitze des Justizministeriums gut an, zu reden und zu handeln.

Interessant wäre auch die Frage zu klären, ob es eine außerjustizielle Einflussnahme auf den Text der Anordnung zwecks PR-mäßiger Verwertung gab. Die Beschreibung der Rolle des Sebastian Kurz klingt eher nach der Tastatur einer Werbeagentur als jener eines erfahrenen Staatsanwalts, der jeden Eindruck vermeidet, dass die Anordnung der Hausdurchsuchung als eine juristisch maskierte Kampfschrift gegen Sebastian Kurz erscheint.

Wenn man von einem Zeithorizont von fünf Jahren für derartige Untersuchungen ausgeht, könnte es unter ganz anderen Machtverhältnissen überraschende Ergebnisse geben.

Um all das zu verhindern, sollten die Staatsanwälte einen Selbstreinigungsprozess einleiten. Da die allerallermeisten Staatsanwälte grundanständige Menschen sind, die sich nicht politisch instrumentalisieren lassen möchten, wären sie gut beraten, die Orchestrierung der Umstände rund um die Hausdurchsuchungsanordnung rechtzeitig und aus eigenem Antrieb aufzuklären.

Georg Vetter ist Rechtsanwalt, Vorstandsmitglied des Hayek-Instituts und Präsident des Clubs Unabhängiger Liberaler. Bis November 2017 ist er in der ÖVP-Fraktion Abgeordneter im Nationalrat gewesen.

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