Testpflicht für Geimpfte: Wie die Regierung ihre Impfkampagne torpediert

Für Geimpfte sei die Pandemie vorbei, hatte es geheißen. Geimpfte brauchen nicht mehr testen. Nun machen die Lehrer den Anfang: Zumindest in den ersten beiden Schulwochen sollen sie unabhängig vom Impfstatus dreimal pro Woche verpflichtend testen müssen. Das mag gut gemeint sein, erweckt aber angesichts der ohnehin sehr hohen Durchimpfungsrate der Lehrer die Frage, ob der Staat den Impfungen nicht mehr vertraut. Jedenfalls sieht nun jeder, dass die mit dem Impfen in Aussicht gestellte Verheißung nicht ernst gemeint war.

Anstatt, wie erst jüngst von Sebastian Kurz versprochen, vermehrt auf Eigenverantwortung zu setzen und die noch bestehenden Restriktionen (z.B. Maskenpflicht) allmählich mit einem Ablaufdatum zu versehen, könnte der Trend bald auch für weitere Gruppen und Anlässe in Richtung Impfen plus Testen gehen. Und das, obwohl die Infektionszahlen derzeit nur sachte linear steigen und die Hospitalisierungszahlen sich in allen Ländern des Westens vom Infektionsgeschehen entkoppeln. Auch das Argument, es gelte in den Schulen die Kinder zu schützen, überzeugt nur bedingt: Erstens erkranken diese nur selten schwer, und zweitens hat jeder Oberstufenschüler längst ein Impfangebot. Eine HTL zum Beispiel ist hier nicht mit einer Volksschule gleichzusetzen.

Mit guten Gründen kann gefragt werden, ob eine Testpflicht auch für geimpfte Lehrer überhaupt rechtskonform wäre: Das Covid-19-Maßnahmengesetz ermöglicht zwar die Verordnung von Testpflichten im Zusammenhang mit dem Betreten von Arbeitsorten, stellt aber weiterhin Geimpfte und Genesene Getesteten "grundsätzlich gleich", sofern aufgrund einer Impfung "keine unverhältnismäßig größere epidemiologische Gefahr ausgeht" als von negativ getesteten Personen. Dies ist aber weiterhin gegeben: Die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine geimpfte Person infiziert, ist erheblich geringer, und auch wenn Geimpfte neuesten Erkenntnissen zufolge genauso infektiös sein können (aber nicht müssen!) wie Ungeimpfte, so sind sie dies nur für einen kurzen Zeitraum, weil deren Immunsystem offenbar schneller an Fahrt aufnimmt.

Nur wenn dies "aus epidemiologischen Gründen unbedingt erforderlich ist", gestattet das Covid-19-Maßnahmengesetz Ausnahmen von der Gleichstellung Geimpfter mit Getesteten. Dies wird man aber im Schulkontext kaum veranschlagen können, da ja ohnehin die Schüler engmaschig getestet werden. Geht es in dieser sogenannten "Sicherheitsphase" um die Problematik der Reiserückkehrer (das Virus kommt bekanntlich mit dem Auto), wären auch Einreisetests, wie sie Deutschland beschlossen hat, eine Option, um einen raschen Anstieg des Infektionsgeschehens zu Schulbeginn zu verhindern.

Auch ist es fraglich, ob kurze Schulschließungen im Fall des Falles wirklich eine derartige Katastrophe wären wie jetzt allseits veranschlagt. Schulschließungen sind erwiesenermaßen effektiv, um die Infektionszahlen zu senken, und gerade im "mobileren" und daher ansteckungsgefährdeteren Oberstufensegment hatte das Hometeaching zuletzt gut geklappt.

Noch eindeutiger ist das Epidemiegesetz, das die Teilnahme an sogenannten Screeningprogrammen ausdrücklich als freiwillig erklärt. Ein systematisches Durchtesten sämtlicher Lehrer zu Schulbeginn ist jedoch nichts anderes als ein Screeningprogramm einer ganzen Berufsgruppe. Dabei spielt es keine Rolle, dass es für geimpfte Lehrer momentan ohnehin "nur" um "Nasenbohrertests" geht und nicht um invasivere PCR-Tests. Die würden vielleicht noch folgen, wenn erst einmal die Tür zu einer Testpflicht auch Geimpfter aufgestoßen wird und die Inzidenz im Herbst aller Voraussicht nach steigen wird.

Hinzu kommt, dass die Neunmonatsfrist, innert derer man die rechtlichen Vorteile des Geimpftseins genießt, für den großen Teil der schon früh geimpften Lehrer genau rechtzeitig mit der kalten Jahreszeit im Zeitraum November/Dezember erlischt. Drittimpfungen werden hingegen erst neun Monate ab der Zweitimpfung empfohlen, sodass "zufällig" genau über den Winter eine Lücke verbleibt, in der sehr viele Geimpfte auch für Restaurant & Co. zum Testen gezwungen werden. Davon, diese Frist angesichts der erwiesen guten Wirkung der Impfstoffe zu verlängern (oder überhaupt die 3G-Regel aufzuheben), ist nirgends noch die Rede. Die Stadt Wien, die jetzt schon restriktivere Testpflichten als der Rest des Landes hat, weiß wohl schon, warum die Tests gratis bleiben sollen! 

Fazit: Die politischen Akteure spielen nicht mit offenen Karten. Hieß es eben noch, geimpfte Schüler würden vom Testen befreit, so galt auch dies für die zweiwöchige "Sicherheitsphase" schon einen Tag später nicht mehr. Von Ländern wie Russland weiß man jedoch: Mangelndes Vertrauen in den Staat und seine Behörden ist ein Hauptgrund dafür, dass Impfkampagnen ins Leere laufen.

Wilfried Grießer, geboren 1973, ist BHS-Lehrer in Wien.

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