Warum kämpfen heute ausgerechnet Linke gegen die Gleichheit?

Der geniale Erfinder und Geschäftsmann Samuel Colt starb 1862 – mitten im amerikanischen Bürgerkrieg – als mehrfacher Millionär. Er hatte mit seinem legendär gewordenen "Sixshooter" eine Waffe mit einem rotierenden zylindrischen Magazin konstruiert, die – ohne nachzuladen – eine mehrfache Schussabgabe ermöglichte. Er ging damit dem Konstrukteur Benjamin Tyler Henry um einige Jahrzehnte voran, dessen berühmte "Henry-Rifle" (Karl Mays Old Shatterhand führte einen "Henrystutzen") die erste mehrschüssige Langwaffe war, die Metallpatronen verschoss. Bei den aus dem Westernfilmgenre bekannten Winchester-Unterhebelrepetiergewehren handelt es sich um die daraus entwickelten Nachfolgemuster.

Der auch als Verkaufsslogan verwendete Spruch von der Gleichheit der Menschen, die durch Samuel Colts Erfindung angeblich gestiftet wird, hat viel für sich. Nicht körperliche Überlegenheit oder außerordentliche Schläue geben demnach in einer direkten Konfrontation den Ausschlag, sondern die verfügbare Feuerkraft. Die berühmteste Waffe aus dem Hause des visionären Konstrukteurs heißt nicht zufällig "Colt Peacemaker".

Frieden durch Stärke hieß eine militärische Doktrin, die sich – aus nachvollziehbaren Gründen – durch beinahe 2000 Jahre abendländische Geschichte zog, die zuletzt vom republikanischen US-Präsidenten Ronald Reagan vertreten wurde. Die zugrunde liegende Idee bildete ebenfalls ein in die römische Antike zurückreichender Grundsatz: Wenn du Frieden willst, rüste zum Krieg. Immerhin hat das durch eine mehrfache nukleare Overkillkapazität gebildete Gleichgewicht des Schreckens tatsächlich jahrzehntelang einen prekären Frieden zwischen den Supermächten USA und der UdSSR garantiert.

An dieser Stelle geht es aber nicht um militärische Überlegungen, sondern um Fragen, die den zivilen Waffenbesitz berühren.

Immer wieder hebt die Diskussion um den privaten Waffenbesitz an – zumeist dann, wenn es um ein unter Verwendung von Schusswaffen verübtes Verbrechen geht. Nicht selten führen blutige Untaten verrückter oder fanatisierter Einzeltäter zu massiven Einschränkungen der Freiheit der überwältigenden Mehrheit gesetzestreuer Bürger. Heißt im Klartext: Gewaltverbrecher bestimmen de facto die Waffengesetzgebung. Verrückt. Wer würde wohl auf die Idee kommen, Abstinenzler für die Untaten von Alkoholikern zu bestrafen?

Beispielsweise wurden in England, Australien und Neuseeland die Waffengesetze jeweils unter dem Eindruck von "Amokläufen" (ein von Politik und Medien kontrafaktisch gebrauchter Begriff für die Bezeichnung von Massakern, die von langer Hand geplant waren) drastisch verschärft – ohne dass dadurch der allgemeinen Sicherheit gedient worden wäre. Im Vereinigten Königreich hat die Gewaltkriminalität nach dem faktischen Totalverbot des privaten Schusswaffenbesitzes, das durch das Labour-Regime von Tony Blair 1997 verhängt wurde, sogar drastisch zugenommen.

"Der Staatsapparat ist ein Zwangs- und Unterdrückungsapparat. Das Wesen der Staatstätigkeit ist, Menschen durch Gewaltanwendung oder Gewaltandrohung zu zwingen, sich anders zu verhalten, als sie sich aus freiem Antriebe verhalten würden."
Ludwig von Mises

Den freisinnigen Grundsatz vorausgesetzt, dass niemals die Wahrnehmung von Rechten, sondern vielmehr stets deren Einschränkung begründet werden muss, erscheint es jedenfalls bemerkenswert, dass sich die vehementesten Gegner des Rechts auf privaten Waffenbesitz rund um den Globus aus den Reihen linker Kräfte rekrutieren. Grüne und Sozialdemokraten in Europa würden die Bürger am liebsten gerne vollständig entwaffnet und wehrlos sehen. Nur mehr die Schergen des Leviathans sollen nach ihren heute vertretenen Vorstellungen über Waffen verfügen. "Keine Waffen – keine Morde" – so lautet ihr ebenso schlichtes, wie unzutreffendes Motto. Als ob administrative Hürden bei der Beschaffung bestimmter Tatmittel einen zu allem entschlossenen Verbrecher von einer Untat abhalten könnten (man denke an den kürzlich erfolgten Terroranschlag in Wien). Als ob es sich in der Mehrzahl der verhältnismäßig wenigen Bluttaten, bei denen Schusswaffen eingesetzt werden (in den meisten Fällen werden Stichwaffen und allerlei Werkzeuge, wie Äxte oder Schraubendreher verwendet) nicht um auf dem Schwarzmarkt besorgte oder gestohlene Waffen handeln würde.

Auf dem im "Dreikaiserjahr" 1888 in Hainfeld abgehaltenen Gründungsparteitag der österreichischen Sozialdemokratie wurde die Forderung nach der Volksbewaffnung erhoben und ins Parteiprogramm aufgenommen. Im Lichte der heute von den Roten vertretenen Positionen ist das erstaunlich. Damals wollten die Genossen der staatlichen, aus ihrer Sicht bürgerlichen Macht im Staate nicht wehrlos gegenüberstehen.

Eine einleuchtende Überlegung. Allerdings, das sollte nicht übersehen werden, existierten zu dieser Zeit noch so gut wie keine legistischen Beschränkungen des privaten Besitzes von Waffen. Wer wollte, besorgte sich einfach welche – was übrigens auch für viele heute strikt verpönte psychotrope Drogen galt. Insofern war die Forderung nach "Volksbewaffnung" daher ein wenig seltsam. Wie dem auch sei der Gedanke an Waffen in privater Hand bescherte den Sozialisten damals offensichtlich keine schlaflosen Nächte. Das hat sich radikal geändert.

Seitdem die Linken nach ihrem in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts von Antonio Gramsci geforderten, und ab 1968 tatsächlich angetretenen, leider höchst erfolgreich abgeschlossenen Marsch durch die Institutionen, alle relevanten Schalthebel des Staates in ihren Händen haben, ist ihre Begeisterung für die Volksbewaffnung stark abgekühlt und einer Präferenz für möglichst restriktive Waffengesetze gewichen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Ausgerechnet die Linke, deren Sinnen und Trachten in allen Lebenslagen auf eine hoheitlich erzwungene Gleichmacherei gerichtet ist, steht der Möglichkeit zur erfolgreichen Selbstverteidigung körperlich schwacher Personen gegen überlegene Angreifer ablehnend gegenüber – was besonders Frauen und alte Menschen benachteiligt. Colts "Peacemaker", oder besser: eine moderne Waffe vermag den körperlichen Nachteil einer zarten Frau gegenüber einem oder mehreren durchtrainierten Angreifern mühelos zu egalisieren, stellt also quasi Gleichheit durch Feuerkraft sicher. Siehe oben: Samuel Colt macht alle gleich. Es ist unbegreiflich, weshalb sich die ansonsten so sehr auf die (Ergebnis-)Gleichheit erpichte Linke in diesem Punkt gegen ihre eigenen Forderungen stellt.

Die von linken Romantikern erträumte verbrechensfreie Gesellschaft gibt es nicht – und es wird sie auch nie geben. Immer wieder werden Desperados auftauchen, die sich nicht an die Regeln des zivilisierten Zusammenlebens halten und stattdessen aggressive Gewalt gegen ihre Mitmenschen ausüben. Um diesen Individuen wirksam entgegentreten zu können, bedarf es der dafür nötigen Mittel. Und das sind nun einmal die einzigen für die Selbstverteidigung uneingeschränkt geeigneten Notwehrbehelfe: möglichst wirkungsvolle Schusswaffen. Noch so profunde Karatekenntnisse oder der allzeit greifbare Polizeinotruf auf dem Handy bilden im Fall der Fälle keinen adäquaten Ersatz dafür.

In Wahrheit geht es den Linken aber ohnehin nicht darum, die Bürger vor sich selbst und dem ihnen vermeintlich angeborenen Leichtsinn zu schützen, sondern um etwas ganz anderes. Womit sich auch jedermann erhellen sollte, weshalb die Genossen das Recht auf privaten Waffenbesitz so vehement bekämpfen: Der von ihnen okkupierte Staat soll keinerlei ernstzunehmenden Widerstand zu befürchten haben, wenn er seinen immerwährenden Kampf laufend weiter intensiviert, den er gegen die von ihm zu Steuersklaven degradierten, unentwegt kontrollierten, pausenlos überwachten und entmündigten Bürger führt.

Aus Sicht der Nomenklatura stellt der unabhängige, stolze, selbstbewusste und bewaffnete Bürger eine potentielle Gefahr für ihre uneingeschränkte Hegemonie dar. Rechtlose Untertanen und Sklaven sind ihr wesentlich genehmer – und die dürfen eben keine Waffen besitzen. Die Nationalsozialisten als Erfinder eines "modernen" Waffengesetzes haben in den 1930er-Jahren vorgezeigt, wie’s geht. Damit sollte das wahre Anliegen deutlich werden, was unserer Tage den Antiwaffenfuror der Sozialisten in allen Parteien antreibt. 

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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