„War die Sex-Party in Brüssel eine Geheimdienst-Falle?“...

… gestellt durch den deutschen BND, gegen einen ungarischen Fidesz-EU-Abgeordneten, um Polen und Ungarn im EU-Veto-Streit zu erpressen? Vieles deutet drauf hin.

"In der Welt der Geheimdienste sind die Dinge fast nie so wie scheinen. Die Wahrheit ist immer eine andere. Und viel komplexer, wie man uns glauben machen will" (ein Ermittler zum Attentat auf Papst Johannes Paul II, 13. Mai 1981, Filmende).

Selbst die links-orientierte ungarische hvg glaubt daran: Eine "Art Geheimdienst-Operation hat die Freitagnacht-Razzia begleitet":

1.) Denn nur und allein die Identität des Orban-Mannes Szajer wurde lanciert. Jene von anderen Diplomaten nicht (etwa aus dem Umfeld von Van der Leyen – polnische wurden nur angedeutet).

2.) Der BND soll übrigens genau diese Desavouierungs-Methoden auf seiner Toolbox aufgelistet haben. (hvg)

Auch zwei Fidesz-kritische Akteure gehen davon aus:

Ein alter Ex-Intimfeind von Orban, Ex-Vorsitzender der rechtsradialen Jobbik-Partei, G. Vona, stellte sich die Frage: "Wurde Szajer wegen des Skandals um das EU-Veto gejagt?" (siehe Analyse auf PP, karpatok).

Und auch A. Pulai ("Analyst am Publicus-Institut") äußerte diesen Verdacht: "Warum ist nur der wichtigste FIDESZ-EU-Politiker (auf der Sexparty) ausgeschrieben worden?" (facebook, karpatok). Denn "im Laufe der Jahre" dürften wohl "ähnliche Sexpartys wahrscheinlich … von hunderten Abgeordneten, Diplomaten besucht" worden sein. "Brüsseler Stellen … wissen davon sicherlich schon lange." Schließlich fügte er hinzu: "Könnte all das Teil eines politischen Kampfes sein, der eine andere, größere und wichtigere Rolle gespielt hat?" (karpatok).

Ungarn hat den Geheimdienst erfunden

Die Bild-Zeitung diskreditiert mittels "Verschwörungs-Theorie"-Codes: "Regierungsnahe Medien" in Ungarn würden nun "die Schuldfrage bei fremden, übelwollenden Mächten" suchen. Dabei liegen die Indizien (sowohl zeitlich als auch inhaltlich) geradezu offen zutage: "Ziel: eine Schwächung Orbans im Vorfeld des EU-Krisen-Gipfels" am 10./11. Dezember 2020. Die Wahrheits-Vernebelung klingt so: Polen und Ungarn würden sich jetzt "als Opfer inszenieren". Ganz so, "als wollten ‚Brüssel’ oder ‚Merkel lediglich ein Strafmittel gegen sie installieren’" (Bild). Ein EU-Diplomat argumentierte genau in diese Richtung: "Der Druck auf die Regierungen Polens und Ungarns wird mit jedem Tag größer" (Bild).

Erpressung und Warnung vor weiteren Enthüllungen?

Sogar einen erpessbaren "Köder" soll es geben: Gegen den Organisator jener (schon länger laufenden) Sexpartys, David Manzheley (29), soll ein Betrugsverfahren in Polen anhängig sein (karpatok). (Was von Manzheley bestritten wird. Es gilt die Unschuldsvermutung.)

Manzheley jedenfalls erhob weitere brisante Anschuldigungen – allerdings wieder nur (!) gegen Ungarn und Polen: Nämlich, dass "vier polnische PiS- und neun Fidesz-Politiker Stammgäste" wären (die polnische "Onet"). Dass auch ein hoher Diplomat aus dem Team von EU-Präsidentin Van der Leyen mit dabei war, wurde freilich bisher vertuscht. (Hir-TV) – Warum wohl bloß?

Interessant auch: Manzhely verneinte auch die bisher berühmt gewordene (übrigens lebensgefährliche) James-Bond-Flucht-Story über die Dachrinne: Es wäre nämlich nur beim Versuch, "durch das Fenster zu fliehen", geblieben (die Wohnung befand sich im zweiten Stock). Diese würde aber bedeuten, dass die "Nachricht von dem blutenden S.J., der auf der Straße gefangen genommen wurde" (laut Brüsseler Staatsanwaltschaft), frei erfunden wäre.

Wird Polen erpresst?

Die angeblich inkriminierten polnischen Sexparty-Teilnehmer hätten "in Polen wichtige Regierungsfunktionen" inne (karpatok, onenet). Somit aber hätte die Geheimdienst-Aktion fast schon einen ersten Zwischenerfolg eingefahren. Denn schon am 3. Dezember schien die ungarisch-polnische Anti-EU-Phalanx endlich aufzubrechen: "Polen zieht Veto gegen EU zurück." (msn) Diese Äußerung des polnischen Vizeministerpräsidenten, J. Gowin (nach einem Treffen mit der EU-Kommission) wurde dann aber umgehend dementiert: Es bleibe beim Veto. Wäre doch Gowin eben "nur Mitglied eines kleinen Koalitionspartners und nicht der wichtigsten Regierungspartei" (ein polnischer Regierungssprecher, euronews).

War alles also eine Warnung an die polnische Seite, dass weitere Enthüllungen kommen könnten? Wurde Gowin "weichgeklopft"? Möglich wäre aber auch, dass die ungarisch-polnische Seite ein Ausstiegsszenario eröffnet hätte: "Das Veto würde auch Polen schaden. Die polnische Regierung könne statt einer Änderung der Regeln zur Rechtsstaatlichkeit auch eine Erklärung der EU-Mitgliedsstaaten akzeptieren," nämlich "nur bezüglich der korrekten Verwendung von EU-Geldern" (stv. Ministerpräsident Godwin, ORF).

Orban: "Angriff ist die beste Verteidigung"

Orban richtete dem deutschen EU-EVP-Mandatar Manfred Weber aus: "Wir Ungarn sind keine naiven Volltrottel, die man verarschen kann" ("Nem vagyunk balfácánok”-Orban). Dann legte Orban noch eine rhetorische Meisterleistung hin: "Die Situation ist klar, lieber Manfred. Sie möchten die aktuelle Rechtslage ändern, um ein Werkzeug zu schaffen, das Sie sofort gegen Ungarn und Polen anwenden können." (HirTV)

Der Beweis: EU-Hass-Tiraden gegen Ungarn

Vera Jourova (EU-Kommissarin für Werte und Transparenz) behauptete einst: Orban baue eine kranke Demokratie auf.

Frans Timmermans (EU-Vizekommissions-Präsident) unterstellte: Es gäbe in Ungarn fast keine freie Presse. – Orban hat diese Verleumdungsschiene übrigens längst widerleget. (UngarnHeute)

Helen Dalli (EU-Kommissarin für Gleichstellung): Der Rechtstaats-Mechanismus sei der Weg, um die Mitgliedstaaten auf Linie zu bringen.

Katharina Barley (Vizepräsidentin des EU-Parlaments): Ungarn und Polen sollten ausgehungert werden.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas sogar in Folter-Rhetorik: "Jetzt werden wir endlich ein sehr schmerzhaftes Instrument gegen Ungarn und Polen haben."

Luxemburgs Außenminister J. Asselborn: Der (ungarische) "Krebstumor" müsse endlich neutralisiert werden. Und: "Ungarn ist so diktatorisch wie Weißrussland."

Orbans Warnung an EVP-Weber: "Die Deutschen haben die Ungarn um viele Dinge in der Geschichte gebeten. Aber Sie sind auch die Ersten, die uns als ‚naive Volltrottel’ betrachten. Nur: Wir sind es nicht." (HirTV)

"Nichts ist so wie es scheint"

"Es gibt immer eine Wahrheit hinter der Wahrheit. Und hinter dieser Wahrheit eine weitere Wahrheit. Und dann erkennt man, dass die erste Wahrheit der Wahrheit doch am nächsten kommt" (ein Ermittler zum Attentat auf Papst Johannes Paul II, Filmanfang). Doch seit damals hat sich Wesentliches geändert: Durch die mediale Echtzeit-Beschleunigung desavouieren sich solch traditionelle Sex-and-Crime-Geheimdienstmethoden als geradezu lächerlich. Auch deshalb, wenn die ins Visier genommenen Politiker umgehend, mutig und unkorrumpierbar reagieren.

Zeit und Evidenz

Fr., 27.11.2011: Der Sexskandal gegen Szajer wird aktenkundig.

So, 29.11.: Szajer gibt seinen Rücktritt bekannt.

Mo., 30.11.: Der ungarische Pressesprecher Havasi gibt bekannt: Orban reist (zum zweiten Mal innerhalb einer Woche!) nach Warschau zu einem Treffen mit dem polnischen Ministerpräsidenten Morawiecki. Ziel: "Akkordierung weiterer Maßnahmen (anlässlich) des bevorstehenden EU-Gipfels" (polnischer Regierungssprecher, 24Hu).

Mi, 2.12.: Orban gibt gekannt: Szajer hat die Fidesz verlassen.

Do., 3.12.: Der stv. Regierungspräsident Godwin gibt die Meldung heraus: "Polen verzichtet auf EU-Blockade".

Do., 3.12.: Das Treffen Orban-Morawiecki findet abends statt.

Fr., 4.12.: Godwins Meldung wird offiziell widerrufen.

Mo, 6.12.: "Polnische Regierung streitet offen EU-Finanzpaket-Veto." (ORF)

Do, 8.12.: Medien berichten: Orban überlegt Austritt aus der EVP.

Fr., Sa. 10./11.12: EU-Krisen-Gipfel in Brüssel zum EU-Veto.

Geradezu ins Auge muss aber die äußere Veränderung des Joszef Szajer fallen: Von einem braven Parterifunktionär mit dem Image eines Versicherungsvertreters zu einem geradezu Hipster-Macho mit knall-schwarz gefärbtem Bart, mit der grotesken Aura eines sizilianischen Mafiosi, der offensichtlich Mühe mit dem Nachfärben gehabt haben muss…

Dr. Elmar Forster ist Lehrer und lebt(e) seit 1992 als Auslandsösterreicher in Ungarn, Prag, Bratislava, Polen, Siebenbürgen (Rumänien). Seit 2009 unterrichtet er auch wieder an österreichischen Schulen.

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