Waffenverbot für Identitäre. Der nächste Schlag der türkisen Grundrechts-Gefährder

Während der Diskurs darum kreist, ob der ÖVP von Teilen der Justiz übel mitgespielt wird, betreibt die türkise Kanzlerpartei seit dem Wahlkampf 2019, als ein Verbot der "Identitären" zur Koalitionsbedingung erklärt worden war, ihrerseits mit großer Zähigkeit ein nicht nur übles, sondern brandgefährliches Spiel mit Grundrechten: Unter dem Titel einer Bekämpfung des "Extremismus" werden neben gewaltbereiten Islamisten regelmäßig auch rechtsstehende Gruppen an die Kandare genommen – bei der Erschwernis einer bedingten Entlassung, beim Verbot von Symbolen, und nun auch im Waffenrecht.

Konkret geht es in einem aktuellen Begutachtungsentwurf um den Begriff der waffenrechtlichen Verlässlichkeit als Voraussetzung für die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte und mithin für den legalen Besitz von Schusswaffen. Verlässlichkeit war bislang, grob gesagt, nur bei einer Verurteilung wegen Gewaltdelikten sowie beim Themenkomplex Trunkenheit, Drogen und psychiatrische Erkrankung nicht gegeben, wobei es im Fall der Trunkenheit zumindest dreier schwerwiegender Verwaltungsübertretungen bedarf, um keine Schusswaffe mehr besitzen zu dürfen. Künftig dürfen Waffen jedoch auch bei einer Verurteilung nach dem NS-Verbotsgesetz und selbst bei einer (einzigen!) Verwaltungsstrafe nach dem Abzeichengesetz, dem Symbolegesetz sowie einer auf die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts abzielenden Verwaltungsstrafbestimmung nicht mehr erworben bzw. weiter besessen werden.

Ein Bezug zu Gewalt ist bei diesen neu hinzugekommenen Delikten keineswegs so naheliegend, wie die mediale Propaganda suggeriert. Beginnen wir mit dem Verbotsgesetz, so hat sich dieses in seiner Anwendung in den letzten Jahren mehr und mehr Delikten wie der Verhetzung oder der Herabwürdigung religiöser Lehren angenähert. Der Regelfall einer Verurteilung sind Äußerungen im Internet, wobei schon ein einziges unbedachtes Posting für eine Verurteilung reicht.

Auch das Weiterleiten geschmackloser Witze mit NS-Bezug kann zu einer Verurteilung führen. Die Vernetzung mit einer einschlägigen "Szene" oder der Besitz von NS-Devotionalien, die auf eine zeitlich überdauernde Gesinnung schließen lassen, müssen längst nicht vorliegen (und liegen oftmals auch nicht vor). Mit "staatsgefährdendem Extremismus" oder gar mit "Terror" haben Verurteilungen nach dem Verbotsgesetz immer weniger zu tun.

Mit dem Verbotsgesetz verwandt sind das Abzeichengesetz, welches das Zurschaustellen von NS-Orden, Uniformen u.ä. verbietet, sowie eine 1986 geschaffene Verwaltungsstrafbestimmung betreffend die Verbreitung von "nationalsozialistischem Gedankengut im Sinne des Verbotsgesetzes". Beide Strafbestimmungen werden selten angewandt, nachdem heute so gut wie alles auf diesem Feld nach dem Verbotsgesetz angeklagt wird.

Ein jüngerer Anwendungsfall der letzteren Bestimmung ist der durch die Medien gegangene Fall eines Welser Rechtsanwaltes, der im Zuge einer Strafverteidigung Massenvergasungen im KZ Mauthausen bestritten hatte. Nach der künftigen Rechtslage müsste dieser auf den Strafbescheid hin eine etwaige Schusswaffe zurückgeben. Gleiches gilt für Händler auf Flohmärkten, die – meist nur beiläufig – Gegenstände aus der NS-Zeit verkaufen und hierdurch gegen das Abzeichengesetz verstoßen. "Staatsgefährder" und "Extremisten" sehen anders aus.

Am skandalösesten aber ist die Miterfassung des Symbolegesetzes, das seit der Aufnahme der Symbole der legal operierenden "Identitären" an sich schon ein Skandalon ist: Ohne irgendeine Präambel, geschweige denn eine auch nur versuchte allgemeine Definition, was unter dieses Gesetz fallen könne und was nicht, werden wahllos Vereinigungen aufgelistet, deren Symbole nicht mehr gezeigt werden dürfen (wobei erst der Minister verordnet, welche Symbole das überhaupt sind). Was unter das Symbolegesetz fällt, folgt mittlerweile weit eher einer politisch-medialen Dämonisierung als rechtlichen Argumenten. Auch nur irgendeine Rechtsfolge an eine Bestrafung nach dem Symbolegesetz zu knüpfen, erscheint daher zuhöchst bedenklich.

Man kann von privatem Waffenbesitz halten, was man will. Der Verfasser dieses Kommentars "outet" freimütig, von Schusswaffen weder fasziniert noch sonstwie an Waffen interessiert zu sein. Ein Waffenbegeisterter, der mir seine Sammlung bei einem Besuch "unbedingt" zeigen musste, hat später mit einer dieser Waffen vor den Augen seiner Mutter Suizid begangen.

Auch das Argument, einen Einbrecher abzuschrecken, scheint schal, denn dieser hat gegenüber einem aus dem Tiefschlaf gerissenen Bewohner einen klaren Startvorteil. Eine Waffe technisch handhaben zu können, heißt ohnedies noch lange nicht, auch einsatztaktisch geschult geschweige denn geübt zu sein. Viel eher wird eine Waffe im privaten Streit tödlich verwendet, als dass sie irgendein Verbrechen verhinderte.

Diese subjektive Einschätzung enthebt aber nicht der Beobachtung, dass privater Waffenbesitz durchaus ein Grundrecht eines freien Bürgers darstellt, das nur an der Freiheit des Anderen seine Grenze hat. Und daher auch folgerichtig der Entzug der Waffe bei Drohung mit Gewalt und bei Gewalt, sowie bei seelischen und körperlichen Zuständen, die einen sorgsamen Umgang mit der Waffe ausschließen. Mit dem ausdrücklichen und gewollten Ansinnen, "Extremisten" den Zugang zu Waffen zu verweigern, kommt nunmehr so etwas wie die Einforderung von "Staatstreue" hinzu. Privater Waffenbesitz wird zu einer Art staatlichem Lehen, das bei gewissen Formen der Kritik am Staat jederzeit wieder entzogen werden kann.

Zu befürchten ist, dass an Strafen nach den genannten Delikten alsbald weitere Restriktionen geknüpft werden, sobald das Feindbild "staatsgefährdender Extremismus" auch juristisch hinreichend etabliert ist. Wie wäre es mit Führerscheinentzug, oder einer Entlassung aus dem öffentlichen Dienst? Auch wenn der Innenminister für Randale junger Menschen am Karlsplatz zur Abwechslung einmal linksextreme Drahtzieher verantwortlich macht, wird man das Gefühl nicht los, dass die türkise Führung, die sich angeblich um eine Spaltung der Gesellschaft sorgt, Hass und Feindbilder konstruiert und also die Gesellschaft spaltet.

Was legitimiert die ÖVP überhaupt dazu, sich ständig als Hüterin des Rechtsstaats aufzuplustern und allerorten "Extremisten" zu konstruieren, die diesen angeblich zerstören wollen? Und wer zerstört hier am Ende mehr, wenn Gruppierungen, die politisch nicht passen, mir nichts, dir nichts, rechtlich ausgeschaltet werden können und diese Ausschaltung sodann auf weitere Grundrechte übergreift? Verbotsgelüste gibt es natürlich auch (und vielleicht sogar stärker) bei den Grünen, nur scheint man mir dort hinsichtlich einer Umsetzung verhaltener. Die ÖVP ist hier mindestens seit 2019 wenig zimperlich. Schon das Kurz-Wahlprogramm 2017 war massiv von Law and Order in alle Richtungen geprägt, längst nicht nur am Gebiet der Migration.

Wilfried Grießer, geboren 1973 in Wien, ist Philosoph und Buchautor.

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