Leser des "Tagebuchs" werden über das Ping-Pong-Spiel zwischen den für Asylfragen zuständigen Instanzen im Fall des 18-jährigen eines Mordes verdächtigen Afghanen nicht verwundert sein. Ein besonders krasser Fall wurde im Tagebuch vor Kurzem aufgezeigt.
Aus dem vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zu diesem Fall veröffentlichten Stellungnahme sind geradezu idealtypisch die Grundzüge vieler derartiger bei den Gerichten anhängiger Verfahren ersichtlich:
- - Die Einreise erfolgte während der Flüchtlingswelle 2015, ermöglicht durch die damals ins Leben gerufene "Willkommenskultur".
- - Der Asylantrag wurde bereits 2016 vom BFA abgelehnt: Wieder ein Fall eines "Verfolgten", der gar nie einer war.
- - Durch die behauptete Minderjährigkeit (die nie überprüft wurde) erhielt der Asylwerber vom BFA subsidiären Schutz zuerkannt. Offenbar ist einem Minderjährigen ein Leben in Afghanistan bei seinen Eltern oder Verwandten nicht zumutbar, wenn er bereits ein Jahr lang in Österreich aufhältig war. Dass ihm dort keine Verfolgung droht, war aber für die österreichische Verwaltung bereits erwiesen.
- - Nach zwei Verurteilungen wegen Suchtgiftdelikten wurde ein Aberkennungsverfahren vom BFA eingeleitet und der subsidiäre Schutz aberkannt.
- - Als Rechtstitel zitiert das BFA dafür den §9 Abs (2) Asylgesetz, offenbar die Ziffer 2, wonach bei "Gefahr für die Allgemeinheit" aufenthaltsbeendende Maßnahmen von Amts wegen gesetzt werden müssen.
- - Der in Politikerreden stets geforderte Automatismus, bei einem Verbrechen (also Strafdrohung über 3 Jahre) sofort abzuschieben ist in Ziffer 3 geregelt: Allerdings, wie im Fall eines somalischen Asylwerbers dargelegt greift dieser Paragraph "dank" eines EuGH-Urteils nicht mehr.
- - Natürlich berief der Afghane unterstützt durch eine noch nicht namentlich bekannte NGO gegen den Bescheid des BFA beim BVwG, der nächst höheren Instanz (Dass sich selbst für härteste Verbrechen NGOs finden, die eine Berufung finanzieren, zeigt der Fall einer Home Invasion).
- - Das Verfahren gegen den "18"-jährigen Afghanen ist daher noch im Laufen und so war er in der vorigen Woche noch in Österreich aufhältig.
Wer nun die Schuld beim BVwG sieht, sollte sich aber etwas tiefer mit der Materie befassen: der Fisch stink nämlich immer vom Kopf. Der Kopf in diesem Fall ist der österreichische Verfassungsgerichtshof, der im Asylwesen längst nicht mehr die Rolle eines die Verfassung hütenden Gerichtes einnimmt, sondern kleinste Details aus den Urteilen der unteren Instanzen moniert, sowie vollkommen unrealistische Arbeits- und Prüfaufträge verteilt.
Wer also wissen will, warum das BVwG zwei Jahre gebraucht hat, um ein (angesichts der Minderjährigkeit ohnehin aussichtsloses) Verfahren gegen einen aufgrund eines Suchtgiftdeliktes verurteilten Afghanen zu führen, der muss nur in die letzten Urteile des VfGH blicken:
- - Es könnte sein, dass das BVwG als Folge solcher VfGH-Urteile damit beschäftigt war, die Clan-Anbindung eines somalischen Asylwerbers in der Provinz Bula Hawa zu überprüfen.
- - Vielleicht aber war der zuständige Richter als Folge solcher VfGH-Urteile soeben dabei, die Jobchancen eines afghanischen Asylwerbers in der Provinz Mazar-i-Sharif zu eruieren.
- - Möglich wäre auch, dass der BVwG als Folge solcher VfGH-Urteile damit ausgelastet war, die Situation von Jugendlichen in der irakischen Provinz Diyala zu erheben.
Das ist nur ein kleiner Auszug aus den vom VfGH mit "ungenügend geprüft" an den BVwG zurückgeworfenen Fällen.
Selbst wenn der BVwG den Fall für sich abgeschlossen hätte, wäre dem Afghanen der Weg zum VfGH offen gewesen und wie das oben zitierte Urteil des somalischen Asylwerbers zeigt, und angesichts seiner Minderjährigkeit, mit beträchtlichen Erfolgschancen.
Die von Staatssekretärin Edtstadler geforderte Verschärfung des Asylrechtes und "raschere Abschiebungen" werden so natürlich nie stattfinden:
- - Dazu ist das Asylrecht bereits in Österreich zu verästelt;
- - Dazu ist es mit dem subsidiären Schutz bereits zu ausgehebelt;
- - Dazu hat der Gesetzgeber im VfGH einen deklarierten und aktivistischen Gegner;
- - Dazu hat das EU-Recht bereits zu sehr den Spielraum der heimischen Politik eingeschränkt;
- - Dazu entwickelt der EuGH dieses EU-Recht noch ständig weiter.
Eine Verschärfung des heimischen Asylrechts ist somit vollkommen unrealistisch. Es benötigt einen kompletten Umbau, natürlich auf europäischer Ebene. Die von Dänemark propagierten Erstaufnahmezentren in Drittstaaten könnten dazu ein Anfang sein: Zumindest die enorm wachsende Zahl der Fälle von "subsidiär Schutzberechtigten" sollten erledigt werden können.
("Karl Berger" ist ein Pseudonym. Der Autor ist bei einer international aktiven Beratungsfirma tätig und muss daher um Anonymität bitten. Er betreibt unter https://asylwatchinoe.blogspot.com einen Internet-Blog, der sich auf die Analyse der Asylentscheidungen insbesondere des Verfassungsgerichtshofs spezialisiert hat.)