Kein Ende der Pandemie in Sicht. Seit mehr als einem Jahr kämpfen die Regierungen Eurolands gegen das Virus – bislang mit recht überschaubarem Erfolg. Die Pleite bei der einfach nicht in Schwung kommenden Impfkampagne verschärft das Problem, weil dadurch das – mutmaßlich wenig taugliche – Mittel der Verhängung von Lockdowns fortgesetzt wird. Tausende Unternehmen gehen zugrunde, Hunderttausende verlieren ihre Erwerbseinkommen.
Die Politik macht sie gnadenlos zu Almosenempfängern. Eine Medizin einzusetzen – im Fall der Pandemie ist das der Lockdown –, deren Wirkungslosigkeit sich täglich auf Neue zeigt, zeugt indessen nicht von besonderer Klugheit. Den verantwortlichen Politikern und "Experten" kanns aber wurscht sein, da ihre Arbeitsplätze und Einkommen davon ja nicht betroffen sind. Dass rund um den Globus (beinahe) alle dieselbe fragwürdige Strategie anwenden, macht die Sache nicht besser.
Corona bietet der Politik allerdings eine willkommene Möglichkeit, elegant von ihren in der Vergangenheit begangenen Fehlern abzulenken. Denn ungeachtet der Pandemie krankt Euroland ja bereits seit vielen Jahren (genau gesagt: seit dem 1992 in Kraft getretenen Vertrag von Maastricht) an strukturellen Schwächen, die durch die Seuche lediglich verstärkt, nicht aber verursacht werden. Schon mehren sich die Stimmen von Ökonomen, die das mangelnde Wachstum in der Eurozone thematisieren und auch klar dessen Ursachen benennen.
In einem Gespräch mit der "Agenda Austria" macht Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, darauf aufmerksam, dass die EU es nicht einmal schafft, Wachstum zuzulassen. Er sieht die Gefahr, dass Euroland im Gefolge der Corona-Krise wirtschaftlich noch weiter hinter die USA und China zurückfallen könnte. Zeitgleich würde die in China bereits wieder anlaufende Konjunktur die Rohstoffpreise in die Höhe treiben und aus den USA Inflation importiert werden. Allesamt Entwicklungen, die sich nachteilig auf die europäische Wirtschaft auswirkten. Die geringe wirtschaftliche Dynamik in Euroland führt der Ökonom auf die dort praktizierte "Verhinderungslogik" zurück, die seit Jahren mehr und mehr um sich greift.
In der Tat besteht der Hauptunterschied zwischen der EU und ihren internationalen Wettbewerbern darin, dass die politische Klasse hier weniger auf die Ermöglichung, sondern eher auf die Verhinderung unternehmerischen Handelns setzt. Nicht unbedingt geplant, und bisweilen sogar von guten Absichten getragen, aber dennoch schädlich. Die längst als gescheitert anzusehende "Energiewende" in Deutschland, der brutale Kampf links-ökologischer Kräfte gegen den omnipräsenten "Klimawandel" und die europäische (Automobil-)Industrie, sowie die Fokussierung auf Orchideenthemen wie politisch korrekte Sprache, Antidiskriminierung und den unentwegten Kampf gegen den angeblich allgegenwärtigen Rassismus seien als Beispiele genannt.
Wer soll es unter den gegenwärtig herrschenden Bedingungen noch auf sich nehmen, unternehmerisch tätig zu werden, wenn er soeben vorgeführt bekommt, dass die Regierung jederzeit willens und imstande ist, ihm mit einem Federstrich die wirtschaftliche Basis zu entziehen? Branchenbeispiele: Gastronomie, Hotellerie, Veranstaltungsgewerbe, Reisebüros und Fitnesscenter.
Wer hat, angesichts verdüsterter Zukunftsaussichten und völlig abhandengekommener Rechts- und Planungssicherheit noch Interesse daran, sich durch einen Behördendschungel zu kämpfen um ein einfaches Gewerbe ausüben zu dürfen? Die Regulierungsdichte – und das wollen die Sozialisten in allen Parteien einfach nicht begreifen – wirkt nirgendwo auf der Welt so unternehmerfeindlich wie in der EU.
Eines der kaum lösbaren Strukturprobleme Europas sieht Felbermayr allerdings in der zunehmenden Überalterung des Kontinents. Alte Menschen sind nämlich stets darauf bedacht, das Erreichte zu bewahren und legen keinerlei Wert auf Veränderung – auch und schon gar nicht, soweit es die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und ihre vermeintlich "wohlerworbenen Rechte" angeht. Sie sind zutiefst strukturkonservativ und verhindern erfolgreich – dank ihres demographischen und damit politischen Übergewichts können sie das – die jede Marktwirtschaft kennzeichnende "schöpferische Zerstörung".
Da die vom Niedergang Europas am stärksten betroffenen Jungen heute, anders als weiland die rabiaten 1968er, keinerlei Lust und Neigung zeigen, die Wahrung ihrer Interessen einzufordern – etwa die Ermöglichung und Förderung einer neuen Gründeroffensive, die ihnen aussichtsreiche Zukunftsperspektiven bietet –, dürfte sich der Niedergang der Alten Welt auch nach dem Abklingen der Pandemie fortsetzen. Keine erfreulichen Aussichten für die Alte Welt.
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.