Meine Frau und ich wurden vor bald zwei Wochen positiv auf Corona getestet. Das ruft in Zeiten wie diesen auch die Behörden auf den Plan. Mittlerweile haben sie sich eingeschaltet. Eines vorweg: Die Beamten, mit denen ich seither zu tun hatte, waren alle ohne Ausnahme höflich, auskunftsfreudig, hilfsbereit. An ihnen gibt es nichts zu kritisieren. Im Hinblick auf das Chaos aber, das dahinter schlummert, waren diese Tage ungewöhnlich erhellend.
Auf das positive PCR-Testergebnis und die sich einstellenden Symptome – unter anderem Kopf- und Gliederschmerzen – folgt für mich erstmal Bettruhe. Nach einer halben Woche ruft eine Dame der Stadt Wien an, nicht etwa um mich zu fragen wie es mir geht oder ob ärztliche Betreuung erforderlich ist, sondern um von mir zu erfahren, ab wann die Symptome aufgetreten sind, an welchem Tag ich getestet wurde, unter welchen Symptomen ich konkret leide, welche Vorerkrankungen ich habe, von wem ich angesteckt wurde, wen ich seither getroffen habe, ob ich mit meiner Frau nach wie vor Badezimmer und Schlafzimmer teile(!).
Die Dame erklärt mir, bei der Stadt Wien für das Contact Tracing zuständig zu sein. Ich beantworte ihre Fragen Punkt für Punkt, gebe ihr auch zu verstehen, dass sowohl meine Frau als auch ich positiv getestet wurden, und daher eine Trennung ohnehin keinen Sinn mehr macht. Die Dame erfährt das zum ersten Mal. Sie notiert es. Nach zirka zehn Minuten sind wir mit der Befragung fertig. Wie gesagt: Die Dame auf der anderen Seite der Leitung ist – so wie auch alle nachfolgenden Personen, mit denen ich sprechen werde – stets zuvorkommend.
Wenig später erhalte ich neuerlich einen Anruf, diesmal von der Magistratsabteilung 15, dem Gesundheitsdienst der Stadt Wien. Nun will man neuerlich alle Informationen von mir erhalten – und zwar genau dieselben, die ich eben der vorigen Dame gegeben haben. Auf meine Frage, warum ich zwei Mal dieselben Auskünfte erteilen müsse, wird mir erklärt, dass es sich um zwei verschiedene Behörden handelt, und dies aus diesem Grund halt zwei Mal erforderlich sei. Na gut. Das ist zwar ein wenig umständlich, aber bitte.
Am folgenden Tag erhalte ich – nach einer Fiebernacht – neuerlich einen Anruf auf meinem Mobiltelefon. Nun meldet sich wieder eine Person der Stadt Wien, sie stammt ebenfalls von der MA15 und kontaktiert mich nun in meiner Funktion als K1-Kontaktperson meiner Ehefrau. Sie will wissen, ob ich nach wie vor mit meiner Frau dieselben Zimmer teile. Nun erkläre ich, bereits verärgert, dass ich auch schon positiv getestet bin – was die Person, mit der ich jetzt rede, in ihren Daten allerdings nicht sieht. Ergebnis: Ich muss ihr ein drittes Mal alles nochmals sagen, so wie bereits zwei Mal zuvor – Punkt für Punkt.
Ein wenig später, nach meinem positiven Testergebnis ist nun bereits eine Woche vergangenen, habe ich noch immer keinen Absonderungsbescheid erhalten. Einen solchen benötige ich aber dringend wegen meiner Arbeit. Also bin ich es diesmal, der die MA15 anruft, und nicht umgekehrt. Ich erreiche einen freundlichen Mann – mittleren Alters, der Stimme nach – und nenne ihm meine Daten (Name, Sozialversicherungsnummer, Geburtsdatum). "Gut, im ersten Programm sind Sie nicht eingetragen", antwortet der Beamte. "Ich sehe noch im zweiten nach." Ich bin irritiert: "Wie bitte?" Er darauf: "Ja, wir haben zwei Programme, in die wir alles eintragen müssen. Bitte fragen Sie mich nicht warum." Im zweiten Programm findet er mich schließlich, und verspricht mir, sich um den Absonderungsbescheid zu kümmern.
Doch ich muss nun nachhacken. "Sie haben für alle auf Covid-19 getesteten Personen zwei verschiedene Programme?" "Nun, nein, eigentlich sind es drei." "Drei?" "Ja. Die K1-Kontaktpersonen werden in zwei verschiedenen Programmen eingetragen, die getesteten Personen in drei." "Ist das nur in Wien so?" "Nein, das ist in ganz Österreich so. Wie gesagt: Fragen Sie mich nicht, warum wir drei Systeme haben, und warum die nicht aufeinander abgestimmt sind und das nicht automatisiert wird, aber wir müssen jeden Fall drei Mal eintragen. Ich habe auch keine Ahnung, was das soll und warum die österreichischen Behörden drei verschiedene Programme brauchen."
So viel zum Zustand der österreichischen Behörden. Das erklärt natürlich einiges, auch warum man öfters kontaktiert wird, und warum einige Beamte noch immer nicht den Überblick haben und einen alles nochmals fragen. Man stelle sich nur vor, ein Unternehmen in der Privatwirtschaft würde es sich erlauben, mit ähnlich umständlichen Datenbanken zu arbeiten. Bemerkenswert, dass auch die Politik an so banalen Dingen, wie einer bundesweiten Datenbank zur Registrierung aller Fälle scheitert. Dieses Corona-Management der Behörden ist lachhaft – aber wir dürfen dem Virus dankbar dafür sein, dass es solche Zustände wenigstens ans Tageslicht bringt.
Einige persönliche Gedanken noch dazu:
Der Staat des 21. Jahrhunderts muss anscheinend vieles leisten, er muss sogar die maximale Gesundheit gewährleisten und den Tod wo immer möglich verhindern. Das erwartet heute offenbar die gesamte Menschheit von ihm, von Australien, über Hongkong, die USA bis nach Europa – und somit auch in Wien. Eine Übersterblichkeit darf er einfach nicht zulassen. Nur dieser Staat bedient sich dabei offensichtlich der Methoden einer veralteten Verwaltung des 20. Jahrhunderts. Vielleicht ist das einer der Grundwidersprüche, in dem wir zurzeit leben: den Ansprüchen des 21. Jahrhunderts mit den Methoden des 20. Jahrhunderts zu begegnen.
Um das kurz zu erläutern: Wir wollen maximale Gesundheit und keine Übersterblichkeit in Kauf nehmen, wir wollen aber auch nicht unseren Wohlstand komplett ruinieren, und daher besser keinen Dauer-Lockdown haben. Das ginge meines Erachtens nur über eine digitale Erfassung jedes hier lebenden Bürgers – sprich: getestet/nicht getestet, positiv/negativ, geimpft/nicht geimpft. Wäre das der Fall, nun dann müsste es tatsächlich für die Behörden, und ebenso für Lokale, Theater, Bars usw. ein Leichtes sein, jede einzelne Person zu erfassen, und ihr auch Zutritt zu gewähren, sofern sie nicht positiv auf Covid-19 getestet ist. Dann würden wir das Coronavirus bekämpfen und kämen ganz ohne Lockdown aus. Vermutlich wäre das eine zeitgemäße Antwort. Doch – das wollen wir eben auch nicht, denn nun kommt neben Gesundheit und Wohlstand unser drittes Bedürfnis zum Tragen, auf das wir ebenfalls nicht verzichten wollen, und dieses Bedürfnis heißt Datenschutz. Wir haben – nicht ohne Grund – Angst vor dem gläsernen Menschen.
Ergebnis: Wir wollen irgendwie das Virus zurückdrängen, mit Lockdowns, aber nicht zu langen, und uns mit einer Verwaltung durchwurschteln, die zu einem effektiven Kampf gegen das Virus definitiv nicht taugt. Tief im Inneren weiß das vielleicht auch jeder irgendwie oder ahnt es zumindest, aber weil wir nicht anders können und auf keines unserer Bedürfnisse verzichten wollen, spielen wir alle das Spiel mit und tun so als ob ...
(Der persönlich bekannte Autor bittet aus beruflichen Gründen anonym bleiben zu dürfen.)