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Seit Joe Biden im Weißen Haus residiert, ist alles wieder gut, zumindest für den politmedialen Mainstream. In der Tat: Biden ist ein viel netterer, zivilisierterer Mensch als Donald Trump. Doch sonst? Doch sonst wird von Tag zu Tag deutlicher: Biden ist in seiner Innenpolitik um Kilometer links von Trump. Das löst neue Immigranten-Wellen aus. Doch international hört man zu allen Problemen auch mehr als drei Monate nach Bidens Wahl außer schönen Worten nur: Man überlege, wie es weitergeht; die Dinge werden geprüft.
Natürlich: Nach dem oft ungehobelten Rüpel Trump findet fast ganz Europa die salbungsvolle Prediger-Art Bidens sehr angenehm. Doch in der Substanz ist alles offen. Wie weit geht Biden etwa wirklich vom "America First" seines Vorgängers ab? Er würde inneramerikanisch sofort unter Druck geraten, wenn er das täte.
Andererseits ist offenbar die einzige inhaltliche Ausrichtung seiner Regierung, alles schlecht zu finden, was sein Vorgänger getan hat, und daher überall das Gegenteil zu wollen. Jedoch: Biden hat im Gegensatz zur Migrationspolitik, wo er eine Schleuse nach der anderen öffnet, noch kein einziges außenpolitisches Feld gefunden, auf dem er inhaltlich etwas anderes wollen könnte als Trump. Nur will er das keinesfalls zugeben.
Das zweite große strategische Dilemma, das Biden erst langsam zu begreifen scheint: Sein großer Traum, zusammen mit Verbündeten wieder als Weltpolizist Nummer eins für Ordnung und Stabilität in der Welt zu sorgen, passt nicht mehr in diese Zeit (so schön dieser Traum nach 1989 auch für die Europäer wie Amerikaner gewesen ist). Das Verblassen dieses Traumes hängt mit drei Faktoren zusammen:
Diesem Dilemma hat Trump noch mit einer sehr gewagten und scheinbar widersprüchlichen Doppelstrategie zu begegnen versucht: Er hat sich verbal aggressiv wie ein gefährlicher Kettenhund gegeben. Das hat erstaunlich viel Eindruck auf die Bösewichte dieser Welt gemacht – wohl auch deshalb, weil ihn zugleich die amerikanische wie die internationale Linkspresse ständig als gefährlichen Kriegstreiber dargestellt hat. Daher haben sich alle gefürchtet. In Wahrheit aber hat Trump einen sehr isolationistischen Kurs verfolgte, der an die US-Politik in der Zwischenkriegszeit erinnert. Sein oberstes und inneramerikanisch sehr populäres Ziel war, möglichst viel US-Truppen möglichst rasch aus fremden Ländern zurückzuholen. Wie es anderswo ohne US-Schutz zugeht, hat ihn bestenfalls im Falle Israels wirklich interessiert.
Bidens larmoyante Auftritte im Stil eines vor der Pensionierung stehenden Landpfarrers hingegen beeindrucken niemand. Noch weniger tut das seine inhaltliche Unentschlossenheit.
Das sieht man in allen großen außenpolitischen Fragen:
Im ersten Telefonat mit Russlands Machthaber Putin hat Biden gleich die Verlängerung des gekündigten Atomraketen-Abkommens unterschrieben, obwohl die Amerikaner zunehmend an die Gefahr eines Zweifrontenkrieges denken müssten, in dem die Chinesen schon eine formidable Atommacht einbringen.
Wie wenig Putin dennoch am US-Präsidenten interessiert ist, hat man ein paar Tage später sehen können, als er brutal den demokratischen Gegenkandidaten Nawalny ins Lager werfen ließ. Kein schöner Willkommenstrauß für einen neuen US-Präsidenten. Oder gar ein Zeichen: Jetzt können wir ja wieder ungehemmt.
Bidens CIA-Chef, William Burns, hat jetzt China vor dem US-Senat so scharf kritisiert, wie man es nur von Trump gewöhnt war. China sei ein "beachtlicher autoritärer Gegner", der geistiges Eigentum anderer Nationen stehle, der das eigene Volk unterdrücke, der seine Nachbarn einschüchtert und seinen globalen Einfluss vergrößert. Alles richtig, aber keine neue Erkenntnis.
Höchstens für die Europäer könnte das etwas Neues sein. Haben sie doch bisher den Trump-Vorschlägen, gegen China gemeinsame Front zu machen, immer die eiskalte Schulter gezeigt. Primär deshalb, weil sie von Trump gekommen sind. Jetzt könnten sie vielleicht doch erkennen, wie wichtig es ist, gemeinsam die chinesischen Herausforderungen ernster zu nehmen, da das auch der Good Guy aus Washington so sieht.
Auch in Sachen Iran hat Biden keine Ahnung, wie es weitergehen soll. Denn Amerikas angekündigte Rückkehr zum Atomdeal mit dem Iran hat dort absolut Null Kompromissbereitschaft ausgelöst. Statt dessen hat Iran gleich dadurch provoziert, dass es die Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde in ihrem Beobachtungsradius signifikant eingeschränkt hat.
Gleichzeitig hat Biden den schweren Fehler begangen, den großen Opponenten des Iran am Golf, nämlich Saudi-Arabien, öffentlich zu brüskieren. Zwar ist unbestreitbar, dass die Saudis für Menschenrechrtsverletzungen verantwortlich sind. Aber etwa bei den Frauenrechten hat es eine eindeutig positive Richtung gegeben. Aber im Iran werden die Menschenrechte mindestens im gleichen Ausmaß verletzt. Aber Saudiarabien hat das große friedenspolitische Verdienst eines Friedensschlusses mit Israel, dem etliche mit den Saudis liierter Araber gefolgt sind.
Biden hat sich zwischen die Stühle gesetzt und weiß nicht mehr weiter.
Zunehmend muss er vor allem erkennen, was schon Trump vor vier Jahren erkannt hatte: Der Atomdeal bremst Iran höchstens ein paar Monate auf dem Weg zur Atombombe. Die von Trump verhängten Sanktionen haben hingegen das iranische Regime so geschwächt, dass die iranische Gefahr insgesamt reduziert wird. Vor allem war die Trumpsche Politik erklärtermaßen auf Bitten Israels und vermutlich auch der Saudis und der Golfstaaten erfolgt. Sie alle fühlten sich durch den Atomdeal in keiner Weise gesichert – das glaubten nur die Europäer –, sondern verlangten maximalen Druck auf Teheran.
Wie nahe dort ein großer Konflikt schon sein dürfte, ist jetzt wohl auch Biden langsam klar geworden. Am deutlichsten ist das aus dem Satz des israelischen Außenministers hervorgegangen (der hinter den Kulissen in Washington sicher noch viel deutlicher gesprochen hat): Das iranische Verhalten sei für Israel eine Bedrohung, "die nicht ohne Antwort bleiben darf"; Israel werde es niemals zulassen, dass der Iran die Fähigkeit zum Bau einer Atombombe erlange.
Das kann aber nichts anderen heißen als die Ankündigung, dass Israel wohl noch in diesem Jahr iranische Atomzentren mit Raketen angreifen werde, um die Gefahr im letzten Moment zu eliminieren. Bidens schwächlerische und kompromisswillige Worte haben aber zugleich die Bereitschaft Teherans zu Konzessionen endgültig schwinden lassen.
In Afghanistan – der längstdauernden Militäroperation der amerikanischen Geschichte – hat Biden den Beschluss Trumps, die US-Truppen ganz abzuziehen, vorerst gestoppt. Biden fürchtete mit gutem Grund, dass nach Abzug der Nato-Truppen die radikalislamischen Taliban dort wohl die ganze Macht übernehmen und das Land wieder zum Rückzugsort für internationale Terroristen machen werden. Andererseits will Biden aber keinesfalls noch weitere vier Jahre in Afghanistan Truppen unterhalten. Das wäre nicht nur innenpolitisch unpopulär, das würde auch gewaltige Stationierungskosten auslösen.
Damit ist auch hier ganz klar: Das oberste, ja das einzige Prinzip ist Entscheidungsschwäche.
Die europäischen Nato-Verbündeten haben die meisten netten Worte von Biden zu hören bekommen. Vor allem die Deutschen haben ja auch Trump völlig offen abgelehnt. Nur: Gegenleistungen bekommt Biden für seine netten Worte keine. Dabei hätte er die so gerne gehabt. Denn in der Sache wünscht er sich zur Überraschung der Europäer haargenau dasselbe wie Trump, will das nur keinesfalls so zugeben.
Durch diese könnte Russland die Europäer noch mehr abhängig machen und gleichzeitig der Ukraine die wichtigen Deviseneinnahmen aus dem bisherigen Gastransit rauben. Außerdem hoffen die USA auf die Möglichkeit von mehr Flüssiggasexporten nach Europa. Deshalb hat Biden die amerikanischen Sanktionsdrohungen sogar noch intensiviert. Das hat mittlerweile dazu geführt, dass jetzt schon 18 europäische Firmen, darunter etwa auch große Versicherungen, das Mittun bei Nordstream 2 eingestellt haben.
Aber trotzdem scheint eigentlich niemand zwischen Europa und China den netten Onkel aus Amerika wirklich ernst zu nehmen. Man kritisiert ihn aber auch nicht, sondern jeder macht weiter seine eigenen Geschäfte.
Trump hat man hingegen gehasst und (vielleicht sogar zu Recht) für unberechenbar gehalten. Aber genau deshalb hat man ihn ernst genommen. Ernster, als er vielleicht verdient hat. Biden hingegen setzt schon im Auftreten die leichtgewichtige Gutmensch-Politik Jimmy Carters fort.
Das Bedauerlichste zum Schluss: Diese mangelnde Führungsfähigkeit Bidens und seine ganze Ausstrahlung von harmloser Leichtgewichtigkeit hängen wohl nicht nur mit inhaltlich-politischen Fragen zusammen, und nicht nur damit, dass der Trump-Kurs offenbar doch nicht so blöde gewesen ist, von dem sich Bidens Regierung krampfhaft unterscheiden will, sondern auch mit seiner eigenen Person. Jeder seiner Auftritte bestätigt erneut: Der Mann ist leider längst nicht mehr in seinen besten Jahren, er scheint sogar um eine ganze Generation älter zu sein als sein Vorgänger und nicht nur um die vier Jahre, die der Geburtsschein anzeigt.
Aber das alles wird vom europäischen Mainstream nicht erwähnt, weil man sich ja längst festgelegt hat, dass Biden der Gute und Edle ist. Da ignoriert man sogar die deutlichen Signale früher Demenz.