Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hatte sich in einer Entscheidung vom 11. Februar 2021, mit der Vorschreibung von drei Ordnungsstrafen durch eine Bezirkshauptmannschaft zu befassen, die einem Bürger aufgrund seiner beleidigenden Schreibweise in mehreren E-Mails an das Gesundheitsamt dieser Behörde auferlegt wurden. Die Entscheidung ist auch im Rechtsinformationssystem des Bundes abrufbar.
Der Sachverhalt ist schnell dargestellt: Ein Mann geht wegen Halsweh ins Krankenhaus und wird dort COVID-19 positiv getestet. In der Folge werden seine (offenbar mindestens zehn Jahre alten) beiden Kinder ebenfalls positiv getestet (obgleich symptomlos), seine Gattin hingegen negativ. Offenkundig versuchten mehrere Personen, bei ihm ein Contact tracing durchzuführen und zwar nicht bloß einmalig (obwohl er ein Formular anscheinend mit "Leermeldung" ausgefüllt hatte), sondern wiederholt, was ihm ganz und gar gegen den Strich ging. Mehrfach beschwerte er sich darüber beim Gesundheitsamt.
Auch die Kontrolle seiner Quarantäne durch eine Polizistin fand er überflüssig. Seinen Zustand beschrieb er selbst mit 39 Grad Fieber, starkem Halsweh, starkem Tabletteneinfluss, nervös, höchst angespannt, insbesondere aufgrund seiner inzwischen mehr als angespannten finanziellen persönlichen Situation. Außerdem waren beide Kinder seit ca. zwei Wochen schon zu Hause wegen Ablehnung der Maskenpflicht (derzeit wird ja die Schul- bzw. Unterrichtspflicht nicht ernst genommen, weil scheinbar anderes wichtiger ist).
Aus dem Umstand, dass er offenbar regelmäßig den "Standard" liest, ist abzuleiten, dass er sich grundsätzlich umfassend informiert (also nicht nur Quellen, die seiner Einstellung und seinen Ansichten entsprechen). Im Dezember 2020 ließ er sich zu mehreren emotionalen E-Mails an die Gesundheitsbehörde hinreißen.
Der einschreitenden Richterin des Landesverwaltungsgerichtes NÖ ist zunächst einmal zuzugestehen, dass sie sich um eine objektive Beurteilung der Angelegenheit bemüht hat, immerhin hat sie doch eine von 3 verhängten Ordnungsstrafen à 200 Euro aufgehoben. Mit dem Rest bin ich nicht so einverstanden.
Der betroffene Bürger ist sicherlich ein sehr scharfer Kritiker der Anti-Corona-Maßnahmen der Bundesregierung, naturgemäß konkret jener, die ihn selbst betreffen. Das führte bei ihm dazu, die Contact-tracing-Maßnahmen (vor allem deren häufige Wiederholung – was mir als reichlich unkoordiniert vorkommt) als Schwachsinn oder Unfug zu bezeichnen (weil damit nicht die Maßnahmen der konkreten Behördenorgane, sondern die generell festgesetzte Vorgangsweise kritisiert wird), die damit verbundene Datensammelwut zu kritisieren, die Zuverlässigkeit der Tests anzuzweifeln und die abfragenden Organe als inkompetent zu bezeichnen (das sind sie ohne medizinische Vorbildung und ohne konkrete Kenntnisse über die Eigenschaften der konkreten Viruserkrankung ziemlich sicher, denn die Beurteilung, ob eine Begegnung mit einer anderen Person für diese andere Person eine Ansteckungsgefahr beinhaltete, ist höchst diffizil und daher sind weiterführende Maßnahmen wie Absonderungen aufgrund solcher Angaben tatsächlich fragwürdig).
Dessen ungeachtet sehe auch ich Äußerungen wie "Horde völlig inkompetenter Gestalten (teilweise vom Bundesheer, arme Bürscher'l, die gar nicht wissen welchem Schwachsinn sie da Vortrieb leisten)" und "unterlassen sie es, uns von schwangeren Kindergärtnerinnen, begriff-stutzigen Bundesheer-Mitarbeitern und anderen Gestalten im Stundentakt anrufen zu lassen", in Schreiben an eine Behörde als nicht günstig an und auch die Formulierung vom "vertrottelten Kontaktformular" würde ich im Behördenkontakt durchaus unterlassen.
Allerdings sind alle miteinander schon ein bisschen humorlos, denn ich musste zwischendurch geradezu lachen über die Formulierungen dieses Herrn, vor allem weil seine Kritik ja durch fortgesetzte Contact-tracing-Versuche ausgelöst wurde, nicht bloß und auch nicht primär durch die Absonderungsbescheide, die er und seine Familie erhielten (auch wenn er diese zum Teil beeinspruchte). Die Vorgangsweise sollte anhand unter anderem dieses Falles einmal evaluiert werden. Wenn jemand keine weiterführenden Angaben machen kann oder will, sollte man es bei einem Versuch belassen. Allenfalls bringt man die Leute auf diese Weise auch noch zum Lügen oder zur Bekanntgabe unsinniger – weil grundsätzlich ungefährlicher – Kontakte.
Jetzt aber zu dem Teil der Entscheidung, den ich als zu weitreichend ansehe. Die Richterin hat in Bestätigung der ersten Instanz folgende Äußerung des Beschwerdeführers beanstandet:
"Zwischendurch ist eine Polizistin (immerhin eine richtig fesche) bei uns aufgetaucht, um die Quarantäne zu kontrollieren, als ob ich mit Fieber & Halsweh im Ort zum Spazieren Lust hätte ..."
In der Sache beanstandet er nur, dass er angesichts seines Gesundheitszustandes überhaupt kontrolliert wurde und äußert an der Vorgangsweise oder der Person der Polizistin keinerlei Kritik.
Die Richterin führt dazu folgendes aus: "Schließlich wurde im Bezug habenden E-Mail eine Polizistin, welche die von der Behörde verfügten Maßnahmen zu kontrollieren hatte, somit als Organ im Auftrag der Behörde tätig wurde, durch die Wortfolge "immerhin eine richtig fesche" diminuierend und beleidigend dergestalt bezeichnet, dass dieses Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes mit der gewählten Wortfolge klischeehaft auf das Äußere reduziert wurde."
Wie gesagt, zunächst einmal humorlos. Dann auch nicht zutreffend, die Person der Polizistin wird nicht herabgemindert, eine Beleidigung kann ich nicht erkennen. Und was ist klischeehaft? Gibt es das Klischee der "feschen Polizistin"? Oder werden nur Frauen als fesch bezeichnet? Also ich habe das auch schon über Männer geäußert, es gibt einfach solche, auf die das zutrifft (auch wenn die Tante Jolesch seinerzeit meinte: "Was ein Mann schöner ist als ein Aff‘, ist ein Luxus!").
Am besten wäre es, diese Frage Polizistinnen vorzulegen, nur leider kenne ich persönlich keine (weder eine fesche noch irgendeine …). Aber ich spekuliere jetzt Folgendes: Polizistinnen gehören schon von Berufs wegen zu den eher "strengen" Frauen, die wenig lässige Äußerungen durchgehen lassen. Aber wenn einer Polizistin bei einem Einsatz mitgeteilt würde, sie sei fesch, was würde sie da machen? Ich vermute einmal, sie würde es geflissentlich überhören oder – wenn ihr der Vorlaute mehr auf die Socken geht – vielleicht äußern, dass das auf ihn durchaus nicht zutrifft, oder dergleichen.
Wie gesagt bei einem Einsatz, wo sie darauf reagieren kann oder dies unterlässt. In besonderen Einzelfällen könnte da eine solche Äußerung sogar beleidigend sein (z. B. wenn sie eben gar nicht fesch ist und damit verarscht wird). Aber wenn sie eine schriftliche Eingabe erblicken würde, in welcher derartiges über sie geschrieben steht: Würde ihr da überhaupt mehr als ein mehr oder weniger ironisches Lächeln entkommen?
Als geistige Grundlage der richterlichen Kritik an dieser Äußerung vermute ich die heute herrschende Political correctness: Über Äußerlichkeiten von Personen darf gar nichts gesagt werden: Es gibt keine Schwarzen, keine Braunen und schon gar keine Schlitzaugen. Nur gegen Personen, die als "rechts" bezeichnet oder genauer denunziert werden, darf man alles Negative sagen, da gibt es keine Beleidigung, sondern nur nachvollziehbare und berechtigte Kritik …
Und in einem Punkt gebe ich dem Beschwerdeführer recht: Wenn man sich von den Corona-Maßnahmen fernhalten will, sucht man im Krankheitsfall weder Arzt noch Krankenhaus auf (solange es nicht zwingend nötig ist). Denn diese Absonderungen sind tatsächlich so sinnlos wie überschießend, wie ich aus eigenem bestätigen kann. Erst gestern endete die Absonderung von sechs meiner Kinder (von denen vier zweimal negativ getestet wurden und zwei, da unter zehn Jahre alt, nicht getestet werden mussten), drei Tage davor endete die Absonderung von meiner Gattin, mir und einer Tochter (alle drei positiv getestet). Und noch einen Tag früher die Absonderung jenes Sohnes, welcher an seinem Arbeitsplatz positiv getestet worden war.
Zehn Tage zehn Personen in einem Haus bei witterungsbedingt unbenutzbarem Garten. Aus eigenem kann ich sagen: Normalerweise ist COVID-19 weder besonders schwer noch besonders ansteckend. Wie sonst sind die 4 negativ getesteten Kinder auch am Ende der Absonderung noch negativ geblieben? Die Probleme beginnen schon mit der Versorgung. Zehn Personen essen und trinken eine ganze Menge. Billa machte teilweise die Versorgung möglich, allerdings funktioniert dessen Plattform oft nicht, das Bezahlsystem noch weniger und überbracht wird das, was eingepackt wurde, was mit der Bestellung allerdings nicht unbedingt deckungsgleich ist (auf der entsprechenden Seite gibt es auch viel Kritik). Die anderen Lebensmittelhändler bieten einen derartigen Service allerdings erst gar nicht an.
In dieser Not bestellte meine Frau ununterbrochen Vollmilch (die beim ersten Versuch trotz Bestellung nicht geliefert worden war), bis wir gezählte 26 Liter im Kühlschrank hatten. Keine Sorge, wir schaffen sogar das, auch wenn das Aufbrauchdatum überschritten wird (heute früh zählte ich noch 8 Liter). Und die Internetapotheke? Liefert, wenn die Absonderung schon beinahe vorbei ist – Lieferzeit acht Tage …
Der Autor ist Jurist und ein mir seit längerem bekannter Beamter einer österreichischen Landesregierung. Deshalb habe ich seine Bitte akzeptiert, anonym bleiben zu wollen.