Der "Bericht über die Überprüfung der Dauerausstellungen des HGM" hat den angefeindeten Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums, Christian Ortner, eigentlich blendend bestätigt. Ausdrücklich wurde der unter seiner Ägide vorgenommene Umbau der Ausstellung zum Ersten Weltkrieg gelobt; hervorgehoben wurde die massive Steigerung der Besucherzahlen und Einnahmen während der Jahre, in denen er das Museum leitet; ausdrücklich zurückgewiesen wurde vom Vorsitzenden der Kommission auch der von diversen Medien nachgeplapperte Vorwurf, das Museum befördere in irgendeiner Weise extremistische oder antisemitische Inhalte. Die Mängel, die das Museum aufweist, gehen in fast allen Fällen auf die Knappheit der Ressourcen zurück bzw. auf Eigenheiten von Ortners Vorgängern. Man kann nicht das ganze Museum bei laufendem Betrieb umbauen – und Priorität war in den letzten Jahren eben die Darstellung des Ersten Weltkrieges.
Was haben die Herrschaften nun am HGM auszusetzen? Man hat sich offenbar auf den Kompromiss geeinigt, alle Vorschläge, die in diesem Rahmen vorgebracht wurden, aufzulisten. Daher finden sich neben diversen Beckmessereien – ob man jetzt durchs Cafe zur Ersten Republik kommt oder umgekehrt – auch schlichte Fehler und Widersprüche.
- Niederlagen kämen nicht vor, heißt es – um dann explizit die Wahl eines Gemäldes zu Königgrätz zu loben.
- Der Gegner komme nicht vor – um im gleichen Atemzug vor der Tradierung von Feindbildern zu warnen.
- Mitglieder des Herrscherhauses kämen zu oft vor – um dann zu klagen, dass Kronprinz Rudolf nicht besser ins Bild gerückt wird.
Offenbar stößt den Kritikern in erster Linie der Bezug zum Hause Habsburg sauer auf. Da wird man ihnen schwer helfen können. Gekämpft haben österreichische Armeen seit dem 17. Jahrhundert eben fast ausschließlich im Auftrag des Hauses Habsburg.
Auch das Kunsthistorische Museum geht auf die Sammlungen des Hauses zurück. Das stört weder im einen noch im anderen Fall den internationalen Besucher, im Gegenteil. Gemälde stellen übrigens eine Verbindung zwischen den beiden Häusern dar – den Kritikern sind sie zu dominant: Soll man auf sie deshalb im HGM verzichten?
Andere militärhistorische Museen, die über keinen solchen Fundus an Exponaten verfügen, mussten zu Ersatzlösungen greifen. Dadurch entsteht eine Vielfalt der Zugänge, wie sie die Autoren augenscheinlich befördern wollen.
Wirklich? Denn immer wieder schimmert bei ihren Ausführungen der alte Spruch durch: "Am deutschen Wesen soll die Welt genesen": Die Bundeswehr und ihr – problembeladen-gebrochener – Zugang gilt ihnen offenbar als das Maß aller Dinge. Stellt das Nachäffen dieser Versuche wirklich eine Chance dar, oder nicht vielmehr eine Sackgasse in die politisch korrekte Eintönigkeit?
An das National Army Museum in Chelsea, das von seiner Tradition und Aufgabenstellung viel besser vergleichbar wäre, hat offenbar niemand gedacht. Das HGM sei ein Museum von Fachleuten für Fachleute, heißt es. Doch gerade dieses vermeintlich so elitär-altmodische Museum weist deutlich mehr Besucher auf als das so hochgelobte – und weit besser dotierte – Dresdner Museum.
De gustibus non est disputandum. Natürlich ist die Militärgeschichte genauso wenig wie die Kunst- oder Technikgeschichte von der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung abzukoppeln. Aber ein Museum ist nun mal eine "Schausammlung" (auch wenn den Autoren das missfällt), kein Schulbuch, das sich mit dreidimensionalen Federn schmückt.
Die eingeforderte Frage nach der Legitimationsbasis staatlicher Gewaltanwendung bietet Stoff für jede Menge verfassungsrechtlicher und moralphilosophischer Seminare, aber sie eignet sich nicht zur Verdichtung auf das eine oder andere Exponat – und jeder Kurztext würde der Fragestellung bloß Gewalt antun. Ähnliches gilt für die Ursachen der Revolution von 1789 oder 1848, über die sich die politischen Lager (und die Forschung) bis heute streiten. Bei Logistik und Zahlen, Karten und Graphiken laufen die Kritiker offene Türen ein. Das hat der Vorgänger Ortners eben nicht gewollt – und es ließ sich seither nicht flächendeckend umsetzen.
Schließlich die "Sinnfrage": Die Kritiker vermissen einen "Narrativ", eine "Orientierungshilfe für Gegenwart und Zukunft" – einen Kanon der Traditionspflege (richtig: à la Bundeswehr, was denn sonst!). Zur Vielfalt der Perspektiven, von der noch eingangs die Rede war, passt das gar nicht. Ja, mehr noch: Es fehle die Bezugnahme auf militärische und politische Konflikte der Gegenwart (die nebenbei gesagt wissenschaftlich noch gar nicht hinreichend erforscht sein können). Wie war das noch mit den gefürchteten Feindbildern? Dieselbe "Studie" bemängelt, dass bei Sarajevo 1914 der Hinweis auf die "Schwarze Hand" und den Jugoslawienkrieg der neunziger Jahre fehlt. Mag schon sein: Wer Geschichte nur als Lieferanten für derlei leicht verwertbare Indoktrinationshäppchen in der Frischhaltepackung toleriert, der kommt im HGM nicht auf seine Kosten. Und das ist gut so.
Lothar Höbelt ist Professor für Neuere Geschichte an der Universität Wien