Bill Clinton vermochte 1992 mit dem Sager: "It´s the economy, stupid" dem nach dem amerikanischen Sieg im Kalten Krieg und im Ersten Golfkrieg äußerst populären Bush Senior eine zweite Amtszeit zu verwehren. Er fuhr einen triumphalen Wahlsieg gegen Bush ein, indem er auf das Thema Wirtschaft setzte. Das zog bei den Amerikanern mehr als die erfolgreiche Außenpolitik Bushs.
Den österreichischen Linken und auch einigen Bürgerlichen aus der schwarzen "Mitterlehner-Fraktion" ist auch nach 30 Jahren von FPÖ-Wahlerfolgen und zwei triumphalen Wahlsiegen von Sebastian Kurz immer noch nicht klar, in welchem politischen Zeitalter wir in Österreich nun leben und das wohl auf eine lange, gar nicht absehbare Zeit. So sei diesen Ignoranten, in Anlehnung an das obige Zitat, ausgerichtet: It’s the demography, stupid!
Das Thema der demographischen Entwicklung (bziehungsweise Ausländerpolitik) gewinnt in Österreich schon seit 1990 Wahlen. Dieser Trend wird sich aufgrund des dramatischen Rückgangs der autochthonen österreichischen Bevölkerung auch in der Zukunft fortsetzen. Da kann die Sozialdemokratie noch so viele soziale Themen aufs Tapet bringen: Die Wähler interessiert mehrheitlich Anderes!
Historisch betrachtet gab es seit der ersten Demokratisierung in Österreich im Jahr 1848 immer wieder wechselnde politische Zeitalter mit einer gewissen Dauer und jeweils eigenen dominierenden Themenkonjunkturen. Im Jahr 1848 ging es etwa primär um eine Verfassung, staatsbürgerliche Rechte und politische Mitbestimmung. Nach der Niederschlagung der 48er Revolution arbeiteten die Demokraten hierzulande dann an der Milderung der habsburgischen Restauration und an der Rückgewinnung verlorener "1848er Rechte". Das wurde dann 1867 mit der Ausgleichsgesetzgebung erreicht: Der Reichstag verabschiedete eine Verfassung mit dem Grundrechtskatalog, es kamen Vereins- und Versammlungsrecht. Das allgemeine Wahlrecht ließ noch bis 1907 (Männer)/1918 (Frauen) auf sich warten.
Mit der Industrialisierung war der Wirtschaftsaufschwung und die Herrschaft der Wirtschaftsliberalen gekommen. Wie für die Amerikaner 1992 galt im k.u.k. Österreich 1867 bis 1879 die Prämisse: Es ist die Wirtschaft – Dummköpfe! Das war die Zeit der absoluten Regierungsmehrheit der deutsch-liberalen Verfassungspartei, deren liberale wirtschaftliche Versprechen von Aufstieg und Wohlstand aber mit dem Gründerkrach 1873 implodierten. Seitdem waren Liberale in Österreich bis zur Gründung des LIF und der Neos politisch gebrannte Kinder.
Ab den 1880ern wurde nach dem Gründerkrach und der politischen Emanzipation der nicht-deutschen Völker die neue Macht der Demographie DAS neue politisch entscheidende Thema. Deutschnationale, tschechische Nationalisten, nationalistische Polen und Italiener dominierten bis 1919 den Reichstag. Es ging um Nationalitätenstreit, Volkstumsgrenzen, nationale Rechte und "Blut und Boden" als Grundlage zur Schaffung einer eigenen Staatsnation im Vielvölkerreich. Es entstand ein zunehmendes Multikulti-Chaos mit einem Dutzend Nationalitäten, die größtenteils eigene Parteien in Wien unterhielten und die sich politisch gerne in den Haaren lagen, wenn es um "ihr Stück" am großen k.u.k. Staatskuchen ging.
Mit der Aufteilung Österreichs 1919 und den Folgen des Ersten Weltkrieges war dann die Frage der Demographie politisch gelöst – im klein gewordenen Restösterreich zumindest. Millionen Deutschösterreicher waren nun Minderheiten in den anderen k.u.k. Nachfolgestaaten, während Deutschösterreich einen Nationalstaat ohne große Minderheiten darstellte. So konnten sich die österreichischen Parteien und das Volk auf eine neue Themenkonjunktur stürzen: auf die politische Ideologie und Parteipolitik. Bürgerlich versus Sozialdemokratisch. Darüber wurde bis 1938 gerungen, bis der Zweite Weltkrieg und der NS-Staat eine politische Grabesruhe erzeugten.
Danach war im Wiederaufbau jahrzehntelang wieder das Wirtschaftsthema angesagt. Zumindest bis 1970 und der Ära Kreisky, wo die Politik vom Wirtschaftsaufbau in den Kampf um den Erhalt einer unwirtschaftlichen Staatswirtschaft schlitterte. Die Frage der Demographie sollte dann ab 1990 unter der Ära Haider ihr Comeback haben.
Und das zurecht. Seitdem ist nämlich der Anteil der Österreicher von rund 95 Prozent der Gesamtbevölkerung stetig auf heute nur noch 75 Prozent gefallen. Über 2 Millionen teils gut, teils schlecht integrierte Migranten leben nun in Österreich und verändern das Land massiv. In Wien sind die autochthonen Österreicher bereits seit ein paar Jahren in der Minderheit. Andere größere Städte wie Wels, Wiener Neustadt und Salzburg werden Wien schon bald folgen.
Es gilt daher einmal mehr das politische Primat der Demographie. Dazu gehören wichtige, ja essenzielle Fragen:
- Wohin entwickelt sich unser Land und unsere Gesellschaft?
- Wie kann Österreichs Kultur bewahrt werden, wenn die autochthonen Österreicher zur Minderheit werden?
- Zerbricht die Gesellschaft in viele Multikulti-Fraktionen?
- Müssten wir uns nicht wie Dänemark und Norwegen längst auf den Erhalt unserer Kultur besinnen, anstatt weiter illegale Migration und Masseneinwanderung zuzulassen, die das Land nicht gut verkraften kann?
Rasche Einbürgerungen der "Neoösterreicher" a la Peter Kaiser werden nicht nach dem Geschmack des heimischen Publikums sein. Ohne ausreichende Assimilation und Integration drohen wir nämlich direkt dort zu landen, wo Österreich um 1900 schon stand: Ein Parlament voller ethnischer, zersplitterter Parteien, die um einen paralysierten Multikulti-Staat und dessen Ressourcen ringen. Ob grüne und sozialdemokratische Politiker es wollen oder nicht: Das "Ausländer-Thema" respektive die Auswirkungen des demographischen Wandels werden Österreich in den nächsten Jahrzehnten politisch weiterhin massiv beschäftigen!
Julian Schiffauer arbeitet als Ökonom und schreibt über Politik, aktuelle Entwicklungen, Wirtschaft und unsere Gesellschaft.